Nachricht | Europa - International / Transnational Trauer in Polen

Polen trauert in diesen Tagen um die Opfer einer unfassbaren Flugzeugkatastrophe. Das Land verlor auf einen Schlag seinen Staatspräsidenten, wichtige Politiker, Regierungsmitglieder und Parlamentarier aller Fraktionen. Unter den Opfern ist auch Izabela Jaruga-Nowacka, eine der wichtigsten linken Politikerinnen des Landes.

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An Bord der Unglücksmaschine waren Maria Kaczyńska, die Ehefrau Lech Kaczyńskis, hochrangige Mitarbeiter des Präsidenten, Personen des öffentlichen Lebens, ein großer Teil der Armeeführung, Seelsorger verschiedener Konfessionen, Familienangehörige der Katyn-Opfer. Bei dem Unglück starben 96 Menschen.

Das Unglück ist eine Tragödie, die das ganze Land trifft. Darin sind sich die Kommentatoren aller politischer Richtungen und Lager einig. Die Trauer wird auch nach Aufklärung der Ursachen des Unglücks nicht kleiner werden. Die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen werden noch lange zu spüren sein.

Besonders schmerzhaft ist es, dass unter den Opfern Menschen zu finden sind, zu denen seit Jahren eine enge Zusammenarbeit mit der RLS bestand. In der abgestürzten Maschine saßen Izabela Jaruga-Nowacka, die für die Fraktion „Lewica“ (Linke) an der Reise teilnahm, sowie Jolanta Szymanek-Deresz und Jerzy Szmajdzinski, die Gäste unserer Veranstaltungen waren. Izabela Jaruga-Nowacka, die überzeugte Sozialistin, war eine der wichtigsten Politikerinnen der sozialdemokratischen Fraktion im Parlament und leidenschaftliche Verfechterin einer aufgeklärten Frauenpolitik. Sie war vor vielen Jahren Mitbegründerin und bis 2005 langjährige Vorsitzende der linksgerichteten Partei „Unia Pracy“ (UP; Union der Arbeit). Von 2001 bis 2004 war sie in der Regierung von Leszek Miller Polens erste Gleichstellungsbeauftragte im Ministerrang. 2004/2005 war sie Stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Arbeit und Soziales in der Regierung Marek Belkas. In vier Legislaturperioden war sie Abgeordnete im polnischen Sejm. Zuletzt setzte sie sich bei den Wahlen 2007 in Gdynia durch. Jaruga-Nowacka zählte zu jenen Abgeordneten, die sich entschieden und nachhaltig für die Stärkung der Rolle der Frauen in der Gesellschaft, einschließlich ihrer repräsentativen Funktionen einsetzte. In allen Fragen von Geschlechtergleichberechtigung und Minderheitenrechten galt sie als unnachgiebige Kämpferin. 2005 war sie als eine von 1000 Frauen weltweit für den Friedensnobelpreis nominiert.

Als die Rosa Luxemburg Stiftung 2003 in Polen ihre ersten Projekte zum Themenkreis „Frauen in der Politik“ startete, fanden wir und unsere Partnerorganisationen in der Ministerin und Sejm-Abgeordneten eine wichtige Stütze. Da es um die sensible Frage der Teilhabe von Frauen am politischen Prozess ging, wären die durchgeführten Projekte ohne ihre tatkräftige Unterstützung weitaus weniger erfolgreich gewesen.

Im Dezember 2007 konnte so im Sejm das „Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle“ mit einer wichtigen Konferenz, an der Vertreter aller Sejm-Fraktionen teilnahmen, abgeschlossen werden. Zu Gast waren damals u. a. die Europaabgeordneten der Partei „Die Linke“ Gabi Zimmer und Helmuth Markov. Unter Beteiligung aller großen Gewerkschaften Polens wurde mit Unterstützung von Jaruga-Nowacka im Dezember 2009 im historischen Salzbergwerk Wieliczka bei Kraków eine Tagung durchgeführt, bei der die Rolle der Frauen in der Gewerkschaftsbewegung im Mittelpunkt der Debatten stand. Zugegen waren auch Gewerkschafter und Betriebsratsvertreter aus Deutschland. Aus dem Deutschen Bundestag nahm Inge Höger (Die Linke) teil. Im Februar 2010 diskutierten RLS-Vertreter den Stand der Gleichstellungsdebatte in Polen mit Frau Jaruga-Nowacka zum letzten Mal.

Izabela Jaruga-Nowacka, leidenschaftliche Kämpferin für soziale Gerechtigkeit und eine der wichtigsten Politikerinnen Polens, wird uns fehlen.

Joanna Gwiazdecka ist Leiterin des RLS-Regionalbüros in Warschau.