Nachricht | Deutsche / Europäische Geschichte - GK Geschichte Div. (Hrsg.): bauhaus News. Stimmen zur Gegenwart; Leipzig 2015

In einem Buch zur Vorbereitung des hundertjährigen Jubiläums 2016 herrscht große Verwirrung, wenn nicht Ratlosigkeit

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Das hier zu besprechende Buch ist – leider - ein Dokument der Rat- und Hilflosigkeit. Es versammelt die Beiträge aus der Tagung „100 Jahre Neues aus dem Bauhaus“ die im Dezember 2014 in Dessau stattfand. Vier Jahre vor dem Beginn des Jubiläumsjahres des 1919 gegründeten Bauhauses trafen sich dort am einschlägigen Ort nationale und internationale Bauhaus-Experten und –Expertinnen, oft Professoren und Professorinnen, um darüber zu beraten, wie dieses Ereignis angemessen begangen werden könnte.

In dem Buch sind nun 45 meist zweiseitige Statements, garniert mit einigen Zitaten von Mitgliedern des historischen Bauhauses, veröffentlicht. Sie machen die ganze Spannweite des Vorhabens und die Vielfalt dessen, was das Bauhaus war und heute ist; und ggf. davon abgeleitet, wie dieses Jubiläum zu begehen sei.

Dies fängt damit an, was das Bauhaus eigentlich gewesen ist. War das Bauhaus ein gestalterischer oder architektonischer Stil (Flachdach!), oder war es ein pädagogischer Stil und ein Erziehungskonzept, das vor allem den einzelnen Menschen im Blick hatte (Johannes Itten) und/oder eine Einrichtung, die bei der eher kollektiv gedachten Ausbildung vor allem das zu schaffende und später von der Industrie herzustellende Produkt im Auge hatte (so der Tenor von Gropius und erst recht der des Sozialisten Hannes Meyer). War - und ist - es drittens nicht vielmehr eine „Marke“ oder einfach eine avantgardistische Hochschule für Gestaltung, die mit ihrer Reformlehre, ihren Ideen, Idealen und Produkten vielfältigste Wirkungen - bis heute - zeitigte? Oder gar alles zusammen oder zu verschiedenen Perioden? Spätestens jetzt wird klar, und dies klingt in wenigen Beiträgen, wenn auch zaghaft an, dass das Bauhaus und erst recht dieses Jubiläum selbstverständlich ein Anlass ist, der gerne genommen wird, um heute brennende Fragen zu debattieren.

Oskar Schlemmer schrieb bereits Ende 1921 (!!), auch im Hinblick auf die Arbeit des Bauhauses, dass in Deutschland einerseits Wandervogel und Lebensreform, Vegetarismus, Siedlung, Indienkult und „Zurück zur Natur“ anzutreffen seien, aber ebenso Amerikanismus, Fortschritt, Wunder der Technik und Erfindung, Großstadt. Beides sei am Bauhaus vertreten.

Hinzu kommt die spannende Frage, wie heute angemessen erinnert wird? Das Bauhaus ist ja vor allem durch seine in den drei Museen in Weimar, Dessau und Berlin vorhandenen und ausgestellten Exponate präsent. Aber vermögen diese noch eine emotionale Beziehung zu erwecken, und wenn ja, auf welche Weise und bei wem? Nicht zuletzt sind an allen drei Standorten größere, museumsbezogene Neubauten geplant und begonnen.

Das Fragenkarussell im Buch dreht sich immer weiter: Braucht das Bauhaus ein Update, und wenn ja, welches? Oder gilt es nicht vielmehr oder ist es nicht ausreichend, wenn nicht gar zielführender, an „die Prinzipien“ oder gar „die Wurzeln“ des Bauhauses anzuknüpfen? Während einige Beiträge auf die Internationalität des Lehrkörpers , von dem die Hälfte nicht aus Deutschland kam, die der Studierenden und die Wirkung im globalen Kontext hinweisen, plädieren andere dafür, heute die globalen Aspekte stark zu machen, also etwa die Wirkung des Bauhaus auf Osteuropa, Afrika oder Asien. Dies führt auch zur Frage des Einflusses des Bauhauses und nach der, was Zentrum und was Peripherie, was Original und Wirkung in der Geschichte des Bauhauses ist und war, was regional/ortsgebunden und was universal, womöglich europäisch oder gar global war?

Diese Vielfalt an in der Regel eher unbeantworteten Fragen oder auch sich widersprechenden Statements kann man dokumentieren, aber es sollte schon irgendeine oder mehrere aussagekräftige Ideen dabei sein. Diese in den Beiträgen zu entdecken ist eine Herkulesaufgabe – und lässt die Befürchtung aufkommen, dass die Aktivitäten des Jubiläums trotz vermutlich angemessen zur Verfügung stehender finanzieller Mittel im Hickhack zwischen den Institutionen, Museen und Behörden zerrieben werden und (deswegen) versanden.

Div. (Hrsg.): bauhaus News. Stimmen zur Gegenwart; Spector Verlag, Leipzig 2015, deutsch/englisch, ca. 300 Seiten, 22 EUR