Die Moritzburg in Halle/Saale gehört zu den ersten Museen die vor 1918 schon zeitgenössische Kunst, etwa des Expressionismus sammeln. Wie auch in anderen progressiven Museen, etwa in der Kunsthalle in Mannheim, im Folkwang Museum in Essen oder in Museen in Hannover und Hamburg hängt vieles an den Direktoren. Diese sind Anhänger der Bewegung für eine Museumsreform, sie positionieren sich kultur- und kunstpolitisch, wollen die Museen von Einrichtungen für Gelehrte zu solchen «des Volkes» bzw. für Laien modernisieren. Diese Ideen gewinnen nach 1918/19 neuen Schub.
Die vorliegende Publikation erschien anlässlich einer Ausstellung in der Moritzburg, die am 12. Januar 2020 planmäßig beendet wurde. Der Beitrag der Moritzburg, heute das Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, zum Bauhaus-Jahr bestand in einer bisher so noch nicht vorliegenden Dokumentation der Erwerbungen und des (ehemaligen) Bestandes des Museums. Dies geschieht chronologisch geordnet entlang der Amtsperioden der Direktoren, v.a. Max Sauerlandt (1908-1919) und Alois Schardt (1926-1933). Der zweite, sich vor allem über die ausführlichen Texte erschließende Ebene sind die museums- und kunstpolitischen Ideen der Akteure und die Auseinandersetzungen dieser Periode.
1919 besitzen neben Halle allerdings nur zwölf weitere Museen im Deutschen Reich mehr als ein expressionistisches Gemälde. Immer wieder gibt es – vor und nach 1919 - große Debatten um die Anschaffungspolitik der (progressiven) Direktoren; Debatten, an die die Nazis dann mit ihrer Hetze gegen «undeutsche Kunst» später anknüpfen sollten. Bei Hetze bleibt es nicht nur in Halle nicht. Knapp 200 Werke aus der Moritzburg werden durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt, sie sind heute verloren oder in anderen Museen verstreut. Das Museum hat sich bis heute von dieser Plünderung nicht erholt. Es sind zwar quantitativ nicht viele Werke, die beschlagnahmt werden, es war aber der aussagekräftige Kern des damals beeindruckenden Bestandes. Die Publikation enthält auch einen umfangreichen Abschnitt zum Kunsthandwerk in der Moritzburg 1908-1933. In einem Exkurs wird schließlich die Ära des Direktorats von Gerhard Händler 1947-1949 dargestellt. Dieser flieht 1949 angesichts der sich abzeichnenden Einengung der Kulturpolitik und ist dann 1954 bis 1970 Direktor des Lehmbruck Museums in Duisburg.
Das opulent ausgestattete Buch durchweht etwas der Zug einer heute etwas ungewohnt wirkenden «Männer machen Politik»-Erzählung. Andererseits wird es dadurch ermöglicht, zu referieren, wie nicht nur die Kommunalpolitik und die personellen Netzwerke wirklich agierten, etwa welche prägende Rolle Sauerlandt nach seinem Weggang immer noch spielte. Die Rolle von Schardt, der sich im Nationalsozialismus erst anpasst, wird nicht größer problematisiert. Er geht 1939 ins Exil.
Die Publikation enthält 533 farbige Abbildungen und 126 in schwarz-weiß und ist optisch und von der Ausstattung sehr beeindruckend. Sie bietet, trotz kleiner Kritikpunkte einen gelungenen Einblick in Kunst und Museumspolitik der Weimarer Republik; und ist gerade in der Verschränkung und Verbindung von Kunst und «Politik» spannend zu lesen und empfehlenswert. Nicht zuletzt wird die (historische) bedeutung dieses Museums mehr als deutlich.
Thomas Bauer-Friedrich, Christian Philipsen (Hrsg.): Bauhaus - Meister - Moderne. Das Comeback; E.A. Seemann Verlag, Leipzig 2019, 448 Seiten, 40 EUR