Waren die möglichen Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz «gewerbsmäßig»? Hat einer der Angeklagten davon persönlich profitiert? Und wie lässt sich die Höhe der Geldbuße gegen Heckler & Koch errechnen, falls es zu einer Verurteilung kommt?
Bericht vom 16. Prozesstag am 26. September 2018.
Es ging heute allerdings auch um die Opfer der deutschen Sturmgewehre in Mexiko – aber leider nur im Zuschauerraum. Ein Bruder eines der Opfer von Ayotzinapa war anlässlich des Jahrestages des Massakers für eine Informationsveranstaltung nach Stuttgart gekommen und nahm die Gelegenheit wahr, den Prozess zu beobachten. Kurz konnten auch Bilder seines Bruders, der heute auf den Tag genau vor vier Jahren angeschossen wurde und seitdem im Koma liegt, im Gericht gezeigt werden, aber die Polizei war schnell zur Stelle und entfernte die beiden Fotos. Mit den Opfern der vielen deutschen Waffenexporte, so hat es den Anschein, will sich das Gericht auf keinen Fall befassen.
Im Prozess wurden dann die letzten beiden vom Gericht geladenen Zeugen befragt. Zunächst sagte Robert B. aus der Personalverwaltung von Heckler & Koch über Bonuszahlungen an die Angeklagten aus. Dabei ging es wohl vor allem um die Frage, ob die möglichen Verstöße auch als «gewerbsmäßig» eingestuft werden können. Aus dem bisherigen Prozessverlauf gab es Hinweise darauf, dass es zumindest für die Angeklagten Peter B. und Ingo S. Bonuszahlungen gegeben hatte.
Der Zeuge sagte aus, dass der ehemalige Geschäftsführer Peter B. tatsächlich zwei Mal Sonderzahlungen bekommen hatte, 50.000 Euro im Jahr 2009 (für das Geschäftsjahr 2008) sowie 100.000 Euro im Jahr 2010. Es gab mit ihm jedoch keine Bonusvereinbarung, sondern es waren offenbar außervertragliche Zahlungen, die somit auch nicht an konkrete Umsatz- oder Gewinnziele gebunden waren.
Ingo S. hatte dagegen eine Bonusvereinbarung, in der Boni zum Teil auch vom erreichten Umsatz abhängig gemacht waren. Im April 2006 bekam er einen solchen umsatzabhängigen Bonus in Höhe von 9450,- Euro, errechnet aus einem erreichten Umsatz von 108 Mio. Euro im Jahr 2005. Für das Folgejahr konnte der Zeuge nur anhand eines E-Mails rekonstruieren, dass Ingo S. wohl nur einen geringen Bonus erhalten hatte, weil die Umsatzziele nicht erreicht worden seien.
Der zweite Zeuge, Xaver B. aus dem Controlling von Heckler & Koch, sollte Auskunft über die Umsätze und Gewinne geben, die mit dem Mexiko-Geschäft erzielt wurden. Dabei ging es offenbar in erster Linie um die Frage eines Unternehmensbußgeldes für den Fall, dass es zu einer Verurteilung kommen sollte.
Dem Gericht lagen umfangreiche Excel-Tabellen zu den einzelnen Mexiko-Geschäften vor, die Xaver B. bereits im April 2014 für die firmeninterne Nutzung erstellt hatte. Die Liste umfasst insgesamt 120 Vorgänge für den Zeitraum von 2005 bis 2011, sowohl für G36 als auch für MP5. Darin werden detailliert die vielfältigen Kostenpositionen bei der Produktion der Waffen erläutert und gegen die erzielten Umsätze gerechnet. Leider hat der Vorsitzende Richter es – bis auf wenige Ausnahmen – sorgsam vermieden, konkrete Zahlen aus diesen Listen zu zitieren, so dass hier leider kein umfassender Einblick in die Umsätze von HK gegeben werden kann – schade eigentlich.
Nur für das Jahr 2006 wurden Mexiko-Umsätze in Höhe von 1,5 Mio. Euro bei einem Verlust von 37.000 Euro genannt, in 2007 soll es mit dem Mexiko-Geschäft sogar Verluste in Höhe von 114.000 Euro – wobei es um diese Zahlen einen intensiven Austausch zwischen dem Richter und dem Zeugen gab, weil der Richter in einer eigenen Auswertung eher einen Gewinn für diese Jahre errechnet hatte.
Abschließend erklärte der Vorsitzende Richter, dass die Kammer im Moment keinen Zeugenbedarf mehr sehe und auf die Anträge und Anregungen der anderen Prozessbeteiligten warte. Wie erwartet kündigten die Verteidiger von Ingo S. und Marianne B. für den nächsten Prozesstag am 8. Oktober Erklärungen an, nachdem sie beim letzten Prozesstag in den rechtlichen Hinweisen des Richters zu einer möglichen Erschleichung von Genehmigungen ausdrücklich namentlich genannt worden waren.
Der Verteidiger von Ingo S. kündigte an, möglicherweise Zeugen aus den Genehmigungsbehörden zur Rolle der stornierten Verträge hören zu wollen. Der Anwalt von Marianne B. möchte vor allem einen Zeugen aus dem BMWi sowie aus der deutschen Botschaft in Mexiko hören, um zu ermitteln, inwieweit in den deutschen Behörden den Endverbleibserklärungen aus Mexiko überhaupt vertraut wurde oder ob sie intern nicht auch eher skeptisch gesehen wurden. Dahinter steht das Argument, dass der Vorwurf der Erschleichung einer Genehmigung wohl anders zu bewerten wäre, wenn die Genehmigungsbehörden den Endverbleibserklärungen eh nicht vertraut haben.
Die anderen Prozessbeteiligten hielten sich bedeckt, nur die Staatsanwaltschaft kündigte eine Erklärung zur Ermittlung der Unternehmensgeldbuße an.