Nachricht | COP 24 - Klimagerechtigkeit COP24: Keine Antwort auf die Krise

Warum die Beschlüsse von Katowice nicht ausreichen

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Die Klimakrise droht uns über den Kopf zu wachsen. Katowice aber hat nur ein in Teilen substanzloses und ungerechtes Regelbuch beschlossen. Die Beschlüsse reichen bei Weitem nicht aus, um die Katastrophe zu verhindern.

Die globalen Eliten nehmen die Klimakrise nicht ernst genug. Das ist das ernüchternde Ergebnis des UN-Klimagipfels. Der Weltklimarat warnt in seinem 1,5-Grad-Bericht, dass jedes Zehntelgrad mehr noch katastrophalere Auswirkungen auf Natur und Menschen haben wird und uns nur zwölf magere Jahre bleiben, das Ruder herumzureißen. Das Global Carbon Project schockierte Anfang Dezember mit der Nachricht, dass der Treibhausgasausstoß 2018 zum zweiten Jahr in Folge gestiegen ist anstatt zu sinken  – ein deutlicher Beleg gegen die Illusion, dass wir den fossilen Energieverbrauch mit weiterem kapitalistischen Wirtschaftswachstum stoppen könnten. Und selbst UN-Generalsekretär Guterres nennt in diesem Jahr der Dürren, Sintfluten, Taifune und Waldbrände weiteres Nicht-Handeln der Weltgemeinschaft „selbstmörderisch“. Kurz: Die Klimakrise droht uns massiv über den Kopf zu wachsen.

Worum ging es auf dem UN-Klimagipfel in Katowice?
Unser Text zum Gipfel-Auftakt

Dossier zu COP 24

 
In einer anderen Welt wäre Katowice das kommunikative und politische Möglichkeitsfenster gewesen, nicht nur ein effektives Regelbuch zum Pariser Klimaabkommen zu beschließen, sondern die planetare Krise als eben solche zu behandeln. Stattdessen ist Katowice ein Gradmesser dafür geworden, wie verbissen die globalen Eliten ihre profitablen fossilen Geschäftsmodelle und Regierungen ihre korrespondierenden nationalen Interessen verteidigen. Dafür nehmen sie die Zuspitzung der Klimakatastrophe in Kauf. Der UN-Gipfel hat zwar das Regelbuch für den Umgang mit der Krise beschlossen: mit gemeinsamen Regeln zur Berichterstattung über Klimaziele, Anstrengungen und Finanzen. Das ist notwendig, aber dramatisch weit entfernt von dem, was nötig ist. Eine stärkere Anstrengung der Industriestaaten zur Emissionsminderung ist nicht zu sehen, obwohl es darum so dringend geht. Auch darüber hinaus sind die Beschlüsse von Katowice in vielerlei Hinsicht substanzlos und ungerecht.

Eine Erklärung der sogenannten ‹High Ambition Coalition›, mehr tun zu wollen, bleibt nur ein Papiertiger, wenn auf die Unterzeichnung nicht auch tatsächlich etwas folgt. Wo bleibt der deutsche Kohleausstieg?

 Till Bender, Zentrum für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit, RLS

Skandalös war zum einen das Gezerre um die Anerkennung des 1,5-Grad-Berichts des Weltklimarats, der – obwohl von der Staatengemeinschaft selbst in Auftrag gegeben –gegen die Attacke von Saudi-Arabien, Kuweit, Russland und den USA nur auf Biegen und Brechen und mit maximal unverbindlicher Sprache in den Beschluss von Katowice aufgenommen werden konnte. Statt den Bericht und seine Ergebnisse (bzw. Appelle) mit eindeutigen Worten zu „begrüßen“ - ein diplomatischer Ausdruck, ihn als wissenschaftliche Grundlage zu akzeptieren – wird dem Weltklimarat  Wertschätzung und Dank dafür ausgesprochen, dass er den Bericht erstellt hat. Man „begrüßt“ lediglich nun, dass der Bericht rechtzeitig fertig wurde. Ein direkter affirmativer Bezug auf die Aussagen des Berichts wird allerdings vermieden. Dass die Kenntnisnahme der klimakatastrophalen Realität überhaupt zum Verhandlungsgegenstand werden kann, ist absurd.

