Nachricht | Erinnerungspolitik / Antifaschismus - Krieg / Frieden - Palästina / Jordanien - Studienwerk Das «Dunkel des gelebten Augenblicks»

Nachbetrachtungen einer Bildungsreise nach Israel und Palästina

Information

Autor

Marcus Hawel,

Das nächtliche Ramallah Foto: Marcus Hawel

Im November 2017 hat das Studienwerk der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Bildungsreise mit Stipendiat_innen nach Israel und Palästina unternommen. Hierbei erfreute es sich tatkräftiger Unterstützung seitens der beiden Büros, welche die Stiftung in Tel Aviv und Ramallah unterhält.

Wir haben 22 Stipendiat_innen aus einem Kreis von ca. 80 Bewerber_innen ausgesucht, die sich mit einem Motivationsschreiben für die Reise beworben haben. Wir stellten eine Gruppe zusammen, die verschiedenen, von uns gewünschten Kriterien entsprach und heterogen zusammengesetzt war, um bestimmte Synergien zu erzielen. Dabei achteten wir darauf, dass unterschiedlich ausgeprägte Landeskunde (insbesondere Kenntnisse zum israelisch-palästinensischen Konflikt), Regionalerfahrung, Migrationshintergründe (insbesondere aus dem Nahen Osten), sogenannte Biodeutsche, muslimische, jüdische oder christliche Religionszugehörigkeit wie auch Sprachkenntnisse des Hebräischen und Arabischen vertreten waren.

In der Gruppe waren mehr oder weniger sämtliche moderaten Standpunkte innerhalb des demokratischen Meinungsspektrums zu Israel und Palästina vorhanden – zum Teil waren sie abhängig von migrantischer oder religiöser Perspektive, durch langjährige Regionalerfahrung oder auch durch praktisches oder theoretisches Wissen aus dem Studium unterfüttert oder aber mit weniger Vorwissen und Erfahrung abgestützt. So besehen waren konträre Dispute in der Gruppe aufgrund ihrer Zusammensetzung vorherzusehen und von uns als produktiver Anstoß für Auseinandersetzungen auch gewollt.

Wir erhofften uns, dass in einer heterogenen Gruppe gezielt Selbstlernprozesse und Austausch untereinander befördern werden. Auch wenn etwaiges Wissensgefälle sich immer wieder als problematisch erweist, etwa wenn es mit typisch männlichem Redeverhalten koinzidiert oder bei affektgeladenen Disputen zu ungleichem Durchsetzungsvermögen führt oder auch einen Gestus des Bescheidwissens als Bluff oder zelebrierte Halbbildung begünstigt, gingen die Teilnehmer_innen in der Gruppe diskursfähig und solidarisch miteinander um.

Die Erfahrungen mit linken, fundamentalistischen Positionen unseres eigenen Umfeldes haben wir bei anderen, früheren Veranstaltungen gemacht, insbesondere bei sogenannten Antideutschen und traditionellen Antiimperialist_innen, die im heftigen Streit miteinander liegen und im hypertrophen Überschwang von Befindlichkeiten, die die Reflexion kanalisieren, hemmen und sogar blockieren können, sich wechselseitig in den vergangenen Jahren auch Antisemitismus oder Rassismus vorwarfen. Solche Extrempositionen haben wir durch die Auswahl der Teilnehmenden zu vermeiden versucht.

Wenn der dogmatische Streit zwischen den beiden Strömungen nicht in letzter Zeit abgeebbt wäre, wären wir aber auch nicht dazu bereit gewesen, eine Bildungsreise nach Israel und Palästina zu unternehmen. Die Zeit dazu war nun gekommen.

(... weiter im PDF)