Nachricht | USA / Kanada - Sozialökologischer Umbau - Klimagerechtigkeit Das Feuer löschen

Trump ist verhindert. Nun gilt es, Druck auf Biden zu machen.

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Klimaaktivist*innen protestieren gegen Präsident Trump in Washington, DC am 4. November 2020.
Klimaaktivist*innen protestieren gegen Präsident Trump in Washington, DC am 4. November 2020. CC BY-NC-ND 2.0, Geoff Livingston, via Flickr

Mit dem Ziel, Trump zu verhindern, hatte sich die klimabewegte Linke in den USA Biden verschrieben – um überhaupt noch weiterkämpfen zu können. Nun ist diese Zeit zu kämpfen gekommen.

Am Montag, dem 14. September 2020, als Waldbrände an der Westküste der Vereinigten Staaten wüteten und die Golfküste von Wirbelstürmen erschüttert wurde, kritisierte der damalige demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden die mangelnde Reaktion des Präsidenten Donald Trump auf die Klimakrise: «Wenn Sie einem Klima-Brandstifter vier weitere Jahre im Weißen Haus schenken, müssen Sie sich nicht wundern, wenn noch weitere Teile Amerikas in Flammen aufgehen.»

Aaron Eisenberg ist Projektmanager für Nordamerika und die Vereinten Nationen im New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Biden hatte Recht. Hätte Trump eine zweite Amtszeit bekommen, dann hätten sich die Hoffnungen auf die sozialökologische Transformation, für die das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) das Jahr 2030 als Frist gesetzt hat, nahezu endgültig zerschlagen. Während seiner Amtszeit hat Trump 84 Umweltvorschriften per Erlass aufgehoben. Er hat die Fläche der – wegen ihrer historischen Bedeutung als schützenswert geltenden – Gebiete im Bundesstaat Utah verkleinert, um Bergbau und Bohrungen an den heiligen Stätten amerikanischer Ureinwohner*innen zu erlauben. Er hat den von Präsident Barack Obama beschlossenen Clean Power Plan (Plan für saubere Energie) aufgehoben und den Endangered Species Act (Gesetz zum Schutz bedrohter Arten) abgeschwächt. Auf internationaler Ebene ist Trump mit offener Verachtung gegenüber internationalen Regelungen und Systemen aufgetreten. Er hat den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen erklärt, sämtliche Gelder für den Green Climate Fund der Vereinten Nationen gestrichen und – inmitten einer globalen Pandemie – die Mitgliedschaft der USA in der Weltgesundheitsorganisation gekündigt. Biden hat es treffend gesagt: Trump war ein Klima-Brandstifter.

Der Schwerpunkt von Bidens Wahlkampagne: die «Rückkehr zur Normalität»

Während ihrer diesjährigen Wahlkampagnen waren sich Trump und Biden über ihre jeweiligen Prioritäten im Klaren. Trump setzte weiterhin auf Hass, Rassismus, Sexismus, Fremdenfeindlichkeit und andere Formen von Bigotterie und weißem Nationalismus, die sich in der von ihm blutorange gefärbten Republikanischen Partei breitmachten. Biden legte die Schwerpunkte seiner Wahlkampagne auf eine «Rückkehr zur Normalität», auf die Tatsache, dass er nicht Donald Trump ist, und darauf, dass er unter Obama Vizepräsident war. In den Kampagnen anderer Kandidat*innen – Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Andrew Yang – ging es darum, die Ausrichtung des Landes und dessen Verhältnis zur übrigen Welt grundlegend zu verändern. Biden hingegen blieb durchgehend bei seiner Rhetorik der Rückkehr zur Normalität. Als sich das demokratische Establishment im Vorfeld des Super Tuesday hinter ihn stellte, war das sowohl ein letzter Versuch, Sanders aufzuhalten, als auch ein Bekenntnis zur der von Biden verkörptertenzentristischen Stabilität. Als sich aber Sanders gegen die Nominierung Bidens zum demokratischen Kandidaten aussprach, wurde der Ruf nach einer Rückkehr zur Normalität dadurch obsolet, dass sich COVID-19 zeitgleich zur ausgewachsenen Pandemie entwickelte.

