Dokumentation Kapitalismus und Opposition: Die Verhältnisse verstehen und überwinden

Herbert Marcuses Pariser Vorlesungen als kritische Bildungsmaterialien

Information

Veranstaltungsort

Rosa-Luxemburg-Stiftung
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin

Zeit

22.03.2018

Veranstalter

Marcus Hawel,

Die beiden Herausgeber_innen der 1974 von Marcuse an der Reformuniversität Vincennes/Paris gehaltenen Vorlesung zum «Eindimensionalen Menschen», Lisa Doppler und Peter-Erwin Jansen, haben zunächst eine einstündige Einführung in das Leben und Wirken Herbert Marcuses und seiner kritischen Theorie des eindimensionalen Menschen gegeben. Anschließend wurden Fragen der bildungstheoretischen und -praktischen Relevanz diskutiert – zunächst auf dem Podium und schließlich auch mit dem Publikum.

Lisa Doppler und Peter-Erwin Jansen haben die Vorlesung als Bildungsmaterialien, das heißt als guten Einstieg in die kritische Theorie Marcuses empfohlen.

Jansen, der Herausgeber der nachgelassenen Schriften von Herbert Marcuse und Leo Löwenthal im Zuklampen-Verlag, hatte 2012 die Manuskripte der Vorlesung im Marcuse-Archiv an der Universität Frankfurt entdeckt. – Wenn man darin liest, kann man einen Eindruck davon bekommen, wie Marcuses intellektuelle Arbeit an den Begriffen der Kritischen Theorie weiterging zu einem Zeitpunkt, als der sich flexibilisierende, neoliberale Kapitalismus ante portas stand. Auf die große und womöglich wichtigste Frage, warum die Menschen dagegen nicht massenhaft - und wenn doch, nicht erfolgreich - aufbegehren, lässt sich mit dem von Marcuse entfalteten Theorem der Eindimensionalität, die Vielfalt nur auf einer Ebene zulässt  und darüber Freiheit nur suggeriert, immer noch am besten erschließen. Da ist es schon etwas merkwürdig, wie wenig darauf noch rekurriert wird. Für Jansen und Doppler aber ist klar, dass - auch wenn manches in die Jahre gekommen ist und einer Erneuerung bedarf - Marcuses suchende Gedankenbewegungen und begriffliche Arbeit produktive und inspirierende «Analysetools» für die Gegenwart bieten.

Für den Einstieg in Marcuses kritische Theorie bietet sich übrigens neben den Vorlesungen zum «Eindimensionalen Menschen» auch dieser kompakte und instruktive Aufsatz von Sven Oliveira Cavalcanti an, den er anlässlich Marcuses 25. Todestages 2004 in der sopos veröffentlichte:

https://www.sopos.org/aufsaetze/410a9d4c2c4db/1.phtml.html

 

Ankündigungstext

Der Sozialphilosoph Herbert Marcuse hielt 1974 in Paris eine Vorlesungsreihe, in der er aufgrund seiner scharfen Analyse die neoliberalen Tendenzen des Kapitalismus erstaunlich früh beschreibt. An Aktualität haben auch seine psychoanalytisch fundierten Betrachtungen der Menschen nicht verloren. Mangelt es an Bewusstsein oder liegt es am Ohnmachtsgefühl, dass relativ Wenige aufbegehren? Besteht in der nachlassenden Identifikation mit der eigenen Arbeit eine Chance? Die von Lisa Doppler, Peter-Erwin Jansen und Alexander Neupert-Doppler gerade ins Deutsche übersetzten und herausgegebenen Vorlesungen bieten sich aufgrund der präzisen und leicht verständlichen Sprache Marcuses und ihrer andauernder Relevanz als Bildungsmaterialien zu Kritischer Theorie und Praxis an. Die Referent*innen werden ihre Erfahrungen in der universitären Lehre und politischen Bildungsarbeit mit Marcuse teilen und diskutieren.

Politisch konkreter als noch im «Eindimensionalen Menschen» und erstaunlich aktuell stellt Marcuse hier die globalen Bedrohungen durch den entfesselten Neoliberalismus dar. Er zeigt konkrete Möglichkeiten auf, die für eine befreite Gesellschaft bereits in der bestehenden Industriegesellschaft vorhanden sind, die aber durch die kapitalistischen Machtverhältnisse blockiert werden.

  • Lisa Doppler ist Promotionsstipendiatin der RLS. Für ihr Dissertationsprojekt hat sie Herbert Marcuse mit intellektuellen Aktivist*innen der Refugee-Bewegung diskutiert.
  • Peter-Erwin Jansen studierte Philosophie, Soziologie, Germanistik und Politik in Frankfurt/Main u. a. bei Jürgen Habermas und Axel Honneth. Er ist Direktor der Internationalen Herbert Marcuse Society (IHMS, European Section) und Herausgeber der Nachlässe von Herbert Marcuse und Leo Löwenthal. Jansen lehrt an der Hochschule in Koblenz.