Nachricht | Europa - Staat / Demokratie - Parteien / Wahlanalysen Präsidentschaftswahlen in Polen

Die Linksliberalen haben Komorowski nicht geholfen

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Am 24. Mai 2015 fand in Polen die Stichwahl für das Amt des Staatspräsidenten statt. In der ersten Runde hatten sich am 10. Mai 2015 Amtsinhaber Bronisław Komorowski und Andrzej Duda durchgesetzt. Duda startete für die nationalkonservative PiS (Recht und Gerechtigkeit) und war bisher Abgeordneter im Europäischen Parlament. Komorowski gehörte ursprünglich dem konservativen Flügel der liberal-konservativen PO (Bürgerplattform) an.

Eine wichtige Rolle spielte bei der Stichwahl neben der politischen Herkunft der beiden Widersacher auch das Lebensalter. Der 62-jährige Komorowski setzte in seiner Kampagne auf Erfahrung, Sicherheit und Eintracht, was seinem Temperament und auch weitgehend seiner politischen Weltsicht entspricht. Er versprach vor allem fortgesetzte Stabilität, spielte also bewusst auf die zurückliegenden fünf Jahre seiner Präsidentschaft an. Demgegenüber setzte der 42-jährige Herausforderer vor allem auf die seiner Meinung nach nötigen Veränderungen, baute seine Kampagne konsequent auf ein dynamisch wirkendes Bild auf, das vor allem jüngere Wählerschichten anziehen sollte.

Zum Wahlausgang

Wahlsieger Andrzej Duda erhielt 51,55 Prozent (8,63 Millionen) und Komorowski 48,45 Prozent (8,11 Millionen) der abgegeben Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 55,34 Prozent, was fast genau dem Wert von 2010 entspricht.

Duda gelang es, die damaligen Wähler von Jarosław Kaczyński, der damals für PiS startete, fast vollständig für sich zu mobilisieren. Komorowski hingegen musste hier Verluste hinnehmen, ihm gelang es nur, 80 Prozent seiner damaligen Wählerschaft für sich zu gewinnen. Damit war der Vorteil, den Komorowski 2010 noch hatte, zumindest ausgeglichen.

Ein entscheidendes Wählerspektrum waren also diejenigen, die 2010 noch nicht zur Wahl gingen bzw. überhaupt die unter 30-jährigen. Hier setzte sich Duda mit seiner dynamisch wirkenden Kampagne gegen Komorowski, der insgesamt altbacken wirkte, deutlich durch. Das ist jener entscheidende Wählervorteil, der zum Sieg reichte. Der nationalkonservative Herausforderer gewann das Rennen um die jüngeren Wähler, was die Entscheidung brachte.

Auffallend ist ein territoriales Gefälle, denn Komorowskis Hochburgen lagen mit etwa 60 Prozent im Nordwesten des Landes, wohingegen Duda im Südosten bis über 70 Prozent kam. Während Komorowski in den meisten Großstädten und insbesondere in den großen Städten Warschau, Poznań, Wrocław und Kraków vorne blieb, gelang es Duda, fast zwei Drittel der Landbevölkerung für sich zu gewinnen. Das ist insofern interessant, weil die Bauernpartei PSL Regierungspartner der PO ist, aber selbst deren Anhänger und Wähler diesmal in großer Mehrheit dem PiS-Kandidaten die Stimme gaben.

Während bei den Frauen ein ausgeglichenes Wahlergebnis festzuhalten ist, wählten die Männer überwiegend Duda.

In der Tendenz stimmten die höher Qualifizierten eher für Komorowski, die weniger qualifizierten aber sehr deutlich für Duda. Allerdings hat Duda auch sehr großen Rückhalt unter den Studierenden erhalten.

Obwohl Komorowski weithin als katholischer Konservativer gilt, stellte sich die katholische Kirche recht eindeutig hinter Duda. Komorowski verwies öfter auf die geltende Verfassung, die eine weitgehende Trennung von Staat und Kirche vorschreibt. Duda hingegen versprach, sich für eine neue Verfassung einzusetzen. Am Wahltag wurde demzufolge von vielen Kanzeln des Landes zur Wahl desjenigen aufgerufen, der im Einklang mit dem Evangelium stünde.

Obwohl Polen ohnehin in vielen Bereichen von Familienplanung und in Bereichen, die unmittelbar Frauenrechte betreffen, rigide Regelungen vorzuweisen hat, wie sie in kaum einem anderen EU-Land angewendet werden, droht nach der Wahl Dudas möglicherweise auch hier eine weitere Verschärfung. Jedenfalls wird vom Präsidentenamt ab August 2015, wenn Duda das Amt offiziell antreten wird, kein Druck auf eine weitere und eigentlich dringend erforderliche Liberalisierung erfolgen.

Eine weitere Einschätzung von Holger Politt zur Situation vor den Präsidentschaftswahlen findet sich in der Ausgabe des Neuen Deutschland vom 22.5.2015.


Polens geteilter Himmel
Die Parteien »Bürgerplattform« und »Recht und Gerechtigkeit« trennen politische und auch territoriale Grenzen
Holger Politt, neues deutschland, 30.5.2015