Nachricht | Krieg / Frieden - Waffenexporte Heckler & Koch – 29. Prozesstag: Das Urteil

«Endverbleibserklärungen» als Herzstück für Genehmigungen von Waffenexporten sind offenbar völlig wirkungslos

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Autor

Jan van Aken,

Tag des Urteilspruchs gegen Heckler & Koch am 21. Februar 2019: Protestkundgebung vor dem Landgericht Stuttgart
Tag des Urteilspruchs gegen Heckler & Koch am 21. Februar 2019: Protestkundgebung vor dem Landgericht Stuttgart erinnert an die Opfer von Heckler & Koch-Waffen

17 Monate für die Sachbearbeiterin Marianne B. und 22 Monate für den ehem. Vertriebsleiter Ingo S. Von Heckler & Koch wird der gesamte Verkaufserlös in Höhe von 3,7 Mio. Euro eingezogen. Die drei anderen Angeklagten wurden freigesprochen.

Bericht vom 29. und letzten Prozesstag am 21. Februar 2019
 

Verurteilung wegen des Erschleichens von Genehmigungen

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Genehmigungen für den Export nach Mexiko erschlichen waren, weil den deutschen Behörden als unrichtig erkannte Endverbleibserklärungen vorgelegt wurden.

Bereits die erste Genehmigung vom 20. Dezember 2005 für den Export von 2020 Sturmgewehren vom Typ G36 sei erschlichen gewesen. Denn der zugrundeliegende Vertrag zwischen Mexiko und Heckler & Koch sei storniert worden. Damit hätten auch die dazugehörigen Endverbleibserklärungen ihre Rechtsgültigkeit verloren. Genehmigt wurde damit auf der Basis von nicht mehr gültigen Endverbleibserklärungen. Es wurden dann von Heckler & Koch neue Verträge geschlossen, zu denen neue Endverbleibserklärungen von Mexiko vorgelegt wurden. Diese waren aber nicht auf bestimmte Bundesstaaten beschränkt. Die Hauptakteure, Axel H. und Markus B., hätten erkannt, dass die deutschen Genehmigungsbehörden diesen unbestimmten Endverbleib niemals genehmigen würden. Sie hätten trotzdem entschieden, die vorliegende Genehmigung zu nutzen.

Danach hätten die Akteure erkannt, dass es möglich sei, Einfluss auf den Inhalt der Endverbleibserklärungen zu nehmen. Diese Einflussnahme habe sich im weiteren Verlauf immer weiter gesteigert bis zu dem Punkt, wo sie positive Vorschläge machten, welche Staaten in den Endverbleibserklärungen auftauchen sollten. Dieses sei der «finale Akt im Wunschkonzert» gewesen, die beiden Hauptakteure hätten sich «eine Blaupause genehmigungsfähiger Staaten» geschaffen.

Die Beteiligten bei Heckler & Koch hätten gewusst, dass die Endverbleibserklärungen willkürlich seien, aber Wirtschaftsministerium und Auswärtiges Amt hätten von den Fragen rund um die Endverbleibserklärungen nichts geahnt.

Zum Inhalt der Genehmigungen

Das Gericht stellte in aller Klarheit fest, dass der Endverbleib in bestimmten Staaten «weder objektiv noch subjektiv» Inhalt der Genehmigung geworden sei. Das ergäbe sich eindeutig aus dem Wortlaut der Genehmigungen, in denen durchgehend nur von einer Lieferung «nach Mexiko» die Rede sei. «Mexiko ist Mexiko, mehr aber auch nicht.»

Die Behörden hätten zwar das Ziel vor Augen gehabt, die Lieferung auf bestimmte Bundesstaaten zu beschränken. Wie dieses Ziel aber verwaltungsrechtlich umgesetzt werden könne, darüber habe sich niemand Gedanken gemacht. «Das Ziel war verwaltungsrechtlich Neuland.»