Menschenrechte als Verhandlungsmasse

Zur Verhandlungsmasse wurden auch die in der Präambel des Pariser Abkommens festgelegten Menschenrechtsprinzipien. Neben Menschenrechten sind dies Ernährungssicherheit, Rechte indigener Gruppen, Gleichberechtigung der Geschlechter, öffentliche Teilhabe, Generationengerechtigkeit, Unversehrtheit der Umwelt und gerechte Übergänge. Obwohl das Pariser Abkommen ankündigt, diese Rechte zu berücksichtigen, gibt es im Regelbuch kaum explizite, oft nur verschleierte Bezüge hierzu. Das Gezerre ist damit vorprogrammiert, ob und wenn ja wie Menschen sich auf das Pariser Abkommen beziehen können, um Menschenrechtsverstöße anzuklagen, die bei Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimaanpassung auftreten – z.B. wenn sie traditionelle Nutzungsrechte am Wald verlieren, weil dieser als Kohlenstoffsenke zur Handelsware wird.

Es geht um Menschenrechte! Wie Menschenrechte zum Faustpfand der Klimaverhandlungen werden
Unser Zwischenbericht zum Klimagipfel

Damit besteht nicht nur die Gefahr, dass die Profiteure solcher Projekte Zeit schinden, bis sie sich eventuell für Menschenrechtsverstöße verantworten müssen. Der Streit um den Status der Menschenrechtsprinzipien im Regelbuch verdeutlicht auch die ungleich verteilten Machtverhältnisse zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden. Während andere Prinzipien zum Faustpfand der Verhandlung wurden, nahm das Plenum der Verhandlungsparteien die „Solidarity and Just Transition Silesia Declaration“ ohne jeden Widerstand zur Kenntnis – und erlaubt damit, einseitig eine Lanze für ‚gerechte Übergänge‘ zu brechen, die Gefahr laufen, zum Feigenblatt für lasche Klimapolitik zu werden. Damit droht zudem ein ursprünglich linkes Konzept missbraucht zu werden, um Jobs mit guter sozialer Absicherung im globalen Norden zu erhalten – auf Kosten der Lebensgrundlagen von Millionen Menschen im Süden, die nicht nur ihren Job, sondern ihre komplette Lebensgrundlage zu verlieren drohen.

Allenfalls der Beschluss zum Aufbau einer Arbeitsgruppe, die einen Zwei-Jahres-Plan für die "Local Communities and Indigenous Peoples Platform" erarbeiten soll, kann in dieser Hinsicht als Fortschritt bzgl. der Rechte indigener Gruppen im Prozess gesehen werden. Die eigentliche Umsetzung wird zeigen, ob es sich dabei um mehr als leere Versprechungen handelt.

Noch immer sind die Machtverhältnisse zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden extrem ungleich verteilt.

Alanah Torralba, Progammanagerin Dialogprogramm Klimagerechtigkeit Manila, RLS

Kohlekumpel und Slumbewohnerin - Der Ruf nach "just transition"darf nicht zum Feigenblatt für lasche Klimaschutzpolitik werden
Meinungsbeitrag für freitag.de

Auch in Bezug auf die Finanzierung von Klimaschutz und Klimaanpassung, einem Kernanliegen der ärmsten Staaten ist es den potentiellen Geberstaaten gelungen, das Pariser Regelwerk unverbindlich und substanzlos zu halten. Je offensichtlicher es wird, wie viel Geld der globale Süden tatsächlich braucht, desto verbissener versuchen die Industriestaaten sich aus ihrer historischen Verantwortung zu stehlen. Sie stellen das Grundprinzip der UN-Klimaverhandlungen in Frage, dass die Entwicklungsländer ‚neue und zusätzliche‘ Mittel bekommen müssen, um der Katastrophe Herr zu werden (u.a. durch kreative Buchführung, die Entwicklungshilfegelder einfach doppelt verbucht). Sie sprechen verschleiernd von ‚Finanzierungsinstanzen‘, um sich als Schuldner aus der Schusslinie zu nehmen. Und sie zählen Kredite und Darlehen (die Finanzhilfen fließen hier mit Profit an die Geber zurück!) genauso wie öffentliche Mittel. Indem sie bei der Klimafinanzierung den privaten Sektor ins Boot holen, sichern sie ihren Finanzinstituten zudem die Möglichkeit, Geschäfte mit der Klimakatastrophe zu machen.

