Nachricht | Spurwechsel Industrie 4.0 und Just Transition in Indien

Studie (in Englisch) bewertet die Einführung neuerer Technologien aus der Perspektive des Südens

Industrie 4.0 und Just Transition in Indien
Study "Industry 4.0 and Just Transition in India" - Examining the adoption of newer technologies from the perspective of developing countries - By Rakhi Sehgal

Gesellschaftliche Debatten über die Technologien der Vierten Industriellen Revolution (4IR) und Industrie 4.0 (I4.0) sind bisher fast ausschließlich auf die Erfahrungen einer Handvoll fortgeschrittener Industrieländer beschränkt. Diese Verengung ist problematisch, haben doch jüngst die Vereinten Nationen (UN) und die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) davor gewarnt, dass die Einführung neuerer Technologien nicht allein von der technologischen Machbarkeit, sondern von einer Vielzahl anderer Faktoren abhängt. Diese reichen von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren, der Einstellung zu Technologie und Innovation, den sozioökonomischen Bedingungen der Gesellschaft, der Bildungs- und Gesundheitsinfrastruktur, Ungleichheiten und der Möglichkeit sozialer Umwälzungen angesichts von Arbeitsplatzverlusten. Die aktuellen Diskussionen haben oft nicht mehr getan, als das alte neoliberale Dogma TINA („There is no alternative“) zu wiederholen, während sie die Realität ignorieren, dass die Übernahme von Technologie nicht nur eine technische Frage ist. Aus dieser reduktiven Perspektive scheint es, dass I4.0 die Dynamik verstärkt in den Industrieländern Design, Entwicklung und die Innovation neuerer Technologien kontrollieren. Gleichzeitig werden auf der anderen Seite die Länder des sogenannten Globalen Südens dazu verdammt, als eine Art Pool ungelernter digitale Arbeiter zu dienen, die für einen Hungerlohn Niedriglohnarbeiten verrichten, selbst wenn sie gleichzeitig die Absatzmärkte für die digitalisierten Produkte bereitstellen. 

Angesichts dieser düsteren Zukunftsaussichten ist es von entscheidender Bedeutung, die Einführung neuerer Technologien aus der Perspektive der sogenannten Entwicklungsländer zu untersuchen. Regionale Unterschiede werden wahrscheinlich zu unterschiedlichen Auswirkungen dieser Technologien in verschiedenen Teilen der Welt führen. Daher müssen die globalen Erzählungen über die Einführung und die Auswirkungen von 4IR und I4.0 lokalisiert werden. Das breite Spektrum der sozialen und kulturellen Faktoren, die bei 4IR eine Rolle spielen, bedeutet, dass das oben beschriebene Szenario keineswegs eine unvermeidliche Realität ist, da sie bedeutende Spielräume für politische und soziale Steuerung bieten. Dies gilt jedoch nur, wenn diese globalen Phänomene in ihren tatsächlichen lokalen Konfigurationen gründlich analysiert werden. 

Die IAO sowie globale Gewerkschaftsföderationen (GUFs) wie IndustriALL und der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) haben unter anderem betont, dass der Einsatz von Technologie keine Selbstverständlichkeit ist und über lokale, politische, rechtliche und sozioökonomische Strukturen vermittelt werden wird. Er kann außerdem durch eine Reihe politischer Entscheidungen auf Unternehmens- oder Regierungsebene und im öffentlichen Interesse beeinflusst werden. Die IAO weist auch darauf hin, dass die Frage der Arbeitsplatzverlagerung zwar von entscheidender Bedeutung ist, dass jedoch Beschäftigungsbedingungen, Arbeitsrechte, soziale Absicherung, Geschlechterverhältnisse und die Verteilung der technologischen Errungenschaften ebenso wichtige Überlegungen sind, um die Nutzung des technologischen Wandels für integrative, gerechte und nachhaltige Ergebnisse zu ermöglichen. 

Diese Studie begibt sich auf das komplexe Terrain der Einführung digitaler Produktionstechnologien in der Automobilindustrie in Indien, um zwei Schlüsselaspekte zu verstehen: Erstens die Vorbedingungen der Einführung und zweitens die Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsverhältnisse. Was sind die Voraussetzungen für die Einführung, wer profitiert, wer verliert, wer wird außen vor bleiben, was sind wahrscheinliche gesellschaftliche Transformationen, wie wird die Technologie und Innovation lokalisiert usw.? Antworten auf solche Fragen erfordern eine granulare Bewertung der laufenden Veränderungen durch Skizzieren der Hintergründe. Das Ziel dieses Papiers ist es, die Debatten über 4IR und I4.0 für Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften der Automobilindustrie zugänglich zu machen. Dies wiederum trägt dazu bei, notwendige Instrumente, gesetzliche Rahmenbedingungen und Aktionspläne im Hinblick auf eine sinnvolle Beteiligung an und einen Beitrag zu Entscheidungen zu entwickeln, die sich erheblich auf das Leben und die Organisierung der Arbeiter*innen auswirken werden.
 

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