Nachricht | Sozialökologischer Umbau - Rosa-Luxemburg-Stiftung - Klimagerechtigkeit No Fly

Mit einer sozial-ökologischen Mobilitätsrichtlinie nimmt die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Vorreiterrolle ein.

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Simon Poelchau ist Redakteur im Wirtschaftsressort der Tageszeitung «neues Deutschland».

Rund 750 Kilometer sind Brüssel und Berlin voneinander entfernt. Eigentlich ist die Strecke zu kurz, um sie mit dem Flieger zu bewältigen. Dennoch jetten aus Zeitmangel oder Bequemlichkeit etliche Beamte, Politiker, Lobbyisten oder Stiftungs- und Verbandsmitarbeiter täglich zwischen beiden Städten hin und her. Eine Airline hat sich sogar auf Flüge in die EU-Hauptstadt spezialisiert. Morgens kann man bei ihr in den Flieger steigen, um am Vormittag pünktlich beim Meeting in Brüssel zu sein. Nachmittags geht es dann rechtzeitig wieder nach Berlin, damit man passend zum Abendessen zu Hause ist. Die Tagesbilanz: Mal schnell 350 Kilogramm Kohlendioxidemissionen verursacht.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung will solchen Flügen einen Riegel vorschieben. Stattdessen sollen ihre Mitarbeiter, Gäste und Ehrenamtliche die klimafreundliche Bahn nehmen. So flogen allein vergangenes Jahr Stiftungsmitglieder 58 mal zwischen Berlin und Brüssel hin und her und verursachten dadurch mehr als 10 Tonnen CO2-Emissionen.

Ökologische und soziale Kriterien spielen eine Rolle

«Die persönliche Begegnung und damit die Mobilität liegen im Wesen unserer politischen Dialog- und der Projektarbeit», heißt es dazu in einem neuen Klimaschutz-Leitfaden der RLS. Gleichzeitig wolle man vor dem Hintergrund der globalen ökologischen Krise eine neue Haltung zum Reisen und zur Mobilität entwickeln: «Wir möchten in erster Linie die Häufigkeit und die Anzahl von ökologisch besonders schädlichen Flugreisen deutlich einschränken». Der neue Leitfaden untersagt den Mitarbeitern der LINKE-nahen Stiftung aus ökologischen Gründen Flüge bis zu einer Entfernung von 800 Kilometern. Sie ist damit einzigartig unter den parteinahen Stiftungen in Deutschland.

Auch Pkw-Fahrten sollen die Reisenden künftig vermeiden und stattdessen die Bahn nutzen. Laut dem RLS-Leitfaden sind zudem bei Interkontinentalflügen, die eines Anschlussfluges innerhalb Deutschlands bedürfen, vorzugsweise sogenannte Rail-and-Fly-Angebote zu nutzen. Wer also von Argentinien aus in Frankfurt am Main landet, soll anschließend den Zug nach Berlin nehmen, statt gleich ins nächste Flugzeug zu steigen. Gleichzeitig können die Reisenden bei der RLS einen teureren Direktflug buchen, wenn sie damit nachweislich CO2 einsparen. Dies bietet sich etwa zwischen Berlin und New York an, wenn so Umwege über Sao Paolo und Paris vermieden werden.

Auch die Auslandsbüros der RLS sollen einen «No-fly-Radius» erhalten, in dem Flugreisen bis auf begründete Ausnahmefälle untersagt sind. Jedoch gibt es für sie keine feste Grenze. Die Auslandsbüros sollen stattdessen für sich jeweils einen eigenen Radius definieren, in dem die Nutzung der Bahn oder des Busses obligatorisch ist. Auch sollen sich die Reisenden der Rosa-Luxemburg-Stiftung bei ihren Trips an soziale Kriterien halten. Flüge mit Airlines oder Übernachtungen in Hotelketten, die etwa eine gewerkschaftliche Organisierung ihrer Mitarbeiter*innen sabotieren, sollen nicht gebucht werden.

