Nachricht | Staat / Demokratie - Parteien / Wahlanalysen - Partizipation / Bürgerrechte - Ostafrika Ein unglaubhafter Sieg für Magufuli

Kommentar zu den Wahlen in Tansania

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Britta Becker,

Der alte und neue Präsident Tansanias, John Pombe Magufuli. CC BY-NC-ND 2.0, Foto: flickr / Paul Kagame Fotostream

Die Tansanier*innen waren in der vergangenen Woche aufgerufen, einen neuen Präsidenten, ein neues Parlament sowie kommunale Vertreter*innen, sogenannte ward counsellors, zu wählen.

Insbesondere das Rennen um das Amt des Präsidenten schien hart umkämpft zwischen dem amtierenden Präsidenten Dr. John Pombe Magufuli von der Regierungspartei Chama cha Mapinduzi (CCM) und dem aussichtsreichen Kandidaten der größten Oppositionspartei Chama cha Demokrasia na Maendeleo (CHADEMA), Tundu Lissu. Die Opposition hatte sich diesmal gestärkt durch enormen Zulauf bei öffentlichen Veranstaltungen, breiter Zustimmung der Jugend, insbesondere in städtischen Zentren, internationaler Unterstützung und einer Wechselstimmung im Land (#changetanzania, insbesondere sichtbar in den sozialen Medien) viel erhofft.

Britta Becker arbeitet in der Rosa-Luxemburg-Stiftung als Referentin für Südliches Afrika und Ostafrika.

Diese Hoffnungen sind nun zerbrochen. Am Sonntag wurde das amtliche Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl verkündet. Dr. John Pombe Magufuli wurde mit 84% der abgegebenen Stimmen zum Sieger der Präsidentschaftswahlen ernannt. Er bleibt damit alter und neuer Präsident der Zentralregierung des Landes, welches sich in das Festland von Tansania und die Sansibar-Inseln aufteilt. Das Ergebnis der Parlamentswahlen stand bei Fertigstellung des Kommentars noch nicht fest.

Sansibar verfügt als halb-autonome Region der Republik Tansania über eine eigene Regierung und wählt einen eigenen Präsidenten. Traditionell sind die politischen Auseinandersetzungen auf Sansibar besonders konfliktiv, gerade auch das Thema der Unabhängigkeit vom Festland hat in den letzten Jahren mit der Uamsho-Bewegung wieder sehr an Brisanz gewonnen. Im Unterschied zum Festland gibt es auf Sansibar seit Beginn der 90er Jahre eine starke Opposition.

Auf Sansibar standen alle Zeichen auf Sieg der Opposition

Seit der Einführung des Multiparteiensystems in Tansania konkurrierten auf Sansibar die Regierungspartei CCM mit der eher neoliberal islamisch geprägten Civic United Front (CUF). Dabei unterschieden sich die jeweiligen Wahlergebnisse oft nur um wenige Prozentpunkte. Bei der Wahl 2010 betrug der Vorsprung der Regierungspartei nur etwas mehr als 3000 Stimmen, nicht einmal 1 Prozent. 2015 wurden die Wahlen, dessen Sieg die Oppositionspartei CUF diesmal für sich proklamierte, aufgrund von Unregelmäßigkeiten annulliert. Die CUF boykottierte daraufhin die angesetzten Neuwahlen.

Umso erstaunlicher, dass selbst auf Sansibar der Präsidentschaftskandidat der Regierungspartei CCM, Hussein Mwinyi, mit 76% der Stimmen zum Sieger gekürt wurde. Ein im wörtlichen Sinne «unglaubliches» Ergebnis. Noch nie konnte die Regierungspartei einen solch deutlichen Vorsprung auf Sansibar für sich verbuchen.

In diesem Jahr standen viele Zeichen auf Sieg der Oppositionspartei. Dem Wechsel des populären und beliebten CUF-Präsidentschaftskandidaten Seif Sharif Hamad zu ACT Wazalendo folgte die Mehrheit der Parteianhänger*innen und machte ACT Wazalendo damit zur stärksten Oppositionspartei auf Sansibar. Ein Sieg des – nun ACT – Kandidaten, der bereits zum sechsten Mal als Gegenkandidat der Regierungspartei antrat, galt in diesem Jahr als wahrscheinlicher denn je. Dies insbesondere als die größte Oppositionspartei des Festlands, CHADEMA, auch zur seiner Unterstützung aufgerufen hatte. Im Vergleich zu Hamad war der CCM Kandidat Hussein Mwinyi, obwohl Verteidigungsminister und Sohn des aus Sansibar stammendenden ehemaligen Staatspräsidenten Ali Hassan Mwinyi, eher unbekannt und profillos.

Der auf dem Festland eher friedliche Urnengang wurde auf Sansibar massiv gestört: extreme Militärpräsenz, Ausschreitungen mit bis zu 10 Toten und Gewalt der Sicherheitskräfte gegen die Opposition prägten das Bild. Der stellvertretende ACT-Generalsekretär Nassor Mazrui wurde nachts in seinem Haus brutal angegriffen und ist seitdem verschwunden. Neben dem Präsidentschaftskandidaten wurde am 29.10. die gesamte Führungsriege der größten Oppositionspartei ACT Wazalendo in Sansibar verhaftet, Parteimitglieder*innen wurden zum Teil schwer verletzt oder verschleppt.

Viele Analysten und Beobachter*innen hatten sich gefragt, ob die regierende CCM einen Machtwechsel akzeptieren würde. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses kann diese Frage klar mit Nein beantwortet werden. Laut Meldungen der Wahlkommission geht der CCM-Kandidat Mwinyi mit 76% der Stimmen als Gewinner aus der Wahl hervor, während die Opposition mit dem schlechtesten Ergebnis überhaupt von 19 Prozent konfrontiert wurde.

