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Aufschwung von Dauer?

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Im westafrikanischen Senegal wird nächstes Jahr der Präsident gewählt. Seit 2012 regiert Macky Sall Land und er will wieder antreten. Salls Chancen auf eine Wiederwahl hängen von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes ab, und vielleicht noch mehr von der Stimmung der Menschen. Seine Vielparteienkoalition hatte im vergangenen Jahr 49,5% der Stimmen erhalten. Sall will unbedingt im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewinnen. Dafür trommelt er schon heute, vor allem mit den guten Wirtschaftsdaten. Sieben Prozent Wirtschaftswachstum oder sogar ein bisschen mehr könnten es dieses Jahr sein.

Macky Sall eilt von einer feierlichen Eröffnung zur anderen. Gerade hat er wieder ein Stück Schnellstraße zwischen Fatick und Kaolack eingeweiht. Von dort kommt der Präsident, der in seinem Konvoi von schwarzen SUVs an den AnhängerInnen vorbeirast, die die Straßen säumen, um den Präsident zu begrüßen oder vielleicht nur zu bestaunen, weil in der Provinz sonst wenig los ist. Bald wird Sall das neue Sportstadion in der Retortenstadt Diamnadio vor den Toren Dakars einweihen. Und dann – möglichst vor den Wahlen – will der Präsident den ersten Abschnitt der Schnellbahntrasse von Dakar zum erst kürzlich neu eingeweihten internationalen Flughafen feiern.

Angesichts all dieser Projekte waren die Regierenden sicher einigermaßen konsterniert, dass der Senegal weiter als eines der ärmsten Länder der Welt in den internationalen Listen geführt wird. Die meisten sozialen Indikatoren des Landes lassen trotz des Aufschwungs weiter zu wünschen übrig. Der Schulbesuch, um nur ein Makel zu nennen, verharrt seit mehr als 8 Jahren im Grundschulbereich bei ca. 82 Prozent. Diese Zahl ist aber mit Vorsicht zu genießen, überall im Land fehlt es an Schulen. Nicht selten drängen sich über 80 SchülerInnen in ein Klassenzimmer und viele, womöglich mehr als nur 18 Prozent, gehen gar nicht zur Schule, denn so genau weiß das keineR. Schließlich werden nicht alle Geburten im Land von der überforderten Verwaltung erfasst, so dass nur Schätzungen über die Kinderzahl vorliegen.

Exporte und mehr Kapital

Seit nunmehr sechs Jahren erlebt der Senegal einen wirtschaftlichen Aufschwung, der in den letzten drei Jahren an Dynamik gewann, so dass die Wirtschaft nun deutlich stärker als die Bevölkerung wächst, die etwa um 3 bis 3,5 Prozent pro Jahr zunimmt (siehe Abbildung 1). Wie viele andere Länder des Globalen Südens ist Senegals Volkswirtschaft abhängig von der Entwicklung des Weltmarktes. Nachfrage und Preise der Exportprodukte Fisch, Erdnüsse und Mineralien bestimmen den Rhythmus der Wirtschaft. Von der weltwirtschaftlichen Erholung nach der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 hat auch die senegalesische Wirtschaft profitiert.

Abb. 1: BIP-Wachstum pro Kopf (2000 bis 2016), Quelle: Weltbank 2017.

Die Exporterfolge, die verbesserten Terms of Trade der senegalesischen Wirtschaft, der Landwirtschaft, der Fischerei, der Industrie und des Bergbaus ermöglichen dem Land neue Importe für Investitionen und Konsum (siehe Abbildung 2). Senegals Haushalte kaufen ein: Autos, Fernseher, Kühlschränke, aber auch der Häuserbau und die Anschaffung von Möbel genauso wie der Gang zum Supermarkt, um dort neben einheimischen Produkten auch Importwaren zu kaufen, wird für mehr Menschen, die als ArbeitnehmerInnen von steigenden Löhnen oder als ProduzentInnen in der Landwirtschaft oder in der Industrie von verbesserten Gewinnen profitieren, erschwinglich. Investiert wird auch in die Unternehmen und in die Infrastruktur des Landes - Projekte, die Macky Sall nicht müde wird einzuweihen. Ein Teil der Investitionen ist schuldenfinanziert. Der Anteil der Schulden am BIP liegt im Senegal bei 60,57 Prozent, weit entfernt von griechischen oder japanischen Verhältnissen. Doch die Verschuldung stieg in den letzten Jahren deutlich an (allein im Jahr 2016 gegenüber 2015 um 3,86 Prozentpunkte). Natürlich profitiert der Senegal auch von Hilfszusagen der Geberländer und Institutionen wie der Weltbank, ebenso tragen auch die Rücküberweisungen zum Aufschwung bei. Die SenegalesInnen in Europa, Nordamerika und Asien befeuern sichtbar den Bauboom in Dakar und auf dem Land. Nicht zuletzt deshalb verzeichnet die einheimische Zementindustrie ein Rekordjahr nach dem anderen. Tausende von angelernten Arbeitskräften aus dem Senegal und den ärmeren Nachbarstaaten bringt der Bauboom Einkommen.

Abb. 2. Entwicklung der Terms of Trade (2000-2016); Quelle: Weltbank 2017.

 

Aufschwung  von Dauer?

Senegals wirtschaftliche Entwicklung verlief immer zyklisch, Phasen der Expansion lösten sich mit Phasen der Stagnation und Rückgang ab. Dieses wirtschaftliche Auf und Ab erlebte der Senegal seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Übergang vom „illegalen Handel“ (Sklaverei) zum „legitimen Handel“ die senegalesischen Produzenten – viele von ihnen auch kleine und mittlere afrikanische Betriebe – in die globale industrielle Entwicklung einband und noch in der Zeit des Kolonialismus immer mehr Menschen in den Markt intergiert wurden.

Der gegenwärtige Aufschwung ist gekennzeichnet durch den weiteren Ausbau des Straßennetzes. Nicht nur Hauptstraßen werden gebaut oder erneuert, auch zweit- und drittrangige Straßen werden geteert, so dass auch weit entlegene Gebiete in die Reichweite der Städte und damit in den Genuss der Märkte kommen. Die Bauern können ihre Waren durch die neuen Straßen billiger und in weiter entfernten Orten anbieten, ohne dass die Ware verdirbt. Die Elektrifizierung der ländlichen Räume hat eine ähnliche Wirkung: Auch sie vergrößert die Märkte und eröffnet damit mehr Menschen Einnahmen in Form von Geld. Die Entwicklung des einheimischen Marktes schreitet voran, jetzt kommt es darauf an, dass ausländische Produkte, wie etwa Milch und Milchprodukte aber auch Reis, durch einheimische Produkte ersetzt werden. Für diesen Übergang gibt es bereits viele Beispiele, doch davon muss es mehr geben, denn nur durch eine weitere Importsubstitution kann der nächste weltwirtschaftlich bedingte Abschwung, der die Exporteinnahmen schmälern wird, und der durch eine weitere Verschuldung nicht dauerhaft ausgeglichen werden kann, abgefedert werden.