Westafrika erlebte mit Ebola von 2013 bis 2016 eine der schlimmsten Epidemien des 21. Jahrhunderts mit weit über 11.300 Todesopfern. Lediglich die weltweite Grippewelle 2009 (Schweinegrippe) hatte in den 2000ern verheerendere Auswirkungen.
Noch sind die Fallzahlen derjenigen, die in Afrika positiv auf den Covid-19-Virus getestet wurden, gering; gemäß Daten der Johns Hopkins University sind noch weniger als 500 dokumentiert. Nahezu alle Fälle sind Einreisende aus Europa und ihnen nahestehende Personen.
Reagiert wird dennoch frühzeitig und zum Teil drastisch. Seit der Ebola-Epidemie gibt es eine Infrastruktur, die anderswo fehlte, und das Personal im Gesundheitswesen hat wertvolle Erfahrungen gesammelt. Problemlos kann jetzt in den meisten Ländern an allen Grenzübertritten und Flughäfen eine Fiebermessung schnell und effektiv vorgenommen werden, was bereits seit Wochen geschieht. Mit Hilfe der WHO wurden zudem Testlabors aufgebaut.
Die aus Europa einreisenden Menschen sind es also, die aktuell den Virus nach Afrika bringen. Sie können es sich meist leisten, das Risiko einer Quarantäne einzugehen und sich bei ersten Symptomen untersuchen und ggf. testen zu lassen. Sollte der Virus hier aber den Kreis der gehobenen Schichten und Europareisenden durchbrechen, könnte es auf einmal sehr schnell gehen. Wer im informellen Sektor keinen sozialen Schutz hat und auf tägliches Einkommen nicht verzichten kann, ist verständlicherweise eher geneigt, eine Quarantäne zu vermeiden. In vielen Vierteln sind die Wohnverhältnisse sehr eng und eine Isolierung von Einzelpersonen wird im häuslichen Umfeld kaum möglich sein. Für die täglichen Wege gibt es keine Alternative zu überfüllten Bussen, in denen die Menschen dichtgedrängt sitzen. Zudem würden Menschen, die kritisch erkrankt sind, kaum eine Chance haben, intensiv betreut zu werden. Die Kapazitäten dafür gibt es hier so gut wie nicht. Wer also durch Intensivmedizin zu retten wäre, wird hier dennoch keine Chance haben.
Vor dem Hintergrund der europäischen Erfahrungen mit eher langsamen und verhaltenen Reaktionen wird hier nun vielfach schnell und drastisch reagiert. Seit Montag sind z.B. im Senegal alle Schulen geschlossen. Die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unabhängigkeit sind abgesagt. Flüge aus Europa und Nordafrika werden nicht mehr ins Land gelassen. Alle öffentlichen Veranstaltungen sind verboten, auch die religiösen Gemeinschaften sind angehalten, sich danach zu richten. Eine der großen muslimischen Bruderschaften, die Tijaniyya, hat bereits einen großen Feiertag abgesagt. Pilgerfahrten (z.B. nach Rom oder Mekka) dürfen nicht untergenommen werden. Mauretanien, wo bisher nur ein Fall dokumentiert ist, hat ebenfalls bereits alle Schulen geschlossen und Tourist*innen, die sich aus einer angeordneten Quarantäne stehlen wollten, umgehend deportiert.
Wenn es so nicht gelingt, die Ausbreitung hier einzudämmen, dann werden die Defizite der durch Strukturanpassung, Schuldendienst etc. schwachen Gesundheitsversorgung und weitgehend fehlenden Sozialversicherung schnell offenbar werden. Die von Ebola am stärksten betroffenen Länder waren auch damals jene mit selbst im regionalen Vergleich schlechter medizinischer Infrastruktur: Guinea (Conakry), Sierra Leone und Liberia. Es waren Staaten, in denen die öffentlichen Ausgaben für die Gesundheitsversorgung sehr gering waren, während private Ausgaben – der Wenigen in den urbanen Zentren, die sich teure Ärzt*innen und Krankenhäuser leisten konnten – sehr hoch waren.
Während aktuell die Welt den SARS-CoV-2 bekämpft, und das auch gut so ist, muss spätestens wenn die Pandemie eingedämmt ist, noch mehr als nach Ebola am Aufbau einer Resilienz der Gesundheitssysteme in Afrika investiert werden. Das bedeutet nicht nur für das Eindämmen von Epidemien und Pandemien, sondern immer, auch in der Fläche und für die Masse eine gute Versorgung durch medizinische Einrichtungen zu gewährleisten. Zudem gilt es, die Bekämpfung der drei Krankheiten zu forcieren, die in Afrika schon lange Massenkiller sind: HIV, Tuberkulose und Malaria.