Kommentar | Kommunikation / Öffentlichkeit - Westasien im Fokus Mit «Sportswashing» dem Virus trotzen

Saudi-Arabien will mit dem Kauf des englischen Fußballclubs «Newcastle United» sein Image aufpolieren

Information

St James' Park
St James' Park, das Heimatstadion des englischen Fußballclubs Newcastle United. Saudi-Arabien will den Verein für 300 Millionen Pfund kaufen. CC BY 3.0, Martin Le Roy, via Wikimedia Commons

Muhammad bin Salman ist spät dran, und vielleicht erklärt das die große Eile des saudischen Thronfolgers: Im Gegensatz zu den Nachbarstaaten am Golf setzt das Königreich erst seit kurzem darauf, sein Image mit Sportveranstaltungen zu verbessern. Dafür aber massiv: Muhammad bin Salman will den Kauf des englischen Fußballclubs Newcastle United durchboxen. Für die angeblich 300 Millionen Pfund, etwa 345 Millionen Euro, soll über ein Konsortium maßgeblich der saudische Staatsfonds PIF aufkommen. Angesichts der einbrechenden Ölpreise, des teuren Umbaus des Landes in der «Vision2030» und der Corona-Krise muss man sich fragen: Warum?

Christopher Resch arbeitet als freier Journalist vor allem zu Themen aus Westasien und Nordafrika und ist Herausgeber des Bandes «Medienfreiheit in Ägypten» (2015). Zuvor war er für das Goethe-Institut in Ägypten und Saudi-Arabien tätig.

Die reichen Golfstaaten haben «Sportswashing» schon länger als Strategie erkannt – und Saudi-Arabiens internationales Image ist nun wahrlich kein positives. Menschenrechtsorganisationen werfen dem Staat seit langem vor, Abweichler mundtot zu machen, Frauen zu unterdrücken und die schiitische Minderheit zu drangsalieren. Zudem sollen die Verstrickungen in den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 bis in höchste Regierungsämter reichen. Vor allem auch deshalb intensiviert das Land sein Engagement auf den «weichen» Feldern Kultur, Wissenschaft und eben im Sport. Im Dezember 2019 stieg am Rande der Hauptstadt Riad ein Schwergewichts-Boxkampf, von der saudischen PR «Kampf in den Dünen» getauft. Im Januar 2020 fand die Rallye Dakar statt, zum ersten Mal in Saudi-Arabien. Zeitgleich richtete der spanische Fußballverband in Djidda seinen Supercup aus, und ab 2023 soll die Formel 1 beim Großen Preis von Saudi-Arabien starten. Zuletzt hat sich Riad für die Ausrichtung der Asian Games 2030 beworben.

Das Königreich investiert Unsummen an Geld, war allerdings lange Zeit «der schlafende riesige Elefant im Raum», wie der saudische Journalist Ahmed Al Omran bemerkt. Die Nachbarn hatten die Potenziale gezielter Sportinvestitionen schon früher erkannt: Schon seit 1996 veranstaltet das Emirat Dubai das höchstdotierte Pferderennen der Welt. Zehn Jahre später richtete Katar die Asian Games aus, bevor die Vergabe der Fußball-WM 2022 an das kleine Land für heftigste Kontroversen sorgte und sorgt. Zusätzlich investierten die Vereinigten Arabischen Emirate wie auch Katar direkt in europäische Fußballclubs wie Manchester United und Paris Saint-Germain. Dass nun auch Saudi-Arabien solche Ziele verfolgt, wird an der «Vision2030» deutlich, dem ambitionierten Programm zur Modernisierung des Landes: Innerhalb der Projektlinie «Lebensqualität» soll «in ausgewählten Profi-Sportarten regionale und globale Exzellenz anvisiert» werden.