«Wir sind überzeugt, dass weder eine Endverbleibserklärung als solche noch der tatsächliche Endverbleib verwaltungsrechtlich zum Bestandteil einer Genehmigung gemacht werden kann.» Der tatsächliche Endverbleib läge zum Zeitpunkt der Erteilung in der Zukunft, es würde sich also erst nach einer Ausfuhr ergeben, ob eine Genehmigung vorliege oder nicht, und der Antragsteller habe auf den weiteren Verbleib keinen Einfluss.

Marianne B.

Das Gericht sei überzeugt, dass Marianne B. das erforderliche Unrechtsbewusstsein hatte. Spätestens seit Anfang 2007 habe sie damit gerechnet, dass man den Inhalt der Endverbleibserklärungen mitgestalten könne, ohne dass es der Realität entsprechen würde. Sie selbst habe auch einen Vorschlag gemacht, welcher Bundesstaat benannt werden solle. Sie habe aber weder «Tatherrschaft» noch «Tatinteresse» gehabt, deshalb werde sie nur wegen Beihilfe verurteilt.

Ingo S.

Entscheidend für seine Verurteilung ist ein Mailwechsel vom 25./26. April 2006. Dort wurde er darüber informiert, dass Guerrero noch G36 benötige, um auf die Gesamtzahl von 1508 Gewehren zu kommen. Auf die Frage, ob Guerrero in der Endverbleibserklärung genannt werden solle, habe er geantwortet, «falls» Guerrero bislang aufgetaucht sei, könne es drin bleiben. Damit habe er ausgedrückt, dass er es für möglich halte, dass Guerrero vorher nicht in den Endverbleibserklärungen aufgetaucht war, obwohl aus der Mail ersichtlich war, dass Guerrero bereits Gewehre erhalten hatte. Das, so das Gericht, sei keiner anderen Interpretation zugänglich. Ingo S. sei es egal gewesen, ob ein in einer früheren Endverbleibserklärung nicht genannter Staat auch Gewehre erhalten habe. Das widerspreche allem, was man bei redlichem Handeln erwarten müsse. Mit seiner Antwort habe er Einverständnis mit dem Vorgehen ausgedrückt.

Seit diesem Mailwechsel sei Ingo S. mit den Hauptakteuren Axel. H. und Markus B.  «stillschweigend übereingekommen», eine von der Realität abweichende Papierlage zu schaffen, um Ausfuhren nach Mexiko zu ermöglichen.

Freispruch für Peter B.

Es gäbe keine Belege dafür, dass er Kenntnis des illegalen Treibens der kleinen Tätergruppe gehabt habe. Der Vorwurf gegen ihn basiere nur auf einer einzigen Email. Aber es könne nicht nachgewiesen werden, dass er die Mail überhaupt gelesen habe. Alle anderen Indizien würden isoliert betrachtet keinen Vorwurf erlauben, sie würden nicht mehr als einen Verdacht begründen, aber keine hohe Wahrscheinlichkeit, die es für eine Verurteilung brauche.

Zudem könne er auch nicht wegen Fahrlässigkeit verurteilt werden. Zum einen sei gar nicht ersichtlich, dass Peter B. fahrlässig gehandelt habe, zum anderen sähe das Außenwirtschaftsgesetz seit 2013 keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit mehr vor.

Einziehung von 3,7 Mio. Euro von Heckler & Koch

Mit den Verkäufen in die vier kritischen Bundesstaaten habe Heckler & Koch einen Verkaufserlös in Höhe von 3.730.044 Euro erzielt. Diese Summe wird nach dem Bruttoprinzip eingezogen. Produktionskosten oder andere Aufwendungen dürfen, so das Gericht, nicht davon abgezogen werden.
 

Die Strafen im Detail

Marianne B.: Wegen Beihilfe zum bandmäßigen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch erschlichene Genehmigungen in drei Fällen:  1 Jahr 5 Monate auf 3 Jahre Bewährung, 250 Stunden soziale Arbeit.

Ingo S.: Wegen bandmäßigem Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch erschlichene Genehmigungen in zwei Fällen: 1 Jahr, 10 Monate auf 3 Jahre Bewährung, 80.000 Strafe für soziale Einrichtungen.

Für die Firma Heckler & Koch: Einbeziehung des Verkaufspreises in Höhe von 3.730.044 Euro