Nachricht | Afrika Afrikas Bevölkerungswachstum und die «Angst vorm Schwarzen Mann»

Eine Richtigstellung gegen den rechten Diskurs: Kein Massenexodus aus Afrika zu erwarten

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45 Prozent der Deutschen hatten im vergangenen Jahr nach einer Umfrage Angst vor der Zuwanderung, mehr als vor Arbeitslosigkeit (33 Prozent) und weniger als vor Klimawandel (76 Prozent), neuen Kriegen (73 Prozent), Terroranschlägen (70 Prozent), Kriminalität (65 Prozent) und Altersarmut (64 Prozent). Angst vor Zuwanderung haben vor allem die AnhängerInnen der Partei Alternative für Deutschland (AfD), von ihnen geben das 90 Prozent an. Der Umfrage zufolge, fürchten sie sich auch mehr vor Kriminalität im Land (84 Prozent). Nur wenige AnhängerInnen der Linken, 18 Prozent, teilen die Angst vor Zuwanderung. Bei den AnhängerInnen der Grünen sind es 22 Prozent, bei den SPD-AnhängerInnen 37. Während Linke vor allem die Sorge vor Altersarmut umtreibt (71 Prozent), sorgen sich Grüne (99 Prozent), SPDlerInnen (79 Prozent), AnhängerInnen der Union (73 Prozent) und der FDP (71 Prozent) besonders um den Klimawandel.

Das Geschäft mit der Angst vor Massenzuwanderung, Überfremdung und «Umvolkung» läuft für die AfD gut. In Bayern hat sie bei den Landtagswahlen die SPD hinter sich gelassen. In manchen ostdeutschen Bundesländern ist die rechtsextreme Partei sogar dabei, stärkste politische Kraft zu werden. Die falsche Alternative für Deutschland wird laut Wahlprogramm ihr Geschäftsmodell, die Angst vor Zuwanderung, weiter pflegen. Die «Angst vorm Schwarzen Mann» treibt aber auch andere um. Gerd Müller, deutscher Entwicklungsminister, glaubt zu wissen, dass wegen des Klimawandels 100 Millionen AfrikanerInnen nach Europa flüchten werden. Für die Wochenzeitung Die ZEIT liegt die Fluchtursache dagegen im Bevölkerunsgwachstum. Das westafrikanische Nigeria stehe, deshalb kurz vorm Chaos. Und das Magazin Focus behauptet, gestützt auf Umfragen, dass bis zu Zweidrittel der AfrikanerInnen südlich der Sahara nach Europa oder in die USA emigrieren wollen.

Die AfD freut sich über die Schützenhilfe. Weitere politische Geländegewinne scheinen den Rechtsextremen sicher. Jakob Augstein kann nach der Bayernwahl kaum glauben, dass das Gequatsche über MigrantInnen, MigrantInnen, MigrantInnen in Deutschland einfach nicht aufhört.

Wirtschaftliche Herausforderungen und wachsende Bevölkerung

Viele Länder Afrikas gerieten in den 1980er Jahren in die Krise. Gefangen in hohen Schulden, mussten sie Sparprogramme des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank über sich ergehen lassen. Seit dem Jahr 2000 geht es in vielen Ländern Afrikas wirtschaftlich wieder bergauf. Neben den asiatischen Ländern zählen u.a. Äthiopien, Ghana, die Elfenbeinküste, Senegal und Tansania zu den globalen Wachstumschampions. Das hat mit den besseren Bedingungen für den Verkauf ihrer Produkte auf dem Weltmarkt und hohen Investitionen vor allem Chinas in die Infrastruktur des Kontinents zu tun. Doch auch in den erfolgreichen Ländern geht es nur langsam voran. Denn die wirtschaftlichen Probleme stellen eine große Herausforderung dar, verbunden mit Schwierigkeiten, lokale Unternehmen aufzubauen. Zusätzlich erschwert wird die Lage durch Kriege und Konflikte in vielen Ländern.

Aber auch die stockende demographische Transition hat mit den langsamen sozialen Fortschritten zu tun. Immer noch kommen in vielen afrikanischen Ländern auf eine Frau mehr Kinder als irgendwo  anders auf der Erde. Aber auch in Afrika sinkt die Geburtenrate: 1980 lag sie im Schnitt noch bei 6,6 Kindern pro Frau, nun liegt sie bei 4,7. Die Bevölkerung wächst dennoch weiter. So wird Nigerias EinwohnerInnenzahl von heute 190 Millionen auf 411 Millionen im Jahr 2050 ansteigen. Insgesamt wird die Zahl der Menschen in Afrika südlich der Sahara von gegenwärtig etwas mehr als 1 Milliarde dann bei 2,4 Milliarden liegen. Afrika bleibt auch dann noch ein relativ dünn besiedelter Kontinent, denn gegenwärtig leben in Afrika 30 EinwohnerInnen auf dem Quadratkilometer, in Deutschland sind es 226.

