Nachricht | China - Corona-Krise Ideologischer Kampf um Corona

Chinas Krisenmanagement im Blick der deutschen Medien

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Der chinesische Präsident Xi Jinping besucht den Ningbo-Zhoushan-Hafen in der ostchinesischen Provinz Zhejiang, nachdem die Arbeit und Produktion dort wieder aufgenommen wurden, 29. März 2020. picture alliance / Photoshot

Die Corona-Krise wirft systemische Fragen mit einer neuen Vehemenz auf. Gerade mit Blick auf China ist die deutsche Medienberichterstattung ideologisch stark aufgeladen. Chinas Krisenmanagement, das sich zumindest in seiner ersten Phase als erfolgreich erwiesen hat, wird in vielen Kommentaren als inadäquat beschrieben, sei es mit Blick auf die chinesische Informationspolitik, auf die autoritären Methoden zur Bekämpfung des Virus oder auf die nachfolgende Macht- und Legitimationspolitik. Regelmäßig wird die Kritik am chinesischen Krisenmanagement mit einem als illegitim wahrgenommenen politischen System in Verbindung gebracht. An der Berichterstattung über das Coronavirus zeigt sich, wie schnell mit Blick auf China systemische Fragen aufgeworfen werden, wie voreingenommen berichtet wird und wie dunkel prognostiziert wird.

Leonie Schiffauer arbeitet bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung als Referentin für Ost-, Süd- und Zentralasien. Sie hat an der Universität Cambridge in Sozialanthropologie promoviert.

An vielen Stellen ist die Kritik an Chinas Vorgehen wichtig und richtig. Allerdings sollte sie im Verhältnis stehen zu Verdiensten und Erfolgen, die China im Krisenmanagement ebenfalls vorweisen kann. Und sollten wir nicht auch die Frage stellen, was wir von der chinesischen Krisenbewältigung lernen können? Oder, wenn wir die chinesischen Maßnahmen beurteilen, unser eigenes Handlungsvermögen und unsere eigenen Strategien in der Krisensituation reflektieren? Corona zeigt uns deutlich, wie unterschiedliche Systeme darauf vorbereitet sind, effektive Schritte einzuleiten, um das Gemeinwohl zu schützen. Anstatt uns in einer ideologisch aufgeladenen Debatte über deren Legitimität zu verlieren, sollten wir ihre Diversität als Chance begreifen, die Stärken und Schwächen unseres eigenen Handelns herauszustellen und daraus neue Handlungsoptionen abzuleiten.

Vertuschung?

Es war der Tod des chinesischen Arztes Li Wenliang am 7. Februar 2020, welcher zu massiver Kritik an der Informationspolitik der chinesischen Behörden führte. Li Wenliang gehörte zu den Ärzten, die im Dezember 2019 eine neuartige Lungenkrankheit entdeckt hatten. Am 30. Dezember diskutierte der Arzt in einem Online-Forum mit Kollegen das Virus, welches an dieser Stelle auch mit der SARS-Pandemie von 2002/2003 verglichen wurde. Die Ärzte wurden daraufhin von der Polizei bezichtigt, Gerüchte zu verbreiten und zu einer Schweigepflichtserklärung genötigt. Li Wenliang infizierte sich kurz darauf selbst mit dem Virus und starb wenige Wochen später daran, wodurch er zu einer nationalen Heldenfigur im Kampf gegen das Coronavirus wurde.

Im Zusammenhang mit dem Fall Li Wenliang werfen viele führende deutsche Medien China eine gezielte Verheimlichung und Vorenthaltung von Informationen mit Bezug auf die Gefahren des Virus vor. Die Welt z.B. schreibt, der Fall Li Wenliang werfe «ein Schlaglicht auf das dramatische Ausmaß der Vertuschung, mit dem die KP versuchte, das Virus zu leugnen.» Laut Nis Grünberg vom Mercator Institute for Chinese Studies wäre es aber falsch, im Fall von Corona «von einem außergewöhnlichen Vorgang des Vertuschens» seitens der chinesischen Behörden zu sprechen. Vielmehr handle es sich bei der Zensur im Hinblick auf das Coronavirus um Routineverhalten. Denn die chinesische Regierung lässt systematisch Informationen überwachen, welche aus ihrer Sicht die gesellschaftliche Stabilität bedrohen oder Kritik an der Regierung üben.