Erste Stiftung mit verbindlichen Vorgaben

Keine andere parteinahe Stiftung hat einen solchen verbindlichen «No-Fly-Radius». Lediglich die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung hält neben der RLS ihre Mitarbeiter an, für innerdeutsche Strecken die Bahn zu nehmen. So wies das Bundesinnenministerium die Stiftungen bisher auch an, bei Reisen nur auf die Kosten und nicht auf ökologische oder soziale Kriterien zu achten. «Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten», heißt es dazu in der Bundeshaushaltsordnung. Mit der Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 hat die Bundesregierung jedoch den Stiftungen vor Kurzem einen gewissen Spielraum gegeben, indem sie den Begriff der Wirtschaftlichkeit um die Aspekte Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit erweiterte. So dürfen etwa auch Beschäftigte des Bundes künftig mit der klimafreundlichen Bahn fahren, auch wenn dies mehr Kosten als ein Flug erzeugt.

Grundsätzlich habe man sich «wie alle anderen Institutionen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, an die Regelungen des Bundesreisekostengesetzes zu halten», heißt es bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. So gebe es bei ihr in Bezug auf einen möglichen No-Fly-Radius keine formalen Richtlinien, die die Nutzung bestimmter Verkehrsmittel bei Dienstreisen vorgeben. «Allerdings sind die Mitarbeiter gehalten, darauf zu achten möglichst klimaverträglich zu reisen», so die Friedrich-Ebert-Stiftung. Ähnlich äußert man sich auch bei den unionsnahen Stiftungen. Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung bezog zu dem Thema keine Stellung.

«Die Konrad-Adenauer-Stiftung berücksichtigt verstärkt den Aspekt der CO2-Reduzierung auch bei Dienstreisen», heißt es bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Statt des Flugzeugs könne die Bahn selbst dann genutzt werden, wenn dadurch höhere Kosten entstehen. Wie vom Zuwendungsgeber ermöglicht, werde für dennoch erforderliche Flugreisen im Inland eine CO2-Kompensation geleistet. «Spezielle Klimarichtlinien für Dienstreisen gibt es bei der HSS nicht», erklärt die CSU-nahe Hans-Seidel-Stiftung (HHS) aus München. Für sie gelte grundsätzlich die Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes. Jedoch sollen auch bei ihr Fahrten mit dem Pkw vermieden und stattdessen öffentliche Verkehrsmittel verwendet werden. «Wenn das Auto genutzt werden soll, ist dies entsprechend zu begründen, z.B. bei Materialtransporten», erklärt die Hans-Seidel-Stiftung.

Die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung hat da schon ein größeres ökologisches Bewusstsein. «Jeder Flug ist einer zu viel. Als global arbeitende Organisation ist ein Mindestmaß an Flügen nicht zu vermeiden», lässt sie mitteilen. «Wir wollen aber die Flugkilometer so gut es geht auf ein solches Mindestmaß reduzieren.» Deshalb werden Flüge bei der Heinrich-Böll-Stiftung grundsätzlich auf ihre Notwendigkeit überprüft. Auch versucht sie wie die RLS zunehmend, moderne Kommunikationsmittel wie Videokonferenzen zur Vermeidung von Flügen zu nutzen. «Der CO2-Ausstoß von Flügen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Berliner Zentrale ist nach Angaben unseres Reisedienstleisters von 2017 auf 2019 deutlich gesunken», so die Heinrich-Böll-Stiftung.

Jedoch verweist man auch bei ihr auf die gesetzlichen Vorgaben: «Dadurch, dass die Heinrich-Böll-Stiftung im Wesentlichen durch Steuermittel finanziert ist, bewegen sich die Gestaltungsmöglichkeiten für ein nachhaltiges Reisen in den engen Grenzen der Richtlinien und Vorgaben des Bundes.» CO2-Kompensationen für Flüge können auch bei ihr geleistet werden.

Diese Ausgleichszahlungen für den eigenen CO2-Flugabdruck sehen Klimaschützer als eine moderne Form des Ablasshandels an. Die RLS lehnt dies in ihrem Leitfaden deshalb aus politischen Gründen ab.