Nachricht | Goyens: Radical Gotham. Anarchism in New York City, 2017

Historische Einblicke in eine radikale Metropole der USA

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Autor

Frank Jacob,

Keine Stadt symbolisiert den US-amerikanischen Kapitalismus so sehr wie New York. Gleichzeitig war und ist die Stadt der Nährboden vieler linksradikaler Intellektueller und politischer Bewegungen, insbesondere des transatlantischen Anarchismus. Wie sich die Radikalität dieser US-Metropole aus historischer, vor allem anarchistischer Sicht immer wieder veränderte, neu erfand oder ausrichtete und die Anarchistinnen und Anarchisten auf globale Veränderungen reagierten, wird in dem von Tom Goyens edierten Sammelband Radical Gotham eingehend und in zahlreichen spannenden Beiträgen vorgestellt bzw. nachgezeichnet.

Tom Goyens beginnt den Band mit einer Diskussion der Rolle und des Einflusses des deutschen Einwanderers Johann Most (1846-1906) (S. 12-32), der das anarchistische Milieu der New Yorker Lower East Side entscheidend bestimmte und der nächsten Generation um Emma Goldman oder Alexander Berkman die Grundgedanken des Anarchismus vermittelte. Im Anschluss daran zeigen die Beiträge von Kenyon Zimmer (S. 33-53), Marcella Bencivenni (S. 54-76) und Christopher J. Castañeda (S. 77-99) wie jiddischer, italienischer und spanischer Anarchismus der entsprechenden Einwanderungsgemeinschaften die politische Landschaft New Yorks geprägt haben. Darüber hinaus werden aber auch anarchistische Tendenzen innerhalb des katholischen Milieus der Stadt, die vor allem von irischen und polnischen Immigrantinnen und Immigranten gebildet wurden, eingehender betrachtet (Anne Klejment, S.100-121).

Der zweite Teil des Sammelbandes widmet sich dem Anarchismus in der US-Metropole seit Beginn der 1940er Jahre, also in einer Phase, in der die anarchistische Bewegung zunächst stark an Einfluss eingebüßt hatte. Dessen ungeachtet offerieren die Beiträge, die sich neben der Occupy Wall Street Bewegung (Heather Gautney, S. 221-240) unter anderem mit radikalen Räumen, wie etwa dem Living Theatre (Allan Antliff, S. 142-160), 1947 von Judith Malina und Julian Beck ins Leben gerufen, oder im Besonderen mit dem Kulturzentrum ABC Rio (Allan W. Moore, 201-220), auseinandersetzen, einen durchaus breit angelegten Einblick in die Geschichte des Anarchismus in der amerikanischen Metropole.

Insgesamt betrachtet ist der Sammelband eine sehr gute Ergänzung anderer Überblicksdarstellungen zum US-Anarchismus, wobei der Fokus auf New York besonders interessant sein dürfte. Jedem, der sich mit den globalen Entwicklungslinien des Anarchismus vom späten 19. bis zum 21. Jahrhundert befassen möchte, und das nicht nur mit Blick auf Europa, sei dieser Sammelband besonders empfohlen.

Tom Goyens (Hrsg.): Radical Gotham: Anarchism in New York City from Schwab’s Saloon to Occupy Wall Street; Illinois University Press 2017, 270 Seiten, 28 USD