Informationen zum Virus wurden schon früh weitergegeben, nur nicht an die breite, chinesische Öffentlichkeit. Die Behörden wussten durch ein internes Informationssystem bereits im Dezember über das Virus Bescheid und die Weltgesundheitsorganisation wurde am 31. Dezember in Kenntnis gesetzt, d.h. bereits bevor Li Wenliang und seine Kollegen zum Schweigen verpflichtet wurden. Am 1. Januar wurde der Markt in Wuhan geschlossen, wo man den Ausbruch des Virus vermutete, und es wurde öffentlich verkündet, dass dies aufgrund des Ausbruchs einer viralen Lungenkrankheit geschehe. Am 7. Januar wurde von Wissenschaftler*innen das Coronavirus 2019-nCov identifiziert und innerhalb von vier Tagen wurde die genetische Komposition des Virus über eine Fachplattform weltweit zugänglich gemacht.

Es hat mehrere Wochen gedauert, bis die Bevölkerung adäquat über den Ernst der Lage informiert wurde. Erst am 20. Januar 2020 wurde bekannt gegeben, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden könne – eine Information, die zu diesem Zeitpunkt schon mindestens zwei Wochen bekannt gewesen sein musste. Drei Tage später wurden dann auch konsequente Maßnahmen ergriffen, die Millionenmetropole Wuhan wurde abgeriegelt und innerhalb kürzester Zeit folgte der Lockdown der Region Hubei. In der Folge wurde in den Berichten der staatlichen Medien zum Virus immer wieder zu Transparenz aufgerufen, was durchaus die Interpretation zulässt, dass China sich im Umgang mit Gesundheitskrisen verantwortungsvoll zeigen wollte. Durch eine schnellere Warnung der Bevölkerung und ohne die Zensur hätte jedoch zumindest der Selbstschutz besser funktioniert und die Ausbreitung des Virus hätte entscheidend verlangsamt werden können.

China hat also nicht vorbildlich gehandelt in seiner Informationspolitik und das Beispiel macht einmal mehr deutlich, wie wichtig der KP die Kontrolle von Information ist. Es wird aber auch deutlich, dass das System Widersprüche in sich birgt und wie unklar Entscheidungskompetenzen im Hinblick auf die Kontrolle von Information sind. Die Nachricht von Li Wenliangs Tod, der die Problematik der Zensur auf tragische Weise verdeutlicht, ging innerhalb kürzester Zeit viral in den sozialen Medien. Die Meldungen wurden zensiert, bis kurze Zeit darauf die Öffentlichkeit offiziell darüber informiert wurde. Ebenso wurde ein Aufruf der Kommission für Politik und Recht der KP zur Transparenz im Umgang mit Corona, der über die Plattform Weibo geteilt wurde, nach wenigen Stunden wieder gelöscht. Es ist also eine undifferenzierte Reduzierung von Fakten, wenn es so dargestellt wird, als ob China als monolithischer Moloch mit der Intention das Virus zu verheimlichen und somit den Machterhalt der KP zu sichern gehandelt hätte. 

Mit Blick auf die Reaktionszeit im Anfangsstadium der Krise ist auch ein Vergleich interessant: Deutschlands erster Corona-Fall wurde am 27. Januar bekannt, Merkels erste Pressekonferenz zum Virus fand jedoch erst am 11. März statt. Angesichts der Tatsache, dass man bereits wusste, wie rasant sich das Virus in China ausgebreitet hatte und wie problematisch die Situation in Italien bereits war, war dies sehr spät. Auch hier hätte die Ausbreitung des Virus also durch eine schnellere und konsequentere Reaktion verhindert werden können und wenn in Medienberichten bis heute immer wieder darauf hingewiesen wird, dass China zu spät reagiert hat, sollte spätestens jetzt auch die Frage aufgeworfen werden, ob Deutschland im Vergleich zu China verantwortungsvoller gehandelt hat.

