Nachricht | Waffenexporte Heckler & Koch – Prozesstag 15: Ein glatter Freispruch wird unwahrscheinlicher

Der heutige rechtliche Hinweis des Gerichtes könnte einen Wendepunkt im Prozess markieren.

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Autor

Jan van Aken,

Zumindest für zwei der Angeklagten kommt eine Verurteilung wegen des Erschleichens einer Exportgenehmigung in Betracht. Dieser rechtliche Hinweis des Gerichtes könnte ein Wendepunkt des Prozesses sein, denn bislang hat der Vorsitzende Richter wiederholt darauf hingewiesen, dass die Exportgenehmigungen aus rechtlicher Sicht wahrscheinlich nicht auf bestimmte Bundesstaaten in Mexiko beschränkt waren – und Heckler & Koch damit nicht gegen die Genehmigungen verstoßen hätte.

Bericht vom 15. Prozesstag am 20. September 2018.

 
Der Vorsitzende Richter verlas heute einen formalen «Rechtlichen und Tatsächlichen Hinweis» der Kammer, um die Angeklagten darauf hinzuweisen, dass auch andere Strafgesetze angewendet werden könnten als in der Anklage formuliert. Im Kern umfasste der Hinweis folgende Punkte:

  1. Bei zwei Tatkomplexen kommt eine Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz aufgrund einer erschlichenen Genehmigung in Betracht. Bei einem Tatkomplex sei eine Endverbleibserklärung beim Bundesausfuhramt vorgelegt worden, obwohl diese nicht rechtsgültig war – denn der zugrundeliegende Kaufvertrag war storniert worden (siehe Prozesstag 13). Bei einem anderen, späteren Tatkomplex könnte ein Erschleichen dadurch vorgelegen haben, dass Endverbleibserklärungen vorgelegt wurden, von denen Beteiligte bei Heckler & Koch wussten, dass die mexikanischen Behörden tatsächlich nicht beabsichtigten, den angegebenen Endverbleib in den dort genannten Bundesstaaten zu gewährleisten. In beiden Fällen könnten die Angeklagten Ingo S. (ehemals Vertriebsleiter bei HK) sowie Marianne B. (ehemals Sachbearbeiterin) an diesem Erschleichen entweder bewusst und gewollt mitgehandelt haben, oder es zumindest billigend in Kauf genommen haben.
  2. Dabei könnte für die Angeklagten Ingo S. und Marianne B. auch die Beteiligung an einer «Bandenabrede» für die Erschleichung von Genehmigungen in Betracht kommen.
  3. Für Marianne B. wäre neben einer Mittäterschaft auch eine Beihilfe zu den jeweiligen Taten möglich.

Im Anschluss erläuterte der Vorsitzende Richter diesen Hinweis und begründete, wo er Hinweise auf eine mögliche Beteiligung von Ingo S. und Marianne B. an der Erschleichung von Genehmigungen sieht:

Zentral sei dabei ein E-Mail-Verkehr vom 25. und 26. April 2006, der mit einer Mail des Mexiko-Vertreters von HK, Markus B., beginnt, in dem er unverblümt mit Blick auf die Endverbleibserklärung fragt: «Soll eventuell der Bundesstaat Guerrero nicht erwähnt werden?» (siehe Prozesstag 4). Diese Mail wurde von Ingo S. beantwortet, unter anderem mit der Formulierung: Falls Guerrero bisher in den Papieren auftauchte und genehmigt wurde, könne das ruhig drin bleiben. Dazu stellte der Vorsitzende Richter die Frage in den Raum, was das denn bedeuten sollen, denn aus der Mail ist eindeutig zu entnehmen, dass Guerrero Waffen bekommen soll, und dann macht die Frage keinen Sinn, denn dann muss Guerrero natürlich auf jeden Fall auch in den Papieren auftauchen.

Auch zum möglichen Tatbeitrag von Marianne B. gibt der Richter einige Hinweise. Sie hat bislang darauf bestanden, als einfache Sachbearbeiterin nur auf Anweisung gehandelt zu haben. Der Richter erwähnte, dass sie von April bis Juni 2006 diverse Angebote für Guerrero geschrieben habe, dann im August 2006 aber handschriftlich an einer E-Mail vermerkt habe «Guerrero muss raus». Da hätten, so der Richter, doch die Alarmglocken läuten müssen.

