Nachricht | Alles ist Dada. Emmy Ball-Hennings; Berlin 2020

Graphic Novel über die - immer noch - unbekannte Dadaistin

Information

Emmy Ball-Hennings Leben ist gekennzeichnet von ihrer künstlerischen Produktion, Armut, Drogensucht – und ihrer Bekanntschaft mit vielen Männern der künstlerischen Avantgarde des beginnenden 20. Jahrhunderts. Geboren 1885 in Flensburg entflieht sie früh der spießbürgerlichen Enge – und landet im letztendlich auch patriarchalen Milieu der Bohème jener Jahre. Ein rastloses, anstrengendes Leben, in dem sie sich auch zu Behebung der materiellen Not prostituiert, beginnt. Ein Leben, das erst viel später, in der Schweiz, ruhiger werden soll. Sie ist aber auch Dichterin, Kabarettistin, engagierte Sängerin und Autorin, zusammen mit Hugo Ball muss sie im Mai 1915 nach Zürich fliehen. Dort werden die beiden 1916, zusammen mit Tristan Tzara, mit ihrem Cabaret Voltaire, die «Erfinder» des Dadaismus. Ball, die beiden heiraten 1920, wird bereits 1927 an Magenkrebs versterben, Ball-Hennings, die wichtige Akteurin bei der «Geburt» des Dadaismus, kümmert sich um die Tradierung ihrer beider Vergangenheit, schreibt weiter, und verstirbt erst 1948.

Fernando Gonzáles Viñas, der Texter dieser Graphic Novel, ist Historiker und Kunsthistoriker, er hat einige Werke von Hennings ins Spanische übersetzt. Seine Expertise ist dem Comic-Buch positiv anzumerken. Die Zeichnungen (von Fernando Gonzáles Viñas) sind eher realistisch, ja teilweise naiv, und trotzdem sehr beeindruckend. In vielen Bildern ist die «sichtbare» Entbehrung und Qual in Emmys Gesicht überwältigend.

Eine schön gestaltete Biografie also, die die Leser_inenn in ihren Bann zieht; und sich einige kleine Freiheiten nimmt: So wird eine Begegnung mit Lenin, die es so nie gab, hinzuerfunden, auch wenn dieser gleichzeitig wie Ball und Hennings in Zürich im selben Stadtteil war. LeserInnen mit etwas Vorwissen zum Thema haben vermutlich etwas mehr von der Lektüre, da sie die zahlreich vorkommenden, mehr oder minder prominenten, Personen schon «kennen». Ob Hennings wirklich eine «Jahrhundertfrau der Avantgarde» war, wie es die FAZ einmal schrieb, muss die Leserin dann selbst entscheiden. Das Buch ist jedenfalls eine angenehme und lohnenswerte Lektüre zu einem radikalen, und erinnernswerten Leben.

Fernando Gonzáles Viñas/José Lázaro: Alles ist Dada - Emmy Ball-Hennings; avant-Verlag, Berlin 2020, 232 Seiten, sw, 25 EUR