Die Weltgesundheitsorganisation lobte das Vorgehen Chinas in ihrem Bericht als «die womöglich ambitionierteste, schnellste und aggressivste Anstrengung zur Krankheitseindämmung in der Geschichte». Man kann in diesem Zusammenhang auf den wachsenden Einfluss Chinas auf die Weltgesundheitsorganisation hinweisen, wie die Süddeutsche Zeitung dies tut, allerdings war es immerhin eine internationale Mission bestehend aus 25 Expert*innen eines legitimierten Gremiums, die aus medizinischer Perspektive zu dieser Einschätzung gekommen sind, nicht aber die Aufgabe hatte, Menschenrechte oder Meinungsfreiheit kritisch zu beurteilen. Auch hier werden Fakten in der Berichterstattung in einer Art und Weise kombiniert, die ein bestimmtes (negatives) Bild von China zeichnen soll, obwohl sich in der Sache eine deutlich positive Entwicklung (z.B. im Vergleich zum Umgang mit SARS) erkennen lässt.

Autoritäre Maßnahmen?

Nach der offiziellen Bekanntgabe der Bedrohung durch das Virus traf China sehr schnell radikale Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung. Nicht nur Wuhan und die Provinz Hubei wurden unter Quarantäne gestellt, sondern auch andere Millionenstädte wie z.B. Hangzhou wurden von der Außenwelt abgeschottet. Sämtliche Verkehrsverbindungen wurden unterbrochen, es gab eine Ausgangssperre und Schulen, Parks, Geschäfte, Büros und Fabriken wurden geschlossen. 

Das Gesundheitssystem in Wuhan war sehr schnell überfordert, jedoch konnten innerhalb von zwei Wochen zwei neue Krankenhäuser für Corona-Patienten errichtet werden. Aufgrund des zentralistisch und hierarchisch organisierten politischen Systems war es in Rekordzeit möglich, ausreichende Mittel zu kanalisieren und die nötigen Fachkräfte zu mobilisieren.

Auch setzte Peking alles daran, Infektionsketten nachzuvollziehen. Allein in Wuhan wurden 1800 Teams rekrutiert, die in den letzten Wochen täglich Zehntausende Menschen aufsuchten, die Kontakt zu Infizierten gehabt hatten, um sie auf mögliche Symptome zu untersuchen. Big Data und künstliche Intelligenz spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Rekonstruierung von Infektionsketten. In einigen Städten müssen sich Fahrgäste über einen QR-Code registrieren, um Daten über Aufenthaltsorte und Kontaktpersonen zu sammeln. An verschiedenen Orten, wie z.B. dem Pekinger Hauptbahnhof, wurden Kameras installiert, um die Körpertemperatur der Ankommenden zu messen und Reisende mit Symptomen direkt zu identifizieren. Über Handy-Apps können in einigen Städten Umgebungskarten abgerufen werden, die anzeigen, wo sich Corona-Infizierte oder potentiell Infizierte aufhalten, um Selbstschutz zu ermöglichen.

China gelang es mit diesen Maßnahmen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Seit Mitte März wurden keine Neuinfektionen mehr gemeldet und China kehrt langsam zur Normalität zurück. Die Methoden zur Bekämpfung des Virus wurden in vielen deutschen Medien mit großer Skepsis beobachtet, weil sie aus westlicher Perspektive die Freiheiten des Einzelnen zu stark beschränken. Eine weit verbreitete diskursive Strategie ist hier, Einzelschicksale herauszugreifen, die zeigen sollen, «wie wenig der eigenen Regierung das Leben und die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger wirklich wert sind», wie es z.B. die Zeit darstellt.

Man kann durchaus unterschiedlicher Meinung sein, ob Chinas Maßnahmen und Methoden im Kampf gegen das Coronavirus gerechtfertigt sind. Die Zeit wird zeigen, ob auch ein weniger radikales Verfahren ausreichend ist, um eine Pandemie nachhaltig zu bekämpfen. Allerdings ist auch in der Beschreibung der Maßnahmen eine klare ideologische Tendenz zu erkennen, schon allein indem man sie mit dem Vokabular der Unterdrückung, des Autoritarismus, der Missachtung von Bürgerrechten in Verbindung bringt oder schwarze Prognosen des totalen Überwachungsstaates stellt, der durch die Pandemie nun zementiert werden kann.