An der Klimafront lehnte Biden den Green New Deal ab, trotz dessen überwältigender Popularität. Seine Botschaft, «Wissenschaft ernst zu nehmen», stand Trumps deutlicher Positionierung gegen das Überleben des Planeten allerdings diametral gegenüber. Biden stellte seinen eigenen zwei Billionen US-Dollar schweren Klimaplan vor, der die CO2-Emissionen des Energiesektors bis 2035 und die Nettoemissionen der Gesamtwirtschaft bis 2050 auf null senken soll. Der Plan bekam zunächst zaghafte Unterstützung, da er das Prinzip der Umweltgerechtigkeit hervorhob und die am stärksten von der Klimakrise betroffenen Gruppen besonders berücksichtigte. Graswurzel-Organisationen blieben jedoch skeptisch gegenüber Bidens Positionen zu anderen Themen wie der  Souveränität indigener Gruppen oder  dem Aufbau einer Energiedemokratie sowie seiner anhaltenden Unterstützung des Fracking. Die Ernennung von Kamala Harris zur Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin legt zwar nahe, dass Biden Umweltgerechtigkeit und Gerechtigkeit ernst nimmt. Dennoch bleiben grundlegende Probleme bestehen, und Bidens Nachbesserungen reichten nur dafür, dass Greenpeace seinen Klimaplan von der Note 4 minus auf eine 2 hochstufte.

Biden Kalter Krieg- und Dualismus-Rhetorik passt nicht in den Klimadiskurs

Auf internationaler Ebene spiegelt Bidens Klimaplan seine allgemeine Weltsicht wider. Internationale Zusammenarbeit wird im gesamten Plan nicht einmal erwähnt. Die Betonung liegt vielmehr auf einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche, Wettbewerb und Innovation. Anstatt eine Zusammenarbeit mit China anzustreben, die darauf abzielt, die Belt and Road Initiative nachhaltiger zu gestalten, wie Tobita Chow und Jake Werner es vorschlagen, propagiert Bidens Plan den unverhohlenen Antagonismus. Von der Autoindustrie spricht der Plan in den Denkmustern des 20. Jahrhunderts. So ist etwa davon die Rede, «amerikanische Autoarbeiter und Autohersteller so aufzustellen, dass sie das 21. Jahrhundert für sich entscheiden können.» Diese Kalter Krieg- und Dualismus-Rhetorik passt nicht in den Klimadiskurs und hilft letztlich niemandem weiter. In der Klimakrise ist Zusammenarbeit der einzige Weg, um das Schlimmste zu verhindern, denn kein einzelnes Land kann ein globales Problem allein bewältigen.

Im Wahlkampf war jedoch nichts davon von ausschlaggebend. Das Einzige, was zählte war, dass Joe Biden nicht Donald Trump ist. Trump aus dem Amt zu jagen war für die jugendliche Klimabewegung Motivation genug, sich vor Bidens Karren spannen zu lassen. Dabei ging es weniger um Bidens eigentliche Botschaften als darum zu überleben, um später überhaupt noch weiterkämpfen zu können.

Teilen der Klima-Linken, die sich so sehr nach einem Erfolg sehnten, war Trumps Niederlage allerdings Beweis genug, dass es die Klimapolitik im Laufe von vier Jahren Trump vom vernachlässigten innenpolitischen Thema zu einem Thema entwickelt hat, das die Kampagne der Demokratischen Partei bestimmte und ihr zum Wahlsieg verhalf. Auf diese Überzeugung stützte sich auch das «Climate Mandate»: Progressive Gruppen zeigten sich überzeugt, dass ihre Arbeit Biden nicht nur den Sieg Trump beschert, sondern auch sichergestellt hätte, dass Biden sofort mit der Umsetzung einer ambitionierten und fortschrittlichen Klimapolitik beginnt.

Nun befinden wir uns also am Vorabend von Bidens Präsidentschaft. Der Brandstifter ist aus dem Weißen Haus vertrieben. Wie aber ist der Stand der Dinge?

Während des Wahlkampfes musste Biden für alle unter dem Dach der Demokratischen Partei als Projektionsfläche für deren politische Vorstellungen herhalten. Fast unmittelbar nach der Wahl erinnerte Biden dann prompt alle daran , dass er eben Joe Biden ist und dass ein Mandat für stärkeren Klimaschutz nie Bestandteil seiner Politik war.

