Es fällt trotz der Lobeshymnen auf, dass nahezu alle Politiker und Wissenschaftler neben den Fortschritten im Vereinigungsprozess auch auf Defizite in der Entwicklung verweisen. Das betrifft insbesondere die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen Ost und West, aber auch den geringschätzigen Umgang mit Ostbiographien. Wie sich tatsächlich der Prozess der staatlichen Einigung Deutschlands nach Überwindung der vierzigjährigen Zweistaatlichkeit vollzog, kann nur mit einer systematischen Erforschung der Geschichte beider deutscher Staaten auf gleicher Augenhöhe und adäquatem Quellenzugang geleistet werden. Davon sind wir derzeit noch weit entfernt. Während die Geschichte der Bunderepublik fast immer von ihrer Ausgangssituation 1949 erzählt wird, dominiert bei der Sicht auf die DDR zu häufig der Blick von ihrem Ende 1989/90 her.
Fünf Wissenschaftler aus dem Umfeld der Rosa-Luxemburg-Stiftung haben sich in kurzen Vorträgen zu wichtigen Themen des Verhältnisses zwischen beiden deutschen Staaten und dem Weg in die deutsche Einheit geäußert.
- Erhard Crome trägt Gedanken zur Außenpolitik von DDR und BRD und den äußeren Bedingungen für den Weg in die deutsche Einheit vor.
- Detlef Nakath und Gerd-Rüdiger Stephan beschäftigen sich mit der Deutschlandpolitik und den deutsch-deutschen Beziehungen bis 1990.
- Rainer Land geht der Rolle der Wirtschafts- und Sozialpolitik beim Weg in die deutsche Einheit nach.
- Wolfgang Girnus fragt nach dem Platz von Wissenschaft und Kultur bei der deutschen Vereinigung.
Daraus entstanden im August 2020 Videoaufzeichnungen, die für eine Diskussionsveranstaltung in Almaty (Kasachstan) vorgesehen sind. Angesichts der Aktualität des Themas übernehmen wir diese Vorträge auch in unser Dossier zu «30 Jahre Transformation in Osteuropa».
Der Weg in die deutsche Einheit
Vier Vorträge, vier Sichten