Ohne substanzielle finanzielle Zusagen wird das Pariser Abkommen zwar zum Laufen gebracht. Aber es wird nur vor sich hin stolpern.

Tetet Lauron, Beraterin Dialogprogramm Klimagerechtigkeit Manila, RLS

Zwar wurden den Entwicklungsländern ein paar Krumen als Finanzzusagen hingeworfen; Deutschland und ein paar andere Länder haben mehr Mittel für den Green Climate Fund und den Adaptation Fund zugesagt (letzterer – das ist eine der wenigen positiven Nachrichten – ist nun verlässlich unter dem Pariser Abkommen verankert). Das ist gut, aber die Zusagen sind nur ein schwacher Trost angesichts dessen, dass die zentralen Themen in Katowice nicht einmal auf der Tagesordnung standen: Erstens, dass die 100 Milliarden Dollar, die die Industriestaaten ab 2020 jährlich zur Verfügung stellen müssen, bei Weitem nicht ausreichen, um schützende Dämme zu bauen, zerstörte Häuser zu reparieren oder neue Existenzgrundlage für ein gutes Leben zu schaffen. Und zweitens, dass es jetzt sofort einen verlässlichen, transparenten Aufwuchspfad der benötigten Mittel geben muss. Aber erst 2020 will man anfangen darüber zu reden, inwiefern die Klimafinanzen ab 2025 aufgestockt werden. Das ist viel zu spät angesichts der Tatsache, dass für Millionen Menschen das grundlegende Recht auf ein Leben in Würde auf dem Spiel steht und die früh industrialisierten Staaten die Verantwortung für die Klimakrise tragen.

Die private Wirtschaft wird mehr und mehr zum Klima-Heilsbringer erklärt, anstatt sie für die Verwüstungen und Plünderungen zur Verantwortung zu ziehen.

Katja Voigt,  Leiterin Dialogprogramm Klimagerechtigkeit Manila, RLS

Eine der heftigsten Schläge ins Gesicht der besonders vom Klimawandel betroffenen Staaten ist jedoch die Tatsache, dass es keine Zugeständnisse bei der Kompensation von Klimaschäden und -verlusten gab. Erst nach langem Ringen gelang es, dass dieses Kernanliegen überhaupt an einigen wenigen Stellen im Abschlussdokument erwähnt wird. Das ist zwar ein minimaler Verhandlungserfolg, aber noch weit von dem entfernt, was es bräuchte: einen eigenständigen, gut gefüllten Fonds, aus dem Menschen schnell und problemlos für unvermeidbare Schäden und Verluste durch die Klimakrise entschädigt werden können.

Selbst Spiegel Online verweist angesichts der Frage ‚Was kann ich tun?‘ nicht länger auf private Konsumentscheidungen zur Rettung des Klimas. Stattdessen lautet die Antwort: 'Seien Sie politisch!'

Tadzio Müller, Referent für Klimagerechtigkeit und Energiedemokratie, RLS

Katowice zeigt in vielerlei Hinsicht, dass wir nicht auf das Handeln der Regierungen warten können. Immer mehr Menschen geraten darüber in Wut. Dahinter steht ein radikaler politischer Impetus, der nicht mehr glaubt, dass das Problem ‚von oben‘ gelöst werden wird. Genau das findet sich auch in vielen neueren Bewegungsintiativen: in der Welle von Schulstreiks, die die Schwedin Greta Thunberg losgetreten hat, in der Extinction-Rebellion-Bewegung, die vor einigen Wochen in Großbritannien ihren Anfang nahm und sich weiter ausbreitet, bei Ende Gelände und den Solidaritätskundgebungen für den Hambacher Forst, in den Widerständen gegen die Teersand-Pipeline Keystone XL, in den Klimacamps, in der Verbindung von Klimabewegung mit den französischen Gelbwesten. Die verbindende Überzeugung hinter diesen Initiativen: Auf die radikale Herausforderung des Klimawandels braucht es ebenso radikale Antworten. Es gilt, den fossilen Kapitalismus und dessen Auswüchse selbst zu delegitimieren – mit starken Bewegungen von unten.

Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass diejenigen, die den Planeten retten wollen, mundtot gemacht werden, während sich fossile Konzerne auf dem Konferenzparkett als Lösungen präsentieren dürfen.

Nadja Charaby, Referentin für Globale Aufgaben, RLS

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