Damit soll nicht gesagt werden, dass Überwachung in China nicht zu einem Problem werden kann oder dass autoritäres Handeln in China nicht viele schwerwiegende Konsequenzen hat. Seit dem Bekanntwerden der Corona-Krise gab es durchaus gerechtfertigte Kritik an bestimmten Maßnahmen von Seiten der chinesischen Bevölkerung oder chinesischer Journalist*innen. In jeder Entscheidung der KP eine Unterdrückung der eigenen Bevölkerung zu sehen und China als unfreien Überwachungsstaat darzustellen, ist allerdings eine nicht zielführende Verkürzung von Realitäten. Es gibt nämlich in China beispielsweise viel Verständnis dafür, dass im großen Stil Daten gesammelt werden, um Infektionsketten nachzuvollziehen. Nun, da die Situation in China sich bessert, kehren auch viele Auslandschinesen in die Heimat zurück, weil sie den westlichen Regierungen nicht zutrauen, adäquate Maßnahmen zu ergreifen und sich in China sicherer fühlen.

Wir können nicht davon ausgehen, dass unser westliches Verständnis von der Freiheit des Individuums universell ist. Die Akzeptanz für einen starken Staat, der zugunsten des Allgemeinwohls die Rechte des Einzelnen begrenzen muss, ist in China vorhanden und erweist sich zum Beispiel in einer Krise wie dieser als ein großer Vorteil. China blickt mit Befremden auf das europäische Krisenmanagement, das im Vergleich schwerfällig und unkoordiniert wirkt. An dieser Stelle hat China klare systemische Stärken, die wir uns genauer ansehen sollten, anstatt sie als den westlichen Idealen widersprechend abzuwerten.

Machtpolitik?

Nachdem China eine erste Welle des Virus offenbar unter Kontrolle gebracht hat, inszeniert es sich nun als perfekter Krisenmanager und versucht, politisches Kapital aus der Krise zu ziehen. Man zeigt in China nun auf den Westen, der als in der Krise handlungsunfähig dargestellt wird. Auch dies ist eine einseitige und verallgemeinernde Darstellung, die zudem noch gar nicht abgeschätzt werden kann. Wenn die Zeit aber schreibt, dass die erfolgreiche Bekämpfung des Virus kein Grund sei, China nachzuahmen, weil es ja auch Demokratien wie Taiwan oder Südkorea gebe, die das Virus schnell und effektiv eindämmen konnten, dann argumentiert hier der Autor nicht sachlich, sondern ideologisch motiviert und tut genau das, was er mit Blick auf China kritisiert.

Es ist zweifelsohne staatliche Propaganda, wenn China sein eigenes Vorgehen in der Corona-Krise lobt und die KP schafft sich Diskursoptionen für den Fall, dass das Virus erneut ausbricht (nämlich, dass es reimportiert wurde und somit nicht mit einem Verschulden der chinesischen Regierung in Verbindung gebracht werden kann). Solch offensichtliches staatliches Eigenlob wird aus westlicher Perspektive natürlich kritisch evaluiert. Das gängige, leider einseitige, Narrativ in den deutschen Medien ist, dass die chinesische Regierung versucht, mit dieser Propagandastrategie von ihren eigenen Fehlern in den ersten Wochen der Krise abzulenken. Die FAZ etwa meint, dass man nicht überrascht sein kann «wie die chinesische Führung die Corona-Krise publizistisch umzudeuten versucht. Ein System wie das chinesische kann nach eigenem Selbstverständnis keine grundlegenden Fehler machen.» Auch wenn die chinesische These, dass das Virus aus den USA stammt, absurd ist, diskreditiert ein Artikel wie dieser das gesamte Krisenmanagement Chinas und ist zudem eine Verzerrung der Tatsachen, zumal sich die chinesischen Behörden öffentlich bei der Familie von Li Wenliang entschuldigt haben und sich gerade im Umgang mit dem Coronavirus immer wieder auch selbstkritisch geäußert haben.

