Nachricht | International / Transnational - Afrika - Gesellschaftliche Alternativen - Gesellschaftstheorie Das Erbe des Mwalimu

Julius Nyerere Resource Centre in Dar es Salaam eröffnet

„Um die Armut wirkungsvoll zu bekämpfen, braucht es gesetzliche Regelungen, die dafür sorgen, dass auch die Ärmsten ihren Anteil erhalten, wenn die Rohstoffe des Landes ausgebeutet werden“, so Benjamin William Mkapa in einer vielbeachteten Rede, die er am 19. März 2015 vor geladenen Gästen, darunter vielen ehemaligen Weggefährten Nyereres, hielt.

 Einen Tag zuvor hatte der ehemalige tansanische Präsident das Nyerere Resource Centre in Dar es Salaam feierlich eröffnet. Die Idee zu diesem neuen Zentrum stammt von Professor Issa Shivji, dem international renommierten Juristen, der seit einigen Jahren an einer politischen Biografie des tansanischen Staatsgründers Julius Kambarage Nyerere arbeitet. Viele Dokumente, die er im Rahmen seiner umfassenden Arbeit gesammelt hat, sollen nun weiterer Forschung zugänglich gemacht und für aktuelle politische Konzepte und Programme genutzt werden.

 Das Nyerere Resource Centre, so der Initiator Shivji,  soll künftig eine Stätte des Dialogs und der Fortbildung sein, basierend auf den Ideen und dem Wirken des großen tansanischen Politikers und Visionärs Nyerere. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat durch ihr Regionalbüro Ostafrika die Etablierung des Zentrums maßgeblich unterstützt. Sie wird auch weiterhin dessen Aktivitäten fördern, bis der bereits etablierte Endowment Fund, in den verschiedene Organisationen einen finanziellen Beitrag leisten,  die Unabhängigkeit der Institution garantieren kann.

 Aushängeschild des Zentrums sind die „Nyerere Lectures“, die anlässlich der Eröffnung zum ersten Mal gehalten wurden. Die Reihe wurde mit einer Vorlesung von Prof. Adebayo Olukoshi eröffnet, Direktor des UN-Afrikainstituts für Wirtschaftsentwicklung und Planung in Dakar. Mit seiner Themenstellung „Wiederkehr des Entwicklungsstaats“ traf  er einen empfindlichen Nerv aktueller Debatten, die in Ostafrika zurzeit geführt werden.

 Während der Dekolonisierung und der Staatsgründungen afrikanischer Gemeinwesen in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts waren sozioökonomische Entwicklung und nationaler Zusammenhalt wichtige Pfeiler beim Aufbau souveräner Nationalstaaten. Staatliche Aktivitäten wurden nicht nur bei der sozialen Daseinsvorsorge als selbstverständlich angesehen; auch bei der Entwicklung von Landwirtschaft und Industrie spielte der öffentliche Sektor eine maßgebliche Rolle. Zwei bis drei Jahrzehnte IWF- und Weltbank-diktierter Strukturanpassungen sowie die Verfolgung weiterer neo-liberaler Wirtschaftsideen brachten  vielen afrikanischen Staaten zwar stetige Wachstumsraten, nicht aber mehr soziale Gerechtigkeit und ökologisch nachhaltige Entwicklung.

 Die Rückkehr des Entwicklungsstaates wurde nicht nur von Prof. Olukoshi angemahnt. Auch Ex-Präsident Mkapa musste eingestehen, dass die unter seiner Führung betriebene Liberalisierung nicht die erhofften sozialen und ökonomischen Auswirkungen hatte. Dieses Eingeständnis wurde von seiner Forderung begleitet, Kleinbauern vor der Landnahme durch ‚Investoren’ zu schützen und die Bevölkerung an den Erträgen aus Bergbau sowie Öl- und Gasförderung zu beteiligen. Auch die Bereicherung ökonomischer und politischer Eliten wurde – wenn auch nur verhalten – als eine weitere Ursache wachsender Ungleichheit genannt.

 Das Nyerere Resource Centre, so Prof. Shivji in seinen Abschlussworten, wird diese strategischen Debatten fortführen und durch das Angebot von Trainingskursen in politischer Ökonomie auch NachwuchswissenschaftlerInnen und AktivistInnen in diesen Diskurs einbinden.

 Über Leben und Wirken des Staatsgründers Nyerere, dessen Namen das neue Resource Centre trägt, gab eine Ausstellung Auskunft, die am Rande der Eröffnung gezeigt wurde. Der Fotograf Adarsh Nayar, der Julius Nyerere jahrelang begleitet hat, präsentierte einen kleinen Teil seiner umfangreichen Sammlung eindrucksvoller Schwarz-Weiß-Fotografien.  

von Siegfried Schröder, Büroleiter Dar es Salaam und Elke Kuhne, Consultant