Nachricht | Afrika Erinnerung an den Holocaust

Afrikaner*innen auf Studienreise in Polen und Deutschland

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Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Foto: Armin Osmanovic

Teilnehmer*innen aus Südafrika, der Demokratischen Republik Kongo und Senegal besuchten vom 9. bis 18. Juni Polen und Deutschland, um sich in einem intensiven Programm mit der Erinnerung an die Ermordung der europäischen Jüd*innen während des Zweiten Weltkrieges auseinanderzusetzen. Die Studienreise wurde vom Johannesburger Holocaust and Genozid Centre organisiert und von den Büros der RLS in Johannesburg und Dakar unterstützt.

In den ersten zwei Tagen der Studienreise besuchten die 23 Teilnehmer*innen wichtige Orte der Erinnerung in Warschau. Dazu gehörten u.a. das ehemalige Warschauer Ghetto, die Zabinski Villa im Warschauer Zoo, wo die Familie Zabinski Jüd*innen während der Besatzung durch Nazideutschland versteckt hielt, das Denkmal zu Ehren des Warschauer Aufstands, das Denkmal des Aufstands des Warschauer Ghettos und das neue Museum der Geschichte der polnischen Juden (POLIN), das an die jüdische Geschichte in Polen erinnert.

Im Warschauer POLIN-Museum traf die Studiengruppe zu einem Gespräch mit Kamila Radecka-Mikulicz, der Kuratorin der Holocaust Ausstellung des Museums, zu einer Diskussion zur Konzeption des Museums und der Entwicklung der Erinnerungspolitik in Polen. Seit dem Ende des Kommunismus ergaben sich in der nationalen Erinnerungspolitik Polens große Veränderungen. Das kommunistische Regime stellte den Kampf gegen Hitlerdeutschland in das Zentrum seiner Erinnerungspolitik. Erst mit dem Beginn des demokratischen Polens erhielt der Holocaust größere Aufmerksamkeit. Das POLIN-Museum ist der Ausdruck dieser veränderten Erinnerungspolitik. Die zeichnet sich auch dadurch aus, dass im post-kommunistischen Polen die Zivilgesellschaft, insbesondere verschiedene Opfergruppen teils mit Unterstützung vom Ausland, großen Einfluss auf die Erinnerungspolitik erhalten haben.  Einfluss übt auch die rechts-konservative PIS-Regierung aus, die der polnischen Erinnerungspolitik eine nationale Stoßrichtung geben will. Das zeigt eindrücklich der im Danziger Museum ausgestellte Film «The unconquered».

Die Diskussion um die Erinnerungspolitik bestimmte auch das erste Treffen der Studiengruppe nach einem Stadtrundgang zur jüdischen Geschichte in Krakau. Mit Jakub Nowakowski, dem Direktor des Gallizisch-Jüdischen Museums, und Edyta Gawron, Professorin für Jewish Studies an der Universität von Krakau, diskutierten die Teilnehmer*innen die Erinnerungspolitik von unten, die Polen seit 1989 kennzeichnet. In Krakau und anderswo nahmen Initiativen von Bürger*innen die neue Freiheit in die Hand und trugen mit ihren Initiativen zur Pluralisierung der polnischen Erinnerungspolitik bei.

Piotr Cmiels Initiative am Otwocker Gymnasium ist ein Beispiel für diese Veränderung der Erinnerung an den Holocaust in Polen. In der Kleinstadt Otwock, unweit von Warschau gelegen, lebte vor der deutschen Besatzung eine große jüdische Gemeinde, die im Zweiten Weltkrieg von den Nazis ausgelöscht wurde. Heute kümmert sich eine Gruppe von Otwocker-Bürger*innen um die Erhaltung des alten und verfallenen jüdischen Friedhofs.

Von Krakau begab sich die Studiengruppe in die Vernichtungslager Auschwitz und Auschwitz-Birkenau. Dort führte sie Teresa Wontor-Cichy, Historikerin der historischen Abteilung des staatlichen Museums von Auschwitz-Birkenau, über das Gelände. Frau Wontor-Cichy diskutierte mit den Teilnehmer*innen auch die Frage von Erinnerung als Form von Gerechtigkeit. Für Frau Wontor-Cichy kommt der Erinnerung an die Opfer der Nazis große Bedeutung zu, da die Justiz die Verfolgung vieler Täter*innen versäumte. Erinnerung könne Gerechtigkeit aber nicht ersetzen. Rechtsprechung und Bestrafung seien als (Teil-)Wiedergutmachung unabdingbar. Das sehe man auch im Falle Südafrikas, wo Straffreiheit für Verbrechen während des Apartheidregimes auf dem Versöhnungsprojekt laste, so eine Teilnehmerin von dort.

Von Krakau und Auschwitz ging die Reise weiter nach Lublin und in das nahe gelegene KZ Majdanek. Nach dem Besuch und dem stillen Gedenken an die Opfer in Majdanek besuchte die Gruppe das Museum zur jüdischen Geschichte in Lublin. Auch dieses Museum, das der ehemals großen jüdischen Gemeinde Lublins gedenkt, ist aus einer lokalen Initiative hervorgegangen.

Von Polen aus ging es für die Gruppe weiter nach Berlin. Dort standen verschiedene Erinnerungsorte auf dem Programm, zudem das Denkmal zur Erinnerung an die Ermordung der europäischen Jüd*innen im Zentrum Berlins. Ebenso traf die Gruppe zu einem Gespräch mit Wolf Kaiser an der Gedenkstätte Topographie des Terrors zusammen. Auch bei diesem Gespräch stand neben der Entwicklung der deutschen Erinnerungspolitik die Frage von Recht und Gerechtigkeit im Mittelpunkt, da viele der deutschen Täter*innen unbehelligt blieben.

Abgesehen von der Erinnerung an Opfer und Täter*innen wurde auch in Berlin – wie zuvor in Krakau mit dem Besuch der Fabrik von Otto Schindler – an jene Deutschen erinnert, die wie Otto Weidt versucht hatten, Jüd*innen vor den Nazis zu retten oder wie Georg Elser, der 1939 ein Attentat auf Hitler verübt hatte, Widerstand zu leisten. Schließlich führte die Studienreise die Gruppe in das Frauen-KZ Ravensbrück und in die Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz, wo am 20. Januar 1942 hochrangige Vertreter der SS, der NSDAP und Vertreter von Reichsministerien zusammenkamen, um die Deportation und Ermordung der europäischen Jüd*innen zu beschließen.