Nachricht | Waffenexporte Heckler & Koch – Prozesstag 28: 200.000 € und ein Widerling

Letzte Statements vor dem Urteil, aber kein Wort des Bedauerns oder Gedenkens an die Opfer

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Jan van Aken,

Der Angeklagte Peter B., ehemaliger Landgerichtspräsident, suhlt sich in Selbstmitleid. Der Vertreter der Firma Heckler & Koch findet eine Zahlung in Höhe von maximal 200.000 angemessen. Und keine*r der Angeklagten hält es für nötig, auch nur ein Wort des Bedauerns oder Gedenkens für die Opfer in Mexiko zu verlieren.

Bericht vom 28. Prozesstag am 14. Februar 2019
  
 

Heute ging es erwartungsgemäß recht schnell. Die Plädoyers der Verteidiger von Joachim M. und Wolfram M. dauerten nur jeweils eine Viertelstunde – was nicht wundert, da auch die Staatsanwaltschaft ihren Freispruch beantragt hatte. Zum Abschluss nahm der Vertreter der Firma Heckler & Koch kurz Stellung und mehrere Angeklagte nutzten die Gelegenheit zu einem letzten Statement.

Plädoyer Joachim M.

Sein Verteidiger empörte sich über die «populistischen» «Verbalattacken» gegen die Firma Heckler & Koch. Die würde doch nur Waffen produzieren, auf deren Einsatzsicherheit sich jeden Tag Tausende Polizisten und Soldaten verlassen würden.

Joachim M. habe als Ausfuhrverantwortlicher eine Kontrollfunktion gehabt und sie auch wahrgenommen. Er habe die von der zuständigen Abteilung vorgelegten Unterlagen auf Inhalt und Schlüssigkeit geprüft. Er habe dem Unternehmen 17 Jahre lang «gewissenhaft und verantwortungsvoll» gedient. Es gäbe keinen Hinweis darauf, dass M. eine positive Kenntnis davon hatte, dass die Gewehre in andere Bundesstaaten in Mexiko gingen als auf den Endverbleibserklärungen angegeben.

Der Verteidiger verwies auch auf den Zeugen Robert H., den ehemaligen Waffenvorführer von Heckler & Koch, der das Verfahren mit seiner Aussage überhaupt erst in Gang gesetzt hat. Der habe bei der Zeugenvernehmung gesagt: «Dass der M. hier ist, überrascht mich.»

Plädoyer Wolfram M.

Sein Mandant sei bis zum Jahre 2009 überhaupt nicht mit Mexiko befasst gewesen. In nur einer einzigen Mail habe er bis dahin Informationen zu Mexiko erhalten, als ihm der Mexiko-Vertreter von Heckler & Koch, Markus B., 2008 Informationen über den Stand des Zentrallagers in Mexiko informierte und dabei auch Waffenlieferungen nach Chilpancingo erwähnte. Das kann für Wolfram M. überhaupt kein Anlass gewesen sein, die Genehmigungslage zu hinterfragen, denn in dieser Mail wird nicht der Staat Guerrero genannt, sondern nur dessen Hauptstadt Chilpancingo. Selbst die Staatsanwaltschaft habe bislang nicht die Auffassung vertreten, dass die Mitarbeiter nicht nur die Staaten, sondern auch die Hauptstädte kennen müssten.

Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass Wolfram M. mit den angeklagten Sachverhalten gar keine Berührung hatte, deshalb habe seine Person auch in der gesamten Verhandlung keine Rolle gespielt. Der Verteidiger schließt sich der Auffassung der Staatsanwaltschaft an, dass Wolfram M. freigesprochen werden müsse.

Prof. Alfred D., Rechtsbeistand von Heckler & Koch  

«Heckler & Koch bedauert die Geschehnisse außerordentlich» – und habe seit 2011 umfangreiche Konsequenzen daraus gezogen, alle Vorfälle mit Hilfe der Wirtschaftsberater von KPMG intern aufgearbeitet und immer umfassend mit den Ermittlungsbehörden kooperiert. Der Vorwurf des Verteidigers von Marianne B., sie sei ein «Bauernopfer» für Heckler & Koch, entbehre jeder Grundlage, denn bei ihr seien alle Fäden zusammengelaufen. Deshalb habe ihr auch gekündigt werden müssen.