Nachdem sich die Situation in China gebessert hat, hat sich China bereit erklärt, andere Länder im Kampf gegen das Virus zu unterstützen. So wurden etwa Masken, Ärzte und Krankenhauspersonal aus China nach Italien geschickt. Dass diese Hilfeleistungen auch eine geopolitische Dimension haben, kann nicht bezweifelt werden, v.a. wenn Xi Jinping in einem Telefongespräch mit Giuseppe Conte von einer «Seidenstraße der Gesundheit» spricht. Es ist durchaus legitim, Chinas Absicht, seinen Einfluss in Europa auszubauen, an dieser Stelle hervorzuheben, allerdings wäre es nur konsequent in diesem Zusammenhang dann auch fragen, ob westliche Hilfeleistungen jemals uneigennützig oder frei von geopolitischen Ambitionen waren. Ein Kommentar wie zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung, der Chinas Hilfsleistungen in den Kontext stellt, dass China Staaten in Süd- und Osteuropa «mit scheinbar attraktiven Investitionen» locke, um dann «erbarmungslosen Druck» auszuüben, wenn sie Chinas Politik kritisieren, stellt nicht nur unlogische Zusammenhänge her, sondern wertet die chinesische Unterstützung ab, welche dringend benötigt wird, weil die EU hier vollkommen versagt.

Die EU hat China durch ihre eigene Politik die Möglichkeit eingeräumt, Einfluss in Europa zu gewinnen. Die mangelnde Solidarität innerhalb Europas hat dazu geführt, dass Griechenland zur Privatisierung von Piräus und damit in die Arme Chinas gedrängt wurde, dass sich Italien China zunehmend zuwendet und dass auch die mittel- und osteuropäischen Staaten den Dialog mit China suchen. Der Kommentar des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, dass die europäische Solidarität ein Märchen ist und nur China in der aktuellen Krisensituation helfen könne, macht das mangelnde Vertrauen in eine europäische Zukunft mehr als deutlich. Ja, China sucht wirtschaftlichen Profit und Macht auch in Europa, aber eine differenzierte Berichterstattung sollte den Blick dann auch auf die eigenen Verfehlungen lenken.

Fazit

China verändert die geopolitische Ordnung und wird zunehmend als systemischer Konkurrent wahrgenommen. Zum ersten Mal seit Ende des Kalten Krieges zeichnet sich wieder ein systemischer Konflikt ab, der sich in besonders zugespitzter Form in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen zeigt. China stellt durch seine ökonomische Expansionspolitik die Vorherrschaft des Westens in Frage und hält dabei dem Westen den Spiegel seiner eigenen Vergangenheit vor.

Eine ausführliche Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zur China-Berichterstattung in den deutschen Medien demonstriert, wie stark diese von einem «Messen der Systeme» bestimmt ist, gerade mit Blick auf die Diskursmuster in Berichten über internationale Beziehungen, Umwelt oder Wirtschaft. In der Berichterstattung zur Corona-Krise zeigt sich einmal mehr, wie entscheidend die Bewertung von Chinas Politik von Weltanschauung geprägt ist und von der impliziten (und in den meisten Fällen voreingenommenen) Frage geleitet wird, welches System legitim ist – nicht aber mit einem objektiven Blick darauf schaut, welches System das adäquatere Krisenmanagement betreibt.

Gerade auch ein Vergleich mit der Berichterstattung zum Krisenmanagement in anderen Teilen der Welt macht dies besonders deutlich. In Artikeln zum Umgang mit der Corona-Krise in anderen Teilen der EU oder anderen Demokratien wird auch kritisch reflektiert, aber die Sprache ist eine andere und die Kritik plötzlich nicht mehr allumfassend auf das politische System gerichtet, sondern auf konkrete Sachverhalte bezogen.

China als «Rivalen» oder als «Systemkonkurrenten» zu begreifen führt in die Irre. Wie gefährlich eine ideologisch aufgeladene Debatte und Politik in Bezug auf eine alternative gesellschaftliche und politische Ordnung werden kann, hat uns der Kalte Krieg gezeigt. Wir sollten einen kritischen, aber auch einen konstruktiven Austausch mit China führen und zwar nicht mit der Absicht, den anderen zu verändern - das wird ohnehin nicht funktionieren - sondern um mit Respekt voneinander zu lernen, wo wir Vorteile erkennen. Systemischer Pluralismus kann auch eine Chance sein, wenn es den politischen Willen gäbe, ihn als solchen zu begreifen. Zu einem Problem wird er dann, wenn er als Gefahr per se dargestellt wird und neue Feindbilder hervorbringt, indem das eigene System idealisiert wird.