Nachricht | Waffenexporte Heckler & Koch – Prozesstag 27: Niemand hat nichts gewusst

Die Plädoyers der Verteidigung machten vor allem deutlich, wie dringend es ist, dass Deutschland endlich auch ein Unternehmensstrafrecht bekommt.

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Jan van Aken,

Die ersten drei Verteidiger plädierten heute auf Freispruch. Die Angeklagten seien entweder nur Befehlsempfänger oder als Chefs gar nicht mit Details befasst gewesen. Ein Großteil der Verantwortung läge bei den Genehmigungsbehörden. Und der Verteidiger des Ex-Landgerichtspräsidenten versuchte sich in juristischen Finessen, die allerdings haarscharf am eigentlichen Vorwurf vorbeigingen.

Bericht vom 27. Prozesstag am 31. Januar 2019
  
 

Auf die große Streitfrage – ob die Endverbleibserklärungen Teil der Genehmigungen sind – gingen alle drei Verteidiger kaum ein, sondern bemerkten jeweils nur lapidar, dass das sicher nicht so sei. Da der Vorsitzende Richter sich bereits mehrfach in die gleiche Richtung geäußert hatte, konnte die Verteidigung schlicht feststellen, dass sich diese Frage «im Sinne der Verteidigung erledigt» habe.

Die Plädoyers machten vor allem eines deutlich: Wie dringend es ist, dass Deutschland endlich auch ein Unternehmensstrafrecht bekommt, um eine Firma als Ganzes für Verfehlungen belangen zu können. Denn die Verteidiger argumentierten mit der jeweils ganz besonderen Rolle ihrer Mandant*innen innerhalb der Firma, nach denen sie gar keine Verantwortung für etwaige illegale Ausfuhren haben könnten. Die eine sei nur Befehlsempfängerin gewesen, während die Angeklagten aus der Chefetage gar nicht mit Detailfragen befasst gewesen seien und deshalb nichts wissen konnten.

Im Vortrag des Verteidigers von Ingo S. wurde das Konzept der «Bande« hart angegriffen. Juristisch sei eine wichtige Vorbedingung für eine Bande, dass es sich um «fortgesetzte» Taten handele, eine einzige Tat reiche dafür nicht aus. Wenn es ein «eingespieltes Deliktsystem» gäbe, dann seien das nicht immer wieder neue Straftaten und damit auch keine Bande. Vor allem habe die Beweisaufnahme die Rollen der beiden mutmaßlichen Bandenmitglieder Axel H. und Markus B. gar nicht ausreichend untersucht. Damit könne man auch nicht sicher sagen, dass es eine Bande gewesen sei. Die Frage des «bandenmäßigen» Vergehens ist wichtig für das Strafmaß, da andernfalls kein besonders schwerer Fall vorliegen würde.

Plädoyer Marianne B.

Den Auftakt machte der Verteidiger von Marianne B., der sich recht kritisch zu Exporten von Kleinwaffen äußerte, die «überall auf der Welt schuldlose Opfer fordern». «Im Vordergrund», so der Anwalt, «standen nicht die Menschenrechte, sondern das Geschäft.» Es gäbe nur ein Mittel, Missbrauch von Waffenexporten zu verhindern: Exporte in solche Länder einfach zu verbieten. Es sei eine Tatsache, dass in Mexiko unschuldige Menschen durch den Einsatz von G36 zu Tode gekommen sind. Das sei schrecklich und wiege schwer.

Seine Mandantin habe ausschließlich auf Anweisung gearbeitet. «In ihrer Vorstellungswelt war alles in Ordnung, solange das Dokument aus Mexiko nur echt war.» Aus ihrer Sicht war der Austausch der Endverbleibserklärungen unproblematisch. Die Genehmigungsbehörden wollten ein anderes Papier und sie hätten es bekommen.

Der Verteidiger betonte, dass Frau B. einige der entscheidenden Mails eben nicht bekommen hatte, insbesondere nicht diejenige zur Stornierung des ersten Auftrages – ein wichtiger Baustein in der Anklage wegen Erschleichens einer Genehmigung. Bei den ganzen «Tricksereien», so der Anwalt, sei seine Mandantin in keiner Weise involviert gewesen und könne schon deshalb nicht Teil einer Bande gewesen sein.

Der Anwalt sieht einen großen Teil der Verantwortung bei den Genehmigungsbehörden. Es sei ein «Sündenfall» gewesen, diese Genehmigungen überhaupt zu erteilen, obwohl alle damit rechnen mussten, dass es überhaupt keine Kontrolle mehr gibt. Da müsse man auch den Behörden Fahrlässigkeit vorwerfen. Die Bundesregierung habe sich für eine Genehmigung entschieden, um Mexiko nicht vor den Kopf zu stoßen. Also musste ein Weg gefunden werden, um die Exporte zu ermöglichen und sich gleichzeitig davon distanzieren zu können.