Keine Chance für einen Machtwechsel

Die Oppositionsparteien CHADEMA und ACT Wazalendo widersprechen dem Wahlergebnis. Sie werfen der Nationalen Wahlkommission Manipulation und Wahlbetrug vor. Die Parteinahme der Kommission für die regierende CCM hatte sich schon vor den Wahlen abgezeichnet. Es gab zahlreiche Versuche der Behinderung der Oppositionsparteien. Kandidat*innen wurden nicht zugelassen, was unter anderem dazu führte, dass 28 Parlamentsabgeordnete und 870 ward counsellors, ausschließlich CCM-Vertreter*innen, konkurrenzlos antraten. Die Absage öffentlicher Auftritte und vollständige Einschränkung des Wahlkampfes für mehrere Tage wurde begleitet von Einschüchterungsversuchen. Verhaftungen, abgebrannte Büros und Gewalt der Sicherheitskräfte gegen Oppositionsmitglieder*innen trugen dazu bei, dass zumindest von freien und fairen Wahlen nicht gesprochen werden kann. Leider erfolglos hatten zahlreiche internationale Staatenvertreter*innen, die UN, zivilgesellschaftliche Organisationen und die europäische Linke an die tansanische Regierung appelliert, friedliche, freie und faire Wahlen zu gewährleisten.

Obwohl auch die internationalen Wahlbeobachtungsmissionen unter dem Verdacht der Einseitigkeit standen, kommen die zugelassene Wahlbeobachtungsmission der Ostafrikanischen Gemeinschaft EAC und das Electoral Institute for Sustainable Democracy in Africa (EISA) zu unterschiedlichen Einschätzungen. Während das EAC-Team einen freien, fairen und rechtmäßigen Verlauf bestätigt, betont das EISA-Team Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse, sieht bewusste Unregelmäßigkeiten im Prozess und bewertet die Durchführung der Wahlen als weder frei noch fair. In ihrem Bericht rufen sie die Oppositionsparteien dazu auf, ihre Beschwerden in Übereinstimmung mit der Verfassung und den Wahlgesetzen vorzubringen, aber auch Frieden und Sicherheit nicht zu gefährden.

Die rechtlichen Möglichkeiten des Protests sind allerdings sehr begrenzt. Laut tansanischer Verfassung gibt es keine Möglichkeit, die Wahlen auf gerichtlichem Wege anzufechten sobald diese von der Wahlkommission bestätigt sind.

Das Ende der Demokratie in Tansania?

CHADEMA und ACT Wazalendo agieren gemeinsam in ihrem Protest und riefen für Montag, den 2. November zu friedlichen Demonstrationsmärschen auf. Sie appellierten außerdem an internationale Beobachter*innen, die Wahlen nicht anzuerkennen. Die Sicherheitskräfte reagierten sofort mit der Verhaftung nahezu aller führenden Köpfe der Opposition. Die massive Präsenz der Sicherheitskräfte in den Straßen verhinderte zudem öffentlichen Protest. Zahlreiche führende Oppositionsmitglieder sind nach wie vor in Haft. Ihnen droht eine Anklage wegen Terrorismus, welche eine Freilassung auf Kaution unmöglich macht.

Die bislang sehr zurückhaltende bis indifferente internationale Reaktion trägt damit auch dazu bei, die autokratische Herrschaft von Magufuli zu manifestieren. Selbst Tundu Lissu, als Überlebender eines politischen Mordanschlages in 2017 mit breiter internationaler Unterstützung ausgestattet, blitzte zunächst ab, als er europäische und die US-Botschaften um Schutz ersuchte. Nach mehrstündigem Warten wurde er von der tansanischen Polizei abgeführt. Mittlerweile hat er Zuflucht in der Residenz der deutschen Botschafterin in Tansania gefunden.

Neben der Kritik an Präsident Magufulis autoritärem Führungsstil mit Einschränkungen der Versammlungs-, Presse- und Meinungsfreiheit, Frauen- und Menschenrechte im Allgemeinen steht nunmehr die Zukunft des jungen demokratischen Systems in Tansania im Zweifel.

Das Vorgehen der Regierung hat in vielen gesellschaftlichen Bereichen zu einer gedrückten und angstvollen Stimmung im Land geführt. Andererseits konnte Magufuli in den vergangenen fünf Jahren durch sein vehementes Durchgreifen beispielsweise im Bereich Korruption, durch Verbesserung der Leistungen der Verwaltung und Infrastruktur und der Erhöhung des Steueraufkommens auch viele Anhänger*innen begeistern.

Aufgrund der Unterdrückung parteipolitischen Protests und der Einschränkung sozialer Medien werden wohl keine zivilgesellschaftliche Bewegung und größere öffentliche Proteste im Land entstehen. Wahrscheinlicher ist, dass die Anerkennung von stark manipulierten Wahlen auch Auswirkungen auf das demokratische System im Land haben wird.

Auch wenn abschließende Ergebnisse noch nicht vorliegen deuten bisherige Ergebnisse darauf hin, dass die alte und neue Regierungspartei auch im Parlament uneingeschränkt durchregieren kann und Mehrheiten für Verfassungsänderungen gegeben sind.

Zahlreiche Analysten sprechen bereits von einer Rückkehr des Einparteiensystems durch die Hintertür. Ob und in wie weit sich die Demokratie in Tansania behaupten kann, hängt davon ab, wie Präsident Magufuli seine neuen Möglichkeiten nutzen wird. Mit Blick auf die vergangenen Jahre scheinen ihre Tage gezählt.

Ein ausführlicher Vergleich der Kandidaten und ihrer Politiken im Vorfeld der Wahlen findet sich unter https://international.die-linke.de/welt/