Für den Fall, dass eine*r oder mehrere Angeklagte verurteilt werden, zählte er verschiedene Argumente auf, warum die Strafe (die offiziell nicht Strafe, sondern «Einziehung» heißt) für Heckler & Koch nur bei 200.000 Euro liegen dürfe:

  • Das Strafgesetzbuch sei eindeutig, dass eine Vermögensabschöpfung keine strafähnliche Wirkung entfalten dürfe.
  • Nur das, was wissentlich in Verbotenes investiert wurde, sei nach der Gesetzeslage «unwiederbringlich verloren».
  • Es dürfen seiner Meinung nach vom gesamten Verkaufserlös in Höhe von 4,1 Mio. Euro alle Aufwendungen abgezogen werden, die nicht für die Begehung der Tat eingesetzt wurden – d.h. alle Produktionskosten für die Waffen, wenn die Produktion nicht bewusst und willentlich für die Begehung der Tat eingesetzt wurden. Die Beweisaufnahme habe festgestellt, dass kein Organ des Unternehmens «bösgläubig» gewesen sei. Die Herstellung einer Waffe sei ein neutraler Vorgang, der nicht «bemakelt» sei (so reden die wirklich ...).
  • Die Verhältnismäßigkeit müsse gewährleistet sein, um eine strafähnliche Wirkung zu vermeiden. Die Einziehung des gesamten Bruttobetrages würde den tatsächlichen Gewinn um das 20fache übersteigen und hätte damit strafähnliche Wirkung. Die Einziehung solle dem Drittbegünstigen nur das nehmen, was er erlangt habe. Das wäre der Gewinn, der nach seiner Rechnung nur 200.000 Euro betragen habe.
Letzte Worte der Angeklagten

Am Schluss hatten die Angeklagten noch die Möglichkeit zu einem letzten Wort, von der vor allem Marianne B. und Peter B. ausgiebig Gebrauch machten:

Marianne B. wiederholte, dass sie nur eine einfache Mitarbeiterin gewesen sei und «weder die Kompetenz noch den Verstand» habe, so eine kriminelle Sache zu organisieren. Sie habe nie an Besprechungen teilgenommen und sei auch nie darüber informiert worden, was verhandelt und besprochen wurde. Sie stellte auch die Möglichkeit in den Raum, dass die Genehmigungsbehörden Heckler & Koch mit den Endverbleibserklärungen eine «Hintertür aufgehalten» haben könnten.

Ihre Ordentlichkeit bei der Ablage würde benutzt, um ihr etwas vorzuwerfen. Wo denn sonst, wenn nicht in der Ablage, sollten alle Fäden zusammenlaufen? Wenn sie aufgefordert wurde, Listen zu erstellen, dann musste sie das auch zu tun. Diese Arbeit sei arbeitsrechtlich von ihr verlangt worden.

Zum Abschluss warf sie der Staatsanwaltschaft vor, hier nur den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, und bat «das Hohe Gericht um ein gerechtes Urteil».

Peter B. hielt dann an einen wirklich widerlichen Vortrag, mal juristischer Oberlehrer, mal ganz, ganz armes Opfer. Von Anfang an habe die Staatsanwaltschaft sich einseitig auf ihn gestürzt, sie sei von «dreistem Populismus geprägt.» Die Anklageschrift sei «handwerklich miserabel und inhaltlich bösartig» und widerspreche «den einfachsten juristischen Grundkenntnissen». Bei der Hausdurchsuchung seien dann – oh weh! – Fotoalben seiner Reisen beschlagnahmt worden, ihm seien sogar – Skandal! – Fingerabdrücke abgenommen worden. Das Selbstmitleid gipfelt in den Worten, das Verfahren habe nahezu zu einer «Vernichtung meiner sozialen Existenz» geführt. Und kein Wort zu den Massakern in Mexiko, bei denen auch Heckler & Koch-Waffen eingesetzt wurden. Kein Gedenken an die Opfer und ihre Angehörigen in Mexiko. Aber sein Fotoalbum ... Deutsche Rüstungsindustrie at its best.

Ausblick

Für den nächsten Donnerstag, 21. Februar, um 9:30 ist die Urteilsverkündung angesetzt: Landgericht Stuttgart, Olgastraße 2.