Heckler & Koch habe zu Prozessbeginn verlauten lassen, es sei jetzt umgedacht worden und man habe sich geändert. Es wäre Zeit, so der Anwalt, dass die Firma jetzt anstandslos den geforderten Betrag in Höhe von 4,1 Millionen Euro zahlt.

Marianne B. wird sich am nächsten Prozesstag nach Abschluss aller Plädoyers noch einmal persönlich äußern.

Plädoyer Ingo S.

Sein Anwalt betonte zunächst, dass sein Mandant praktisch gar keine Rolle in den ganzen Akten spiele, die Anklage gegen ihn stütze sich auf gerade mal eine Handvoll E-Mails, dabei umfasste die Akte bereits 2015 insgesamt 14.271 Seiten. 

Er verstieg sich dann zu der These, dass die Genehmigungsbehörden offensichtlich ihre Bedenken gegenüber einiger Bundesstaaten aufgegeben hätten, denn in den Genehmigungen wäre ja als genehmigtes Land Mexiko angegeben, ohne Einschränkung auf bestimmte Provinzen.

Mindestens ein Dutzend Mal im Plädoyer betonte der Anwalt, dass Ingo S. nicht mit Detailfragen befasst gewesen sei. Mit der Abwicklung von Genehmigungsanträgen seien Mitarbeiter befasst gewesen. Er sei die meiste Zeit auf Reisen gewesen und habe gar keine Einflussmöglichkeiten vor Ort gehabt. Im Übrigen sei Heckler & Koch keine «kleine Klitsche», warum sollte sich ein Chef mit Detailfragen beschäftigen? «Der Vorgesetzte, der das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter gar nicht kennt, kann sie auch nicht stoppen.»

Der Vorwurf der Erschleichung gründet sich darauf, dass den Genehmigungsbehörden die Stornierung eines Vertrages nicht mitgeteilt worden war. Die Zeugenbefragungen, so der Anwalt, habe ergeben, dass die Behörden sich gar keine Gedanken um die Verträge gemacht hätten, deshalb könne auch keine Erschleichung vorliegen.

Die Beweisaufnahme hat nicht mit verlässlicher Sicherheit den Nachweis erbracht, dass S. das gewusst hat, was die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft. Und es gelte immer noch der Satz «im Zweifel für den Angeklagten.»

Plädoyer Peter B.

Der Verteidiger des Ex-Landgerichtspräsidenten Peter B. verlor sich in den Tiefen der spanischen Sprache. In den deutschen Übersetzungen der mexikanischen Endverbleibserklärungen stehe immer, so der Anwalt, die Formulierung «ist bestimmt für» (diese oder jene Bundesstaaten). Im spanischen Original hieße es dort aber «sera destinado», was seiner Meinung nach bedeuten würde «wird bestimmt sein für». Das sei ein in der Zukunft liegender Zeitpunkt. Damit habe zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärung der tatsächliche Endverwender noch gar nicht festgestanden und es habe demnach gar keine bindende Verpflichtung seitens der Mexikaner gegeben. Die Endverbleibserklärungen seien also objektiv gar nicht falsch gewesen. Aus meiner Sicht ist das eine sehr gewagte Argumentation, zumal der Anwalt gar nicht erst den Versuch machte, zu belegen, dass «sera destinado» nur genau diese eine Bedeutung haben kann. Ohne eine sprachliche Expertise – die er in der Beweisaufnahme weder beantragt noch vorgelegt hat – bleibt das seine persönliche Interpretation der spanischen Sprache, die juristisch völlig irrelevant sein dürfte.  

In seinem Bemühen um juristische Spitzfindigkeit verlor der Anwalt allerdings den eigentlichen Vorwurf gegen seinen Mandanten aus dem Auge. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine Indizienkette vorgelegt, nach der Peter B. spätestens ab dem 8. Dezember 2006 wusste, dass sich im bedenklichen Bundesstaat Guerrero Waffen befänden. An dem Tag war ihm eine entsprechende Mail weitergeleitet worden. Trotzdem, so die Staatsanwaltschaft, hat er danach noch weitere Endverbleibserklärungen an die Genehmigungsbehörden weitergeleitet und es als Ausfuhrbeauftragter unterlassen, die Exporte zu stoppen.

Sein Verteidiger betonte im Plädoyer immer wieder, dass Peter B. erst am 25. Juli 2007 Ausfuhrverantwortlicher wurde. Und dass es nach diesem Zeitpunkt keinen Austausch von Endverbleibserklärungen mehr gab. Das mag beides richtig sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass er zu dem Zeitpunkt schon wusste, dass sich Waffen an Orten befanden, wo sie nicht sein sollten. Und weder Peter B. noch sein Verteidiger haben der Annahme der Staatsanwaltschaft widersprochen, dass er die entscheidende Mail vom 8. Dezember 2006 gelesen habe.