Nachricht | Internationale Solidarität. Globales Engagement in der Bundesrepublik und der DDR; Göttingen 2018

Ziele, Motive und Praktiken internationaler Solidarität

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Weit über 10000 Personen sollen es insgesamt gewesen sein, die zwischen 1983 und 1990 in Nicaragua als Ernte- und Aufbauhelfer_innen arbeiteten. In dem mittelamerikanischen Land hatte 1979 eine populare, linksdemokratische Bewegung eine Diktatur gestürzt und eine Revolutionsregierung installiert. Ein neuer Sammelband widmet sich nun – auch im Vergleich – Zielen, Motiven und Praktiken internationaler Solidarität in der Bundesrepublik und der DDR.

War die «internationale Solidarität» im Westen eher in der Zivilgesellschaft verortet und auch stark mit einer Kritik an Staat und Gesellschaften des globalen Nordens verbunden, so war diese in der DDR stärker staatlich vorgegeben und ausdrücklich auch Teil staatlicher Politik. Die Formen internationaler Solidarität dieser Periode hatten Vorläufer, dies skizziert Mitherausgeber Bösch im ersten Beitrag, der so etwas wie die Einleitung ist. Vorläufer etwa im Internationalismus der Arbeiterbewegung oder auch in der christlichen Soziallehre («Nächstenliebe»). Einen Schub gab es durch den Vietnam-Krieg. Neben der Informationsvermittlung («Aufklärung») hatten Spenden von Geld oder hochwertigen Materialien und der Boykott bzw. der Konsum bestimmter Produkte (z.B. der berühmte Kaffee aus El Salvador) eine große Bedeutung. Subjektive Aspekte, etwa Hoffnung in revolutionäre Veränderungen in Ländern des globalen Südens, die im eigenen Herkunftsland in weiter Ferne, wenn nicht unmöglich erschienen, spielten in den westlichen Ländern eine große Rolle. Im sozialistischen Staatensystem herrschte ein aus heutiger Perspektive recht hölzernes und verkürztes Verständnis von Rassismus vor, dies zeigt etwa der Beitrag zur Solidarität mit Angela Davis in der DDR. Hier wurde umstandslos behauptet, Rassismus könne durch «Antiimperialismus» und Antikapitalismus bekämpft werden, und eine, womöglich global imaginierte, Einheit propagiert, die real nicht existierte, und z.B. von den «Schwarzen», die dem Panafrikanismus anhingen, politisch auch nicht erwartet oder gewünscht wurde.

Die acht Beiträge im Einzelnen thematisieren Nicaragua, Chile, Argentinien, Südafrika und die DDR und die Solidarität mit Angela Davis. Alle zeigen, dass «internationale Solidarität» bis 1989/91 im Rahmen von Geopolitik und des Ost-West-Konfliktes immer transnational verflochten war. In vielen Regionen und Ländern reagierte die offizielle Entwicklungshilfe (West) auf die sozialistische «Aufbauhilfe» (Ost) – und umgekehrt.

Der Band will ausdrücklich kein Handbuch zum Thema sein. Er resultiert aus einer Tagung am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam im Jahre 2016 (Link zum Tagungsbericht auf H-Soz-Kult) und kann nur erste Aspekte aufzeigen. Länder, die in den 1970er und 1980er Jahren ebenfalls wichtig waren, wie etwa Spanien, Portugal, Polen oder die Türkei fehlen.

Frank Bösch, Caroline Moine, Stefanie Senger (Hrsg.): Internationale Solidarität. Globales Engagement in der Bundesrepublik und der DDR; Wallstein Verlag, Göttingen 2018, 264 Seiten, 24,90 EUR