Nachricht | Westafrika - Afrika Frauen, Jugend und Migration – Sabine Zimmermann im Senegal

MdB Sabine Zimmermann zu Besuch im Senegal: Einblicke in die Lebenslagen von Frauen und Jugendlichen

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Vom Meer zerstörte Häuserzeile in Bargny (Foto: RLS)

Sabine Zimmermann, MdB und Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages, besuchte vom 1. bis 5. Oktober den Senegal. Im Mittelpunkt der Begegnungen der Bundestagsabgeordneten der Partei DIE LINKE standen die Lebenslagen von Frauen und Jugendlichen in dem westafrikanischen Land, der Umweltschutz, die Auswirkungen des Klimawandels und die Migration von Senegales*innen nach Europa. Das Büro der Rosa Luxemburg Stiftung in Dakar organisierte den Besuch von Frau Zimmermann und stellte die von der RLS unterstützten Initiativen und Organisationen vor.
Das viertägige Besuchsprogramm begann mit einem intensiven Meinungsaustausch mit dem Oppositionspolitiker und Präsidentschaftskandidat Ousmane Sonko in der Residenz des deutschen Botschafters in Dakar. Neben der Lage der Frauen im Land, die trotz rechtlicher Fortschritte weiter in vielen Bereichen benachteiligt werden, tauschten sich beide Politiker*innen auch zu Fragen der Sicherheitspolitik im Sahel aus. Vor allem diskutierten sie die Situation in Mali, da sich die Sicherheitslage dort weiter verschlechtert. Sonko bedauerte, dass der Senegal nicht an der G5 Sahelinitiative teilnimmt. Schließlich sprach Frau Zimmermann auch die Migration und die Diskussion in Europa an. Für Sonko ist die Abwanderung Ausdruck des Politikversagens im Land. «Vielen Menschen bleibt nichts anderes übrig, als den Senegal zu verlassen. Selbst für junge Menschen mit Ausbildung gibt es kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt», so Sonko.
Am folgenden Nachmittag nahm sich Frau Zimmermann viel Zeit, um auf dem Campus der Universität von Dakar mit jungen Studentinnen zu diskutieren. In dem Gespräch sprachen die 15 jungen Frauen aus Dakar und ländlichen Regionen des Landes über ihre Zukunftspläne, aber auch über die Alltagsprobleme und -sorgen. Die jungen Frauen aus ländlichen Regionen müssen in ihren Familien oft hart dafür kämpfen, in Dakar studieren zu dürfen, da die Familien sich um die Sicherheit der jungen Frauen sorgen. Nicht selten sind sie mit dem Vorwurf ihrer Verwandten konfrontiert, in der Hauptstadt ausschweifend leben zu wollen. Große Probleme bereitet den jungen Studentinnen auch die Wohnungssituation, denn die Mieten sind in Dakar hoch und Wohnheime auf dem Campus überfüllt.
Am 3. Oktober besuchte Frau Zimmermann die Vorortgemeinde Bargny an der senegalesischen Atlantikküste. Diese Gemeinde mit über 50.000 Einwohner*innen wird vom ansteigenden Meeresspiegel bedroht. Eine erste Häuserzeile ist bereits dem Meer zum Opfer gefallen. Die Anwohner*innen kämpfen darum um eine Umsiedlung. Nicht nur der Meeresspiegelanstieg aufgrund des globalen Klimawandels bedroht Bargnys Einwohner*innen, sondern auch die Luftverschmutzung. Neben einer Zementfabrik, die aufgrund des Baubooms in Dakar und Umgebung beständig wächst, wird die Luft durch ein neues Kohlekraftwerk belastet. Unweit des Kraftwerks trocknen Frauen Fisch. Die Tätigkeit, von der über 1.000 Frauen und ihre Familien leben, ist in Gefahr, da der Kohlestaub das Trocknen unmöglich macht. Angesichts dieser geballten Probleme haben sich in Bargny mehrere Organisationen zusammengeschlossen, um Druck auf die Politik auszuüben und Alternativen zu entwickeln.
Am Donnerstag (4.10.) traf sich Frau Zimmermann zu einem Informationsaustausch mit dem deutschen Botschafter Herr Röken. Neben innenpolitischen Fragen den Senegal betreffend, ging es um die Arbeit deutscher Institutionen und der Entwicklungszusammenarbeit im Senegal. Im anschließenden Gespräch mit dem Arbeitsminister Samba Sy trug Frau Zimmermann die Sorgen der Menschen in Bargny vor. Sy war sich der Ausnahmesituation von Bargny bewusst und betonte, dass der Staat sich um Ausgleich für die betroffenen Bürger*innen bemühe, diese aber nicht immer an einem Strang zögen. Angesprochen auf die deutsch-senegalesischen Beziehungen lobte Sy die guten Beziehungen zu Deutschland. Dass Deutschland darauf dränge, Senegales*innen abzuschieben, verstehe man, aber man müsse auch berücksichtigen, dass die Menschen sich schon immer aufgemacht haben, Neues zu entdecken. Diesen Drang könne man in Europa nicht einfach abzustellen versuchen, so Sy. Als Generalsekretär der PIT betonte Sy zudem die gute Zusammenarbeit mit der Partei DIE LINKE.
Am Nachmittag informierte sich Frau Zimmermann über das neue Programm der GIZ für Rückkehrer*innen und die Projekte der deutschen EZ im Bereich Arbeitsmarktförderung («Reussir au Senegal»). Die Verantwortlichen der GIZ erläuterten Umfang und Aufgabe der Projekte und zeigten sich hoffnungsvoll, dass sie mittels ihrer Maßnahmen Arbeitsplätze und Perspektiven im Senegal schaffen helfen. Ob mit diesen Bemühungen der Migrationsdruck reduziert werden wird, bleibt abzuwarten.
Am letzten Besuchstag ging es in den Küstenvorort Hann-Bel Air (Yaraax). Diese stark verschmutzte Bucht unweit der Stadt Dakar ist die Heimat vieler Fischerfamilien, von denen sich unzählige in den vergangenen Jahrzehnten auf die Reise nach Europa gemacht haben. Nach einem Rundgang durch das Viertel traf Frau Zimmermann im neuen Migrationszentrum der Organisation MIGDÉV (Migration und Entwicklung) mit Vertreter*innen verschiedener Migrationsorganisationen zusammen. Die Anwesenden berichteten von ihrer Lebenssituation. Unter ihnen waren Rückkehrer*innen genauso wie Migrationswillige. Alle kritisierten, dass von den vielen Millionen Euro, die die Europäische Union und Länder wie Deutschland zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zur Verfügung stellen, nichts bei den kleinen Organisationen in Hann und anderswo ankommt.
Schließlich kam Frau Zimmermann zu einem Austausch mit dem Jungpolitiker Fary Ndao im Stadtzentrum Dakars zusammen. Im Gespräch mit Ndao ging es um die Lage der Jugend im Land und vor allem deren Einfluss auf die Politik. Ndao beklagte den geringen Einfluss junger Leute auf die Politik im Land. Daher plane er und andere Nachwuchspolitiker sich in einer eigenen Partei für die Jugend zu engagieren, um mit neuen Ideen Druck auf das Politikestablishment zu machen. Zur Migration hat Ndao eine klare Haltung: «Wir stehen im globalen Austausch. Wir Senegalesen kaufen Waren aus dem Ausland, Autos aus Europa. Warum also sollten unsere Menschen daran gehindert werden, dorthin zu gehen, wo sie für sich und ihre Familien bessere Arbeits- und Lebensbedingungen erhoffen?!»