Bisher konnte Muhammad bin Salman davon ausgehen, dass die Staatskasse für all seine Projekte, auch für den Bau der futuristischen Mega-City Neom, prall genug gefüllt ist. Seit 2015 jedoch fällt der Ölpreis, im Gegenzug steigt die Staatsverschuldung stetig an, zudem verschlingt der humanitär katastrophale und militärisch unkluge Jemen-Krieg Unsummen an Geld. Wenn wegen der Corona-Krise der weltweite Verbrauch weiter abstürzt, muss sich Saudi-Arabien auf dramatisch sinkende Einnahmen einstellen. Dazu ist das Königreich im regionalen Vergleich stark von der Verbreitung des Virus betroffen – und reagierte zunächst ganz typisch, mit dem Füllhorn: Saudischen Bürger*innen, Expats und sogar Menschen, die «Aufenthaltsgesetze verletzen» wurde eine kostenlose Gesundheitsversorgung versprochen. Wohl auch wegen der Erfahrungen mit der MERS-Epidemie, die 2012 in Saudi-Arabien ausgebrochen war, hatten die Verantwortlichen zügig reagiert und Großveranstaltungen abgesagt. Die Absage der Hajj-Pilgerfahrt, zu der alljährlich mehrere Millionen Muslim*innen aus aller Welt nach Mekka kommen, wird diskutiert.

Nach Mekka pilgern sunnitische und schiitische Pilger*innen gemeinsam. Letztere besuchen jedoch regelmäßig auch religiöse Stätten im Nachbarland Iran, dem großen Rivalen der Saudis. Diese oft auch familiären Verbindungen zwischen den östlichen, schiitisch dominierten Regionen Saudi-Arabiens und Iran sind dem Herrscherhaus ein Dorn im Auge. Seit Beginn der Corona-Krise instrumentalisiert es dahingehend auch die Covid19-Bedrohung: Ausgehend von den ersten 15 Fällen, die das Virus allesamt aus Iran oder durch die Kontakte mit Iran-Besucher*innen eingeschleppt hätten, erfasse es nun das ganze Land. Aufhorchen ließ die zudem Nachricht, dass sich schon Anfang April etwa 150 Mitglieder der Königsfamilie angesteckt hätten.

Anfangs war die schiitische Region Ost-Qatif komplett abgesperrt, mittlerweile gilt landesweit eine Ausgangssperre von 15 Uhr bis 6 Uhr morgens. Problematisch wäre eine Ausbreitung des Virus vor allem in den dicht besiedelten Vororten rund um die großen Städte, wo vor allem die bis zu neun Millionen Gastarbeiter*innen leben. Es gibt Berichte, dass saudische Firmen sie nun nicht weiter beschäftigen und ihnen auch keinen Lohn mehr zahlen. Ob es diese Menschen zurück in ihre Herkunftsländer schaffen (wollen) und was dort angesichts des ausbleibenden Lohns mit ihnen und den Familien geschieht, ist ungewiss.

Es sagt einiges über ihn aus, dass Kronprinz Muhammad bin Salman auch in solchen Zeiten nicht von seiner Linie abrückt, die finanziellen Muskeln spielen zu lassen. Das war im – gewonnenen – Ölpreiskampf mit Russland so, als er lange eine unnötig hohe Fördermenge durchdrücken wollte, und danach sieht es auch in der Causa Newcastle United aus. Ein Indiz könnte ein Zitat von Amanda Staveley sein: Die Britin agiert seit Jahren in der Finanzwelt der Golfregion und ist eine der Kernfiguren des Investorenkonsortiums, das den Fußballclub kaufen will. 2008 vermittelte sie bereits die Übernahme von Manchester United durch das Königshaus von Abu Dhabi. Staveley sagte der in den Vereinigten Arabischen Emiraten erscheinenden Zeitung «The National» im Februar 2019: «Die Zeit, mutig zu sein und zu investieren, ist dann, wenn die Märkte schwanken.» Von Corona wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand, und es wäre zynisch, ihr diese Verknüpfung zu unterstellen. Aber ihre Geisteshaltung scheint gut zur saudischen Führung zu passen.