Im Vergleich ist Afrikas Emigration moderat

In den 60 Jahren seit der Unabhängigkeit hat sich die Bevölkerung in Afrika südlich der Sahara verfünffacht. Die Zahl der AuswandererInnen nach Europa und Deutschland blieb in diesem Zeitraum moderat, trotz Kriege, Konflikte, Armut, Hungerkrisen, Umweltkatastrophen und Epidemien. Zur Zeit kommen vor allem NigerianerInnen und EritreerInnen nach Deutschland. In beiden Ländern gibt es politische Konflikte.

Insgesamt lebten im Jahr 2017 364 319 AfrikanerInnen aus Ländern südlich der Sahara in Deutschland. Das waren 0,44 Prozent der Gesamtbevölkerung und 26 519 mehr nach Zuzug, Abwanderung und Saldo aus Geburten und Todesfälle als 2016. Sollte das Wachstum der AfrikanerInnen in Deutschland bis 2050 im gleichen Tempo anhalten, wie zwischen 2016 und 2017, würde sich die Zahl der AfrikanerInnen um 848 608 auf dann insgesamt 1,21 Millionen erhöhen. Dies entspräche einem Anteil von 1,6 Prozent an der prognostizierten Gesamtbevölkerung in Deutschland, die im Jahr 2050 etwa 76,1 Millionen betragen soll.

Nimmt man einen längeren Zeitraum als Basis der Berechnung, kommt man zu deutlich niedrigeren Zahlen. 2010 lebten 261 000 AfrikanerInnen in Deutschland. Zwischen 2010 und 2017 wuchs die Zahl der AfrikanerInnen damit um jährlich 14 800. Davon ausgehend, kommt man auf eine afrikanische Bevölkerung in Deutschland von 840 000 im Jahr 2050. Das wären dann 1,1 Prozent an der Gesamtbevölkerung.
Was würde passieren, wenn sich die Zahl der AfrikanerInnen, die sich nach Deutschland aufmacht verdoppelt, wenn also pro Jahr die Zahl der AfrikanerInnen um 52 000 anwachsen würde? Dann würden 2050 etwa 2 Millionen AfrikanerInnen in Deutschland leben, was einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 2,6 Prozent entspräche.

Einen Massenexodus gibt es nicht

Es ist richtig, dass die wirtschaftliche und soziale Misere, Korruption, Kriege und Konflikte sowie die Umweltzerstörung AfrikanerInnen auf die Boote in Richtung Europa treiben. Doch einen Massenexodus der AfrikanerInnen gibt es nicht. Und die Mehrheit kommt nicht irregulär auf Booten, sondern mit Visa als willkommen geheißene StudentInnen, Geschäftsleute oder zum Familienbesuch. 

2017 lebten 29,3 Millionen AfrikanerInnen südlich der Sahara im Ausland. Das sind nur 2,8 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dieser Anteil ist weitaus geringer als etwa der im Ausland lebende Anteil an OsteuropäerInnen (11,2 Prozent), an MexikanerInnen und ZentralamerikanerInnen (11,2 Prozent), der NordafrikanerInnen (4,8 Prozent) und auch der WesteuropäerInnen. 24,1 Millionen WesteuropäerInnen leben in einem anderen Land. Das sind immerhin 5,7 Prozent.

Die große Mehrheit der AfrikanerInnen, 70 Prozent, wohnt in einem anderen afrikanischen Land südlich der Sahara. Zwischen Migrationsabsicht und Migrationsentscheidung klafft in Afrika eine große Lücke. Dies hat vielfache Gründe: von der Armut, die einer Abwanderung im Wege steht, bis zum Gefühl, die eigene (Groß)Familie nicht einfach zurücklassen zu können.

AfrikanerInnen südlich der Sahara ziehen in ein anderes Land in der Region, weil dort die wirtschaftlichen Bedingungen besser sind. Dies gilt zum Beispiel für die Menschen aus Niger und Burkina Faso, die es traditionell in die südlich gelegene Elfenbeinküste zieht, weil es dort Arbeit und Einkommen gibt. Und auch die 2 Millionen SimbabwerInnen, die in Südafrika leben, sind wegen der Krise im eigenen Land ins Nachbarland gezogen.
Nur relativ wenige AfrikanerInnen machen sich auf nach Europa, in den letzten Jahrzehnten mehr als früher, vor allem weil in Europa durch die Alterung der Gesellschaft die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt. Die Abwanderung nach Europa hat mit der Wirtschaftsentwicklung zu tun. Wenn wie in den 1990er Jahren in Spanien große Infrastrukturprojekte BauarbeiterInnen anziehen, und wenn wie jetzt der deutsche Arbeitsmarkt leer gefegt ist, dann kommen nicht nur Süd- und OsteuropäerInnen, sondern auch die darüber ebenfalls informierte AfrikanerInnen. Es ist also anzunehmen, dass mit der nächsten Wirtschaftskrise auch die Zahl der afrikanischen ZuwandererInnen nach Deutschland wieder abnimmt.