Nachricht | Steininger: Ein Kämpfer für Freiheit und Menschlichkeit, München 2020

Gute Biografie zum 150. Geburtstag von Gustav Landauer

Information

Der 150. Geburtstag des libertären Sozialisten Gustav Landauer am 7. April wäre aufgrund der Coronakrise – Veranstaltungen wurden überall abgesagt – beinahe unbemerkt verstrichen. Dass dem dennoch nicht so war, ist auch dem gerade erschienenen Buch von Rita Steininger zu danken. Eine kurzweilige Biografie des bedeutenden Essayisten und Revolutionärs, dem vergangenes Jahr eine Ausstellung in Berlin gewidmet war, fehlte bisher.

1870 in Karlsruhe geboren kommt Landauer 1889 zum Studium nach Berlin, wo er sich unter dem Eindruck des proletarischen Elends in der rasant wachsenden Metropole politisiert. Die sozialistische Bewegung hat zu dieser Zeit starken Zulauf. Landauer besucht sozialdemokratische Veranstaltungen, ist in einer klandestinen Studentenorganisation aktiv und tritt der «Freien Volksbühne» bei. Ein paar Jahre später ist er bereits ein bekannter Redner und Redakteur des «Sozialist», zunächst das Blatt des «Vereins unabhängiger Sozialisten», dann der jungen anarchistischen Bewegung. Im Oktober 1892 gründet Landauer die «Neue Freie Volksbühne» mit und ist um 1900 im innersten Kreis der «Neuen Gemeinschaft» aktiv, die seit 1901 auf der Uhlandstraße ein «Gemeinschaftsheim» unterhält: Es gibt eine Bücherei und eine Kunstwerkstatt. Versammlungen, Ausstellungen, Lesungen, Theateraufführungen und gemeinsame Mahlzeiten werden organisiert. Jahre später wird Landauer mit dem «Jüdischen Volksheim» ein ähnliches, doch im proletarischen Scheunenviertel gelegenes Projekt unterstützen, das – als eine Art soziales Zentrum – neben Erwachsenenbildung auch eine offene Werkstatt, ein Jugendlesezimmer, Mütterberatung und Kinderbetreuung anbietet.

Jan Rolletschek (Berlin) wurde 1978 geboren. Er ist Kulturwissenschaftler, promoviert über die Spinoza-Rezeption Gustav Landauers und ist Gründungsmitglied der Gustav Landauer Initiative n.e.V.

Ein persönliches Portrait

Die organisatorische Arbeit Landauers wird jeweils präzise skizziert, etwa seine Beteiligung am Streik der Konfektionsarbeiter*innen von 1896, die Gründung des «Sozialistischen Bundes» 1908 oder seine Rolle während der Novemberrevolution in München. Doch steht sie nicht im Zentrum der Biografie. Die hauptsächlichen Quellen bilden die Briefwechsel. Aus ihnen entsteht ein sehr persönliches Portrait des Liebenden, des Freundes und Vaters. Sogar eine Sammlung von Briefen seiner Töchter an Landauer hat die Autorin ausgewertet. Ihr Schicksal verfolgt sie noch bis in die Zeit des Nationalsozialismus oder ins Exil.

Auch wichtige Weggefährten Gustav Landauers werden jeweils vorgestellt, darunter Fritz Mauthner, der Publizist und väterliche Freund, der Landauer bei seiner Ankunft in Berlin und auch später immer wieder unterstützt; Martin Buber, den Landauer – wie auch Erich Mühsam – in der «Neuen Gemeinschaft» kennenlernt; und Kurt Eisner, den ersten Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern. Überall legt Steininger Fährten für weiterführende Lektüren. Ein eigenes Kapitel ist Landauers zweiter Frau, der Dichterin Hedwig Lachmann gewidmet. Als sie 1918 einer Lungenentzündung erlag, hat ihn dies schwer getroffen.

Der Text zeichnet sich durch eine beachtliche Referenzfülle bei gleichzeitig guter Lesbarkeit aus. Obgleich als Einführung für ein breites Publikum geeignet, ist das Buch auch im wissenschaftlichen Kontext zu gebrauchen, da die zitierten Quellen im Anhang jeweils ausgewiesen sind. Mit zwei Bildstrecken teils kaum bekannter Fotos, einer Zeittafel und einem Personenregister ist die Biografie auch sonst gut ausgestattet.

Rita Steininger: Gustav Landauer. Ein Kämpfer für Freiheit und Menschlichkeit, Volk-Verlag, München 2020, 208 Seiten, 18 Euro

Die Rezension ist zuerst erschienen in: Der Rabe Ralf. Die Berliner Umweltzeitung, Jg. 31, Nr. 216 (Juni/Juli 2020), S. 27.