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Die postsozialistische Transformation Bulgariens

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Bulgarien war das erste postsozialistische Land, in dem Schulschließungen getestet wurden
Bulgarien war das erste postsozialistische Land, in dem Schulschließungen getestet wurden – nach dem bulgarischen Experiment gab die Weltbank jedoch niemals wieder Empfehlungen für die Schließung von Schulen in anderen Ländern ab.

Nur wenige der Entwicklungen, die Bulgariens Transformation nach 1989 gesehen hat, waren das Ergebnis populärer demokratischer Politik. Ein Großteil von ihnen stand vielmehr im Kontext der weltweit stattfindenden Hinwendung zur neoliberalen Globalisierung. Einigen in Bulgarien gängigen Darstellungen zufolge waren die politischen Veränderungen nicht einmal besonders revolutionär: Viele betrachten diese Zeit als eine Phase der politökonomischen Anpassung und neuerlichen Befestigung der ehemaligen Eliten. Auffassungen wie diese haben – dem Ende des staatssozialistischen Regimes vor 30 Jahren zum Trotz – einen hartnäckigen, oft instinkthaften Antikommunismus am Leben erhalten. Wenn die gängigen politischen, medialen und populären Erzählungen im Land uneins darüber sind, ob die Veränderungen zu viel Kapitalismus, zu wenig Kapitalismus oder nicht die richtige Art von Kapitalismus (sondern eine mangelhafte balkanisierte Variante) hervorgebracht haben, so ergibt das einen ziemlich breiten Konsens darüber, dass die Transformation ihr Wohlstandsversprechen nicht eingelöst hat. In diesem Beitrag werden einige der sozioökonomischen Kosten der in den letzten 30 Jahren in Bulgarien unternommenen «Reform»-Versuche herausgestellt. Diese sind in der Ausführung zwar häufig chaotisch und experimentell gewesen – ausgesprochen konsequent waren sie jedoch in ihrer neoliberalen Logik kompromissloser Sparpolitik, die der Privatwirtschaft den Boden bereiten sollte.

Veronika Stoyanova unterrichtet als Soziologin an der Universität Kent, Canterbury. Ihre Doktorarbeit konzentrierte sich auf die jüngsten Protestmobilisierungswellen in Bulgarien im Kontext des postsozialistischen «Übergangs» des Landes zu liberaler Demokratie und Marktwirtschaft.

Die ersten anderthalb Jahrzehnte des Übergangs waren von Forderungen nach «strukturellen Reformen» beherrscht, die notwendig seien, um die «exzessiven Ausgaben» des sozialistischen Staates zu kürzen[1]. Diese Reformen wurden zumeist unter der Ägide der internationalen Finanzinstitutionen durchgeführt, wobei Bulgarien im Gegenzug Strukturanpassungsdarlehen erhielt. In der zweiten Hälfte des zu betrachtenden Zeitraums (beginnend mit dem EU-Beitritt des Landes 2007) wurden weitere, genauestens von der Europäischen Kommission überwachte Reformen durchgeführt, die auf die «Optimierung» einer Reihe staatlicher Systeme (etwa des Gesundheits- und Bildungswesens sowie der Justiz) abzielten. Mit fünf demokratisch gewählten Kabinetten und vier Übergangsregierungen waren die ersten sieben Jahre nach 1989 außerdem besonders politisch instabil. Als Gegenleistung für die Finanzhilfe begann Bulgarien, die Richtlinien des IWF und der Weltbank umzusetzen und die Preise schockartig zu liberalisieren (97 Prozent aller Preise, einschließlich der Lebensmittelpreise, wurden im Februar 1991 auf einen Schlag liberalisiert, was eine hohe Inflation auslöste). Außerdem sahen diese Richtlinien die Senkung von Subventionen, Löhnen und Sozialausgaben sowie eine rasche Einleitung der Privatisierung vor.

Unter den ersten Regierungen lief die Privatisierung staatseigener Unternehmen nur langsam an (10 Prozent bis 1996). Der Verlust der Märkte des RGW[2] hatte zur Folge, dass viele Fabriken ihren Betrieb so gut wie einstellten, was es noch einfacher machte, Menschen zu entlassen, die dann mit einem schnell schrumpfenden sozialen Sicherungssystem konfrontiert waren. Im Zuge der Landrückgabe und der Schließung von landwirtschaftlichen Kooperativen und Kleinunternehmen im ländlichen Bulgarien während der ersten Phase der Transformation waren Tausende gering qualifizierter Arbeitskräfte, darunter viele Roma, besonders stark von Entlassungen betroffen. Über die nächsten drei Jahrzehnte würde es zu einer immer weiteren Vertreibung von Tausenden von Roma kommen, da ihre selbstgebauten Häuser, die unter dem früheren Regime «geduldet» worden waren, nun für illegal erklärt wurden, weil die neoliberalen städtischen Behörden Platz für das neue private Baugewerbe freizumachen suchten[3].

Die erste Welle von Massenentlassungen im Jahr 1990 richtete sich gegen hochqualifizierte Arbeitskräfte. Die Hoffnung bestand darin, dass sie sich umschulen lassen und eine Beschäftigung im neu entstehenden privaten Sektor finden würden. Viele von ihnen wanderten jedoch stattdessen aus. Für diejenigen, die ihre Arbeitsplätze behalten konnten, fiel der Reallohn dramatisch (1991 um 66,7 Prozent). Bis 1997 sank der Mindestlohn um das 3,4-fache (und der Durchschnittslohn um das 2,2-fache) des realen BIP pro Kopf. Obwohl die Löhne seit 1997 kontinuierlich gestiegen sind, ist dieser Rückstand erhalten geblieben – einige jüngere Analysen zeigen, dass die Löhne in Anbetracht des derzeitigen Niveaus des BIP pro Kopf doppelt so hoch sein könnten wie sie sind.

Inmitten einer schweren Finanz- und Währungskrise Ende 1996 wurde ein Currency Board eingesetzt, das nun alle wirtschaftspolitischen Entscheidungen dem IWF überließ. Die Wahlen im selben Jahr brachten zudem eine rechte Regierung hervor, die den Privatisierungsprozess beschleunigte und in den nächsten vier Jahren weitere 275.000 Arbeitsplätze abbaute. Zugleich dezimierte man die soziale Sicherung für diejenigen, die ihre Arbeit verloren hatten – eine «Reform», die durch ein Sozialschutz-Anpassungsdarlehen des IWF finanziert wurde. Die mit diesen Darlehen verbundenen Bedingungen drängten den «großen» sozialistischen Staat in den folgenden Jahren auf Kosten der Leben und Existenzgrundlagen vieler Menschen zurück. So sank z.B. der Beitrag zum staatlichen Arbeitslosenfonds von 7 Prozent auf 1 Prozent, wobei die Last der Finanzierung nun gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen werden sollte; der Zugang zu höheren Renten für 140.000 Beschäftigte in gefährlichen Berufen wurde abgeschafft; und es wurden neue Arbeitsgesetze eingeführt, um eine erbarmungslos entrechtete «flexible» Arbeitnehmer*innenschaft zu erzeugen, während zugleich den Gewerkschaften ihre Verhandlungsmacht gegenüber den nun symbiotisch verbundenen Vertretungen von Staat und Wirtschaft genommen wurde. Um die Sozialausgaben zu reduzieren, machten diese Reformen Einsparungen zu Lasten der Schwächsten, während sie in vielen Fällen zugleich die Kosten für die Verwaltung erhöhten, deren Aufwand im Zusammenhang mit der Anwendung restriktiverer Kriterien anstieg. Wie die Gewerkschafterin Vanya Grigorova zusammenfasst, erniedrigt das soziale Sicherungssystem die Menschen eher, als dass es sie schützt: Wer es schafft, sich den extrem restriktiven Kriterien einzufügen und den richtigen Weg durch den massiv bürokratisierten Antragsstellungsprozess zu finden, erhält am Ende beschämend geringe Leistungen, die weit unterhalb der offiziellen Armutsgrenze liegen. Der Energiesektor wurde privatisiert (wobei heute zwei der drei Stromversorger tschechischen bzw. österreichischen Staatsunternehmen gehören), was die Preise in die Höhe getrieben hat – heute gilt fast die Hälfte der Bulgar*innen als von «Energiearmut» betroffen. Infolge von Gesundheitsreformen, die die Arbeitgeberbeiträge senkten und allgemeine «finanzielle Stabilität» versprachen, wurden die Arbeitnehmer mit den Kosten eines zunehmend unzureichenden Gesundheitssystems allein gelassen. Zwischen 2001 und 2011 schlossen unter der Ägide der Weltbank 800 Schulen ihre Türen – Kinder aus betroffenen Gemeinden wurden nun mit Schulbussen in die nächstgelegenen Schulen transportiert und in größere Klassen zusammengelegt; viele von ihnen brachen die Schule ab. Auch hier waren die Roma wieder am stärksten betroffen. Bulgarien war das erste Land, in dem Schulschließungen getestet wurden – nach dem bulgarischen Experiment gab die Weltbank jedoch niemals wieder Empfehlungen für die Schließung von Schulen in anderen Ländern ab.

In der Zeit nach dem EU-Beitritt Bulgariens im Jahr 2007 wurden unter Aufsicht der Europäischen Kommission noch mehr Reformen zur weiteren «Optimierung» der sozialen Einrichtungen durchgeführt. Ein Moratorium für die Privatisierung staatlicher Krankenhäuser von 2001 wurde 2008 aufgehoben, wobei seither jedoch noch keine Privatisierungen stattgefunden haben. Außerdem gibt es wiederkehrende Forderungen nach der Privatisierung von Universitäten, von der auch sie jedoch bisher verschont geblieben sind. Stattdessen wurden jene Krankenhäuser, Universitäten und Schulen, die das vergangene Jahrzehnt überlebt haben, Vermarktlichungsreformen unterworfen – eine staatliche Grundfinanzierung, die sie dazu zwingt, um andere, projektgebundene Fördermittel zu konkurrieren, sowie verschiedene Rankingsysteme wurden dazu benutzt, die Logik ihrer Arbeitsweise umzukehren: von der Bereitstellung einer öffentlichen Dienstleistung hin zur Erwirtschaftung eines Profits. Nach mehreren Jahren der Vermarktlichung sind die Systeme von Gesundheit und Bildung heute stark unterfinanziert, unterbesetzt, und in der Qualität ihrer Leistungen oft unzureichend. Zudem sind sie beide durch ein erhebliches Maß an sozialer Ausgrenzung gekennzeichnet: Über zwei Millionen Menschen sind nicht krankenversichert – und diejenigen, die es sind, zahlen die höchsten Selbstbeteiligungen in der gesamten EU. Die jüngsten Daten zum Schulsystem zeigen, dass in ländlichen Regionen ein Drittel der Kinder die Schule vorzeitig abbricht, wobei der Anteil unter Kindern von Roma mit 67 Prozent sogar noch deutlich höher ist.

Nachdem die internationalen Finanzinstitutionen jahrelang auf eine Senkung der «Steuerlast» hingedrängt hatten, führte Bulgarien 2008 einen Pauschalsteuersatz von 10 Prozent ein. Das praktisch regressive Steuersystem hat die ohnehin schon großen sozialen Ungleichheiten seither noch verstärkt: Die Einkommen der reichsten 20 Prozent sind durchschnittlich achtmal so hoch wie die der ärmsten 20 Prozent – der EU-Durchschnitt liegt bei einem Faktor von fünf. Und obwohl die durchschnittliche Arbeitsproduktivität in Bulgarien bei der Hälfte des EU-Durchschnittswerts liegt, betragen die Löhne nur ein Fünftel. Es sind vor allem diese Lohnunterschiede in Zusammenhang mit dem beständigen Verlust von Rechten und Sicherheiten, die seit 1989 Millionen von Bulgar*innen aus dem Land getrieben haben.

Allein bis 2005 wanderten fast 1 Million Menschen (das sind über 12 Prozent der bulgarischen Bevölkerung) aus[4], wobei die Öffnung der EU-Grenzen im Jahr 2007 und der weltweite ökonomische Zusammenbruch von 2008 einen weiteren Massenexodus auslösten[5]. Viele gingen dazu über, die mageren und prekären Einkommen zu Hause durch Saisonarbeit im Westen aufzustocken – in einer neuen Form von Arbeitsteilung, die die Versorgung westlicher landwirtschaftlicher Betriebe mit billigen Arbeitskräften sicherstellt, während die Kosten der Kranken- und sonstigen Sozialversicherung dem verarmten bulgarischen Staat überlassen bleiben.

Die neuen Formen prekärer Arbeitsmigration haben viele Leben schwer gezeichnet. Kinder wuchsen oft unter der Obhut ihrer Großeltern auf und sahen ihre Eltern nur über Skype. Zudem ist eine neue Gruppe von «transnationalen alternden Pflegepersonen»[6] entstanden – Menschen fortgeschrittenen Alters, die ihre ausgewanderten Kinder bei der Kinderbetreuung unterstützen, oder Migrant*innen mittleren Alters, die ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren alternden Eltern nachzukommen versuchen (wobei einige von ihnen die Verpflichtungen von Kinderbetreuung und Altenpflege miteinander vereinbaren müssen)[7]. Diese durch familiäre Fürsorge motivierte Mobilität beeinträchtigt jedoch die soziale Sicherung der Betroffenen sowohl in Bulgarien als auch in den Ländern, in die sie einwandern, da sie ihren Zugang zu den staatlichen Sozialsystemen einschränkt oder sie sogar davon ausschließt, was wiederum neue Formen geschlechtsspezifischer und intergenerationeller Ungleichheiten hervorbringt[8].

Diese neue internationale Arbeitsteilung hat außerdem «einen Bruch in der Geographie von Produktion und sozialer Reproduktion» bewirkt, wobei die soziale Reproduktion auf den dezimierten bulgarischen Sozialstaat verwiesen, vor allem aber in die Haushalte zurück verlagert wird. Dies hat in der Folge zu einer Zunahme des politischen Stellenwerts der Familie und der von Frauen geleisteten Pflegearbeit beigetragen, was die ausgeprägte konservative Wende, die in der Region und über sie hinaus zu beobachten ist, zum Teil noch verstärkt hat.

Es sind vor allem Frauen und Migrant*innen, die einem immer größer werdenden Druck seitens der Konservativen ausgesetzt sind. Im Anschluss an eine «Anti-Gender»-Kampagne, die von Rechtsextremen initiiert, aber weit darüber hinaus aufgegriffen wurde, weigerte sich Bulgarien 2018, das Istanbuler Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu ratifizieren. In der Zwischenzeit haben rechte politische Parteien und Medien Geflüchtete und Roma immer wieder als «Sicherheits»-Probleme dargestellt und rassistische und ausgrenzende Politik befürwortet, was zum Beispiel dazu geführt hat, dass Bürgerwehren an der türkischen Grenze patrouillieren, um Geflüchtete zu «jagen». Außerdem werden in Roma-Vierteln regelmäßig Häuser abgerissen. Die «Gender»-Hexenjagd und die Panikmache gegenüber Roma und Geflüchteten stand jedoch nicht nur bei rechten Parteien im Fokus. Auch nominell liberale öffentliche Intellektuelle und die wirtschaftsfreundliche[9] und zunehmend sozialkonservative Sozialistische Partei Bulgariens haben diese Themen oft mit der gleichen Begeisterung bespielt wie ihre rechten Pendants[10].

In der Regel werden die Roma mithilfe einer Reihe unwahrer Narrative zu Sündenböcken gemacht, wobei diese Geschichten im nächsten Schritt zur Rechtfertigung weiterer Haushaltskürzungen herangezogen werden. Die Behauptung, die Roma würden das «großzügige» bulgarische Sozialsystem ausnutzen, wird gebraucht, um die Einführung immer restriktiverer Kriterien für den Zugang zu Sozialhilfe zu legitimieren. Die Behauptung, die Roma würden Strom aus Hochspannungsleitungen stehlen, dient als Erklärung für exorbitant hohe Stromrechnungen. Die Behauptung, die Roma würden keine Krankenversicherungsbeiträge zahlen, wird benutzt, um für die Einschränkung des Zugangs zu medizinischer Notfallversorgung zu argumentieren. Und so weiter.

Diese unwahren Narrative laufen dabei stets auf das Allheilmittel ausländischer Direktinvestitionen (ADI) hinaus – während die meisten führenden politischen Parteien (und Medien) die «Massen» als faul, unproduktiv und der staatlichen Unterstützung unwürdig verunglimpfen, preisen sie die mythenhafte Erlöserfigur des ausländischen Investors und machen ihr Gelöbnis, ADI ins Land zu «locken», immer wieder zu einem zentralen Wahlversprechen. Ironischerweise waren im Jahr 2019 bulgarische Arbeitsmigrant*innen der größte «ausländische Direktinvestor», insofern ihre offiziell verzeichneten Überweisungsströme die der ADI überstiegen[11].

In ihrem Verlangen nach ADI wiederholten die politischen Parteien regelmäßig das Mantra des «guten Investitionsklimas» und betonten dabei die pauschale Körperschaftssteuer von 10 Prozent und die gut ausgebildeten, aber billigen Arbeitskräfte. In den letzten zwei Jahrzehnten waren ADI jedoch hauptsächlich in Form von Unteraufträgen für die ressourcen- und arbeitsintensive Produktion (z.B. von Bekleidung) in Branchen mit geringer Wertschöpfung zu verzeichnen, die «auf Sozialdumping, die Aufrechterhaltung niedriger Lohnkosten und einen Wettlauf um die niedrigsten Steuern und Auflagen angewiesen sind». In der Praxis hat die bulgarische Transformationsökonomie mit ihren «Verkaufsargumenten» eines pauschalen Steuersatzes von 10 Prozent und billiger Arbeitskräfte also eine extreme Unterfinanzierung der öffentlichen Einrichtungen und eine erniedrigende Verschlechterung der Löhne und Arbeitsbedingungen bewirkt – und damit genau die Missstände erzeugt, aufgrund derer sich so viele Bulgar*innen für die Auswanderung entschieden haben.

Wie diese kurze Betrachtung zeigt, haben die letzten drei Jahrzehnte unerbittlichen Drängens auf «Finanzdisziplin», Optimierung, Flexibilität und Mobilität die Leben und Existenzgrundlagen vieler Menschen zerstört und zu Unsicherheiten, sozialen Verwerfungen und einer Rückkehr zu konservativen Ideologien geführt. Hinzu kommt, dass viele der politischen Maßnahmen zur Senkung der Kosten und zur Gestaltung eines unternehmensfreundlichen Umfelds überhaupt nicht funktionieren: Wenn man Schulen schließt, werden Schulabbrüche folgen; und wenn man nicht für würdevolle Löhne und soziale Sicherung sorgt, dann werden die Menschen das Land verlassen.
 

[Übersetzung von Thomas Zimmermann]


[1]             Wie sich an ihrer Sprache ablesen lässt, ist die vorherrschende Logik der Weltbank streng utilitaristisch: «die Reduzierung der Ausgaben für Aktivitäten, bei denen das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu hoch ist» (S.6), «Reallokation von Haushaltsausgaben», «drastische Kürzung der Staatsausgaben». World Bank (1991) Bulgaria: Crisis and Transition to Market Economy. A World Bank Country Study, Vol. 1.

[2]             Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (1949-1991) – die von der Sowjetunion angeführte wirtschaftliche Vereinigung der staatssozialistischen Länder.

[3]             Ivancheva, M. (2015) From Informal to Illegal. Intersections. East European Journal of Society and Politics1(4), S.38-54.

[4]             Die genaue Zahl ist 937.341 (entspricht 12,1 Prozent der Bevölkerung). In Chindea, M. Majkowska-Tomkin, H. Maltila and I. Pastor (2008), Migration in Bulgaria: A Country Profile, Sh. Siar (Hrsg.), International Organization for migration.

[5]             Allein im Jahr 2018 wanderten jeden Tag 74 Bulgar*innen nach Deutschland aus. In Dnevnik (2019), 2018 wanderten jeden Tag 74 Bulgaren nach Deutschland aus.

[6]             Deneva, N. (2012) Transnational aging carers: on transformation of kinship and citizenship in the context of migration among Bulgarian Muslims in Spain. Social Politics19 (1), S.105-128.

[7]             Die alternden migrantischen Pflegepersonen wechseln ihren Wohnort teilweise bis zu fünfmal jährlich, also ca. alle zwei Monate. (Ebd.)

[8]             Ebd.

[9]             So war es z.B. die Sozialistische Partei Bulgariens, die 2006 den Einheitssteuersatz von 10 Prozent einführte.

[10]           Tsoneva, J, und Stoyanova, V. (noch nicht erschienen) Europe, Islam and the Roma: liberalism and the manufacture of cultural difference.

[11]           Schon zuvor hatten sie in jedem Jahr seit 2004 durchgehend etwa ein bis zwei Drittel der externen Finanzierung beigesteuert. In einigen der am stärksten benachteiligten Regionen leben ganze Familien fast vollständig von den Überweisungen von Verwandten, die im Ausland arbeiten. In Minchev et al (2012). Die bulgarische Emigration: Theorie, Politik, empirische Forschung. Institut für Wirtschaftsforschung, Bulgarische Akademie der Wissenschaften. Sofia: Ikopis.