Dann habe sie am 31. Oktober 2006 in einer Mail geschrieben: «Ich meine, es wäre sinnvoll, die mexikanische Armee als Endverwender anzugeben.» Das, so der Richter, könnte man so interpretieren, dass sie konkrete Vorschläge für die Endverbleibserklärungen macht. Auch in späteren E-Mails (zum Beispiel vom 8. Januar 2007 und am 24. Oktober 2007) könnte dieser Eindruck entstehen. Das aber könne auch als Beliebigkeit der mexikanischen Endverbleibserklärungen verstanden werden.

Dieser rechtliche Hinweis ist noch keine inhaltliche Festlegung des Gerichtes, sondern eben nur ein Hinweis darauf, welche anderen möglichen Strafvorschriften angewendet werden könnten. Damit nimmt er auch auf keinen Fall das Urteil vorweg. Interessant an diesem Hinweis ist, dass die anderen Angeklagten nicht erwähnt wurden. Das heißt nicht automatisch, dass sie aus dem Verfahren herausfallen, sondern nur, dass die möglichen neuen Anklagepunkte für sie nach momentanem Kenntnisstand nicht in Betracht kommen.

Der Hinweis ist aber insofern von entscheidender Bedeutung, weil im Zuge des bisherigen Prozesses klar geworden ist, dass die ursprünglichen Anklagepunkte vom Gericht eher kritisch gesehen werden. Die Anklage basiert vor allem darauf, dass Bundesstaaten in Mexiko beliefert wurden, für die es keine Genehmigung gab. Der Vorsitzende Richter hatte bereits mehrfach darauf hingewiesen – und es auch an diesem Prozesstag wiederholt – dass das Gericht Zweifel und Schwierigkeiten damit hat, wie der Ausschluss einzelner Bundesstaaten Inhalt einer Genehmigung sein kann.

Das gelte umso mehr, so der Richter, als im Laufe des Prozesses die Zeug*innen aus den Genehmigungsbehörden nicht klar formulieren konnten, was denn genau von den Behörden gewollt gewesen sei. Und wenn schon die beteiligten Personen nicht gewusst hätten, was sie eigentlich genau wollen, dann würde es für das Gericht auch schwer werden, anderen zu erklären, was sie eigentlich wollten. Im Klartext: Die unrühmliche Rolle der Genehmigungsbehörden setzte sich auch im Prozess weiter fort, in dem sie nicht in der Lage waren, klar und unmissverständlich zu formulieren, dass die Genehmigung eindeutig und ohne Zweifel auf verschiedene Bundesstaaten beschränkt sein sollte.

Wenn diese – vorläufige, aber doch recht klar geäußerte – Meinung des Gerichtes am Schluss des Verfahrens noch Bestand haben sollte, würde die ursprüngliche Anklage ziemlich in sich zusammenfallen und ein Freispruch aller Beteiligter wäre wahrscheinlich die logische Konsequenz. Durch den heutigen rechtlichen Hinweis wurde jedoch klargestellt, dass es auch andere Möglichkeiten zumindest für die Verurteilung von zwei der Angeklagten geben könnte.

Das Gericht verwies zudem darauf hin, dass der Tatbestand des Erschleichens einer Genehmigung nur unter dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) besteht, nicht aber nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz.

Nach diesem rechtlichen Hinweis gab es keine weiteren Diskussionen oder Fragen und der Sitzungstag war schnell zu Ende. Der nächste Prozesstag am 24. September fällt aus, am Mittwoch den 26. September werden noch zwei Zeugen von Heckler & Koch zu Bonuszahlungen und Umsatzzahlen befragt. Damit wäre dann die Beweisaufnahme des Gerichtes vorläufig beendet, aber es bleibt abzuwarten, welche Beweisanträge und gegebenenfalls Zeugenvorladungen noch von den Angeklagten kommen werden.