Nachricht | Wachsmann: Vom Bauhaus beflügelt. Menschen und Ideen an der Hochschule für Gestaltung Ulm; Stuttgart 2018

Über ein Kloster der Moderne

Information

Zwanzig Jahre nach der erzwungenen Schließung des Bauhaus´ wurde in Ulm die Hochschule für Gestaltung (HfG) eröffnet. Sie sollte nur geringfügig länger als ihr wichtigstes historisches Vorbild existieren, bis 1968 (vgl. auch den Artikel Ein «anderes» Bauhaus in der schwäbischen Provinz? ). Christiane Wachsmann, die das Archiv der HfG aufbaute und es bis 1997 leitete, erzählt in ihrem Buch die Geschichte dieses «Klosters der Moderne», in dem, mitten in der Adenauerära, die dort beheimateten «Mönche des technischen Zeitalters» in ihren Rollkragenpullovern für Geschirr, Möbel und Schrift, ja für ganze Städte die «gute Form» zu entwickeln suchten – und sich mächtig in die Haare bekamen.

Nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus versuchte eine kleine Gruppe um Otl Aicher, Max Bill und Inge Scholl mit nahezu missionarischem Eifer eine «neue Elite» zu erziehen, die freilich die neue Demokratie der Bundesrepublik mit Leben erfüllen sollte. Die Hochschule sollte dafür das wichtigste Instrument sein. Wachsmann erzählt vom Leben an der Hochschule, von den Studierenden, von den Festen und der Mensa, und sie schildert die Diskussionen um die Lehrpläne und das Personal. Die Rahmenbedingungen waren im Prinzip günstig, die deutsche Industrie hatte Ende 1950 bereits wieder das Niveau von 1939 erreicht, es bestand nicht nur deshalb Bedarf an Designern. So hatte die Hochschule durchaus wenn auch überschaubare, Sympathien in der staatlichen Bürokratie und in der Industrie.

Zur Erklärung der Entwicklung und der teilweise scharfen Konflikte greift Wachsmann auf mehrere Thesen zurück: Zum einen sei die HfG zu Beginn das Produkt einer auf Freundschaft und Vertrauen beruhenden Gruppe um die GründerInnen. Dieses Prinzip musste in die Krise geraten, je mehr Zeit verging und je mehr neue DozentInnen an die Schule kamen. Im Laufe der Zeit, und spätestens ab 1962, wurde auch der Konflikt zwischen denjenigen DozentInnen, die eine klassische universitäre, geistes- oder sozialwissenschaftliche Ausbildung durchlaufen hatten, und jenen, die das nicht getan hatten, virulent. Das ganze Vorhaben litt zudem an einer, so Wachsmann «idealistischen Selbstüberforderung». Studierende der ersten Generationen, wie etwa Claude Schnaidt oder Herbert Lindinger, wurden, ähnlich wie am Bauhaus dies auch geschah, DozentInnen, und waren kaum älter als die Studierenden. Zusammengefasst spielen die aus der generationellen Prägung resultierenden Konflikte sowohl innerhalb der Studierenden, innerhalb der DozentInnen und zwischen diesen beiden Statusgruppen eine große Rolle. Hinzu kommt, dass die Schule niemals eine solide oder sichere Finanzierung erreichen konnte. Letztlich war «Krise» über weite Strecken der Existenz der Hochschule der Normalzustand, Wachsmann verwendet für die 1960er Jahre den Terminus «langjähriger Niedergang».

Verbraucherwünsche und Produktionskosten spielten, so die Autorin, im Tun der DozentInnen eine geringe Rolle – ein weiterer Widerspruch zum postulierten Ansatz, das gute Leben für alle gestalten, und dafür qualifiziertes Personal ausbilden zu wollen.

Ende Dezember 1968 wird die HfG geschlossen und existiert dann im übertragenen Sinne noch bis September 1972 als ein «Institut für Umweltplanung» fort. Im Anhang finden sich Lebensläufe wichtiger AkteurInnen, ein Personenregister und Hinweise auf wichtige Literatur. Einziger Nachteil des populärwissenschaftlich angelegten Buches sind die vergleichsweise zu kleinen Illustrationen. Sehr schade!

Christiane Wachsmann: Vom Bauhaus beflügelt. Menschen und Ideen an der Hochschule für Gestaltung Ulm, Stuttgart 2018, 296 Seiten