Nachricht | Globalisierung - Nordafrika - Südliches Afrika - Westafrika - Ostafrika - Sozialökologischer Umbau AKWs auf dem Vormarsch?

Nukleare Landkarte von Afrika nimmt Formen an. Widerstand wird notwendig.

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Andreas Bohne,

AKW Koeberg in Südafrika
Das AKW Koeberg in Südafrika ist das noch das einzige in Afrika. Koeberg, CC BY-SA 2.0, Paul Scott

Das südafrikanische Atomkraftwerk Koeberg ist derzeit das einzige auf dem afrikanischen Kontinent. Ginge es nach vielen Politiker*innen, Lobbyist*innen und Wirtschaftsvertreter*innen, wird es nicht zu dessen Abschaltung kommen, sondern zu einer Vielzahl neuer Atomkraftwerke (AKWs). Denn zurzeit vergeht scheinbar keine Woche ohne eine Meldung über neu geplante AKWs in Afrika. Keine Woche ohne eine neue Interessensbekundung, Vereinbarung oder Zielmarke. So informierte kürzlich die kenianische Nuclear Power and Energy Agency (NuPEA) über ihre Planung, innerhalb der nächsten acht bis zehn Jahre ein AKW zu bauen. Die staatliche China National Nuclear Corporation (CNNC) wurde mit der Bestimmung des geeigneten Standortes beauftragt. Zwischen Küstengebiete am Indischen Ozean, am Lake Victoria und am Lake Turkana soll die Entscheidung nach einem zwei- bis dreijährigen Eruierungsprozess fallen.

Nicht ohne Russland

Neben China ist Russland der agilste Player in diesem nicht nur energiepolitischen, sondern vor allem geopolitischen Spiel um Einfluss und Absatzmärkte. Zwar bestehen «erst» zwei Verträge zwischen Russland und Nigeria bzw. Ägypten. Aber die Verträge sehen vor, dass Russland sich den Export nuklearer Technologien teuer bezahlen lässt. Das gesamte Projekt in Ägypten hat einen Umfang von 60 Mrd. US$, wobei das staatliche Unternehmen Rosatom allein 29 Mrd. US$ für den Reaktor veranschlagt.   Vereinbarungen über ähnliche Vorhaben wurden bereits mit Uganda, Ruanda, Ghana, Nigeria, Sudan und Südafrika geschlossen, während Absichtserklärungen mit Äthiopien und der Republik Kongo bestehen.

Es wollen aber nicht nur neue Länder in die Atomenergie einsteigen. Auch in Südafrika, wo zivilgesellschaftlicher Widerstand und Kostenfragen für eine vorläufige Abkehr sorgten, tauchen immer wieder Stimmen auf, Atomenergie zu stärken. Erst Ende August hat der südafrikanische Energieminister Gwede Mantashe verlautbart, dass Südafrika Atomenergie noch nicht ad acta gelegt hätte – wenngleich die Ambitionen niedriger seien.

Dabei ist Südafrika auch bestes Beispiel für die Abhängigkeiten, die durch derlei Vereinbarungen entstehen: Der 70 Mrd. Euro-Deal, der mit Rosatom geschlossen wurde um acht AKWs zu bauen, scheiterte aufgrund einer Klage. Die NGOs Southern African Faith Communities Environment Institute (SAFCEI) und Earthlife Africa gewannen 2017 vor dem Obersten Gerichtshof, welches die Absichtserklärungen als verfassungswidrig einstufte. Auch Äußerungen von offizieller Seite, wie von Präsident Cyril Ramaphosa, legten nahe, dass weder genügend Gelder, noch der politische Wille vorhanden seien, Atomkraft auszubauen. Das hinderte den russischen Präsidenten Putin jedoch nicht, Südafrika auf einem BRICS-Gipfel im Sommer 2018 an die bestehenden Absichtserklärungen zu erinnern.

«Entwicklungsdiskurs» durchbrechen

Trotz der zunehmenden Anzahl von Vereinbarungen und Verträgen sieht eine Vielzahl von Expert*innen derzeit keine akute Gefahr für neue AKWs in Afrika. Sie verweisen auf die unzureichende Infrastruktur, um den Strom einzuspeisen, die fehlenden Möglichkeiten zur Anreichung von Brennstäben vor Ort oder halten den Bau von Atomkraftwerken in Afrika – wie auch global – für langwierig und unrentabel. Verweise auf Baukosten, Endlagerung bzw. Wideraufarbeitung von Brennstäben ist ihr Argument.

Sie verkennen aber die dahinterliegenden Diskurse, in denen Zahlen als objektive Kriterien nicht immer zählen. Den Befürworter*innen geht es um Souveränität, für die sie rhetorisch neben «Unabhängigkeit» und «Eigenversorgung» auch mit Arbeitsplätzen und Industrialisierung argumentieren. So lange afrikanische Länder wie Mali, Niger oder Namibia die Umwelt- und Gesundheitskosten des Uranabbaus tragen, sind diese Diskurse durchaus verständlich – wenn auch nicht vertretbar.  Daneben werden ähnlich Argumente angebracht, wie sie auch von Vertreter*innen im Norden angeführt werden: Klimaneutralität und der Versuch, Atomstrom als vermeintlich «saubere» Alternative statt Kohle zu platzieren.

Da viele Vereinbarungen erst jüngst abgeschlossen wurden und eine Anti-Atom-Bewegung in afrikanischen Ländern nicht existent ist, stellt sich die Frage nach dem Widerstand. Bisher gelang es zwar südafrikanischen Aktivist*innen, den Bau von Atomkraftwerken zum Stopp zu bringen, indem sie Verfahrensfehler aufdeckten. In autoritär regierten Ländern wie Ägypten, Kongo oder Nigeria würde die Zivilgesellschaft mit ihrem Protest und Widerstand ein zunehmendes Risiko eingehen.  Daher müssen endlich weltweit nicht nur die diskursiven Kämpfe gegen Atomenergie als Klimaretterin gewonnen werden, sondern jegliche Ansätze der Atomenergie als sogenannte «Brückentechnologie» vehement bekämpft werden. Denn im Gegensatz zu den Anti-Kohle-Kämpfen findet sich in den Anti-Atom-Kämpfen kaum ein Gerechtigkeitsdilemma.