Ein Affront gegenüber denen, die den Sieg Bidens erst ermöglicht haben

Am Montag, dem 17. November erklärte der designierte Präsident Biden, er werde den Abgeordneten Cedric Richmond zu seinem leitenden Berater sowie zum Leiter des Office of Public Liaison ernennen, dem für die Kommunikation und Zusammenarbeit mit Interessengruppen zuständigen Büro des Weißen Hauses. Damit war der erste für die Klimapolitik relevante Posten in Bidens Regierung vergeben. Während seiner achtjährigen Kongresszeit hat Richmond von der Fossilindustrie   mehr Spenden erhalten als fast jede*r andere Abgeordnete der Demokratischen Partei. Varshini Prakash, die Leiterin der Sunrise-Bewegung, bemerkte dazu: «Der heutige Tag fühlt sich nach Verrat an… Das ist ein Affront gegenüber all den jungen Menschen, die den Sieg des designierten Präsidenten Biden erst ermöglicht haben.»

Als ob das für die Aktivist*innen noch nicht genug wäre, ging Biden noch einen Schritt weiter und krönte John Kerry zu seinem Klima-Chef. Kerry hat das letzte Jahr mit dem Aufbau von World War Zero verbracht, einer Organisation zur Förderung parteiübergreifender Zusammenarbeit in Klimafragen, die sich als wenig wirkungsvoll und als Ressourcenschleuder erwiesen hat. Emily Atkin zufolge zeigt das: «Biden wird einen gemäßigten klimapolitischen Ansatz bevorzugen, der von der Unterstützung der Republikanischen  abhängt.» Biden verlässt sich also auf ebenjene Republikanische Partei, die bis zum bitteren Ende an Trump festhielt. Hinzu kommt noch die Meldung, dass ein Berater von DuPont im Übergangsgremium der Umweltbehörde EPA sitzt. Viele Linke fragen sich, in den Worten von Erin Brockovich: «Joe Biden, willst du mich für dumm verkaufen?»

Solche Personalentscheidungen bestätigen, dass Bidens Politik auf Mäßigung und Loyalität beruht. In einem kürzlich in der New York Times erschienenen Porträt Bidens heißt es: «Er hält noch immer die Institutionen hoch, setzt sich hartnäckig für Kompromisse ein und begreift Politik eher als eine Frage von Beziehungen als von Ideologie.» Wie bei Richmond und Kerry sowie später bei Ron Klain, Anthony Blinkin, Linda Thomas-Greenfield und Jake Sullivan zeugen diese Entscheidungen vor allem von Bidens langjährigen persönliche Beziehungen und davon, wie viel Zeit diese Personen in seinem inneren Kreis verbracht haben.

Zwar decken sich diese Entscheidungen nicht mit denen der hinter dem «Climate Mandate» stehenden Gruppen, und sielassen auch nicht auf Ambitionen im Maßstab des Green New Deal schließen. Aber sie verdeutlichen den Charakter unserer politischen Gegenwart. An jedem Tag, der uns – mit oder ohne Mandat – der Klimakatastrophe näherbringt, bleibt es Aufgabe der sozialen Bewegungen, von Bidens Regierung eine ambitionierte Klimapolitik einzufordern. Die schon getroffenen Personalentscheidungen zeigen, dass es müßig wäre auf Biden zu warten und ihm Zeit zum Handeln zu geben. Die bereits getroffenen Entscheidungen zeigen vielmehr, dass die Bewegungen selbst aktiv werden müssen, um den Klimadiskurs der nächsten vier Jahre zu prägen.

Glücklicherweise verhalten sich die sozialen Bewegungen und ihre gewählten Verbündeten auch dementsprechend. Biden war als Kandidat nie ihre erste Wahl, und viele Aktivist*innen sind bereit, Biden die Pistole auf die Brust zu setzen. Die Klimabewegung ist organisierter und stärker als je zuvor. Als Biden zurückruderte, ließ die Reaktion der Bewegungen daher nicht lange auf sich warten.

Mit einer unambitionierten Klimapolitik wird Biden nicht durchkommen

Am