Deutsche Geschichtspolitik
Um die Vergangenheit für das "nationale Selbstbewusstsein" nutzbar zu machen, bedarf es Bearbeitungsformen, Gedenkrahmen, Erinnerungsorte oder: sichtbarer Zeichen. Jan Korte und Gerd Wiegel, Herausgeber eines Sammelbandes zu "neuer deutscher Geschichtspolitik", sehen im dazugehörigen Diskurs zwei Tendenzen: zum einen die verstärkte Wendung
weg von deutscher Tätergeschichte hin zu deutscher Opfererinnerung, zum anderen die totalitarismustheorethische Parallelisierung von Nationalsozialismus und Realsozialismus. Die verschiedenen Beiträge folgen dieser Einschätzung, so dass sich ein roter Faden durch den Band zieht. Mit der "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" wird nicht nur
das Leid der Deutschen ins kollektive Gedächtnis zurückgeholt, sondern zugleich eine positive Identifikation mit der eigenen Nationalgeschichte ermöglicht. In diesem Sinne versucht auch das Gedenkstättenkonzept des Bundes den Weg hin zu einem Geschichtsbild zu ebnen, in dem das heutige Deutschland als Happy End erscheint. Folgerichtig wird diesem Happy End ein Einheits- und Freiheitsdenkmal gewidmet. Verteidiger dieser kostbaren Freiheit sind nicht zuletzt deutsche Soldaten, denen (als Investition in die Zukunft) ein Ehrenmal gesetzt wird. "Sichtbare Zeichen" setzt sich mit diesen und weiteren Aspekten deutscher Geschichtspolitik kritisch auseinander und gibt einen kurzen aber fundierten Überblick über die aktuellen Entwicklungen deutscher Geschichtspolitik.
Jan Korte, Gerd Wiegel (Hg): Sichtbare Zeichen. Die neue deutsche Geschichtspolitik - von der Tätergeschichte zur Opfererinnerung. PapyRossa, Köln 2009. 170 Seiten, 12,90 EUR
Zuerst in ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 547 / 19.2.2010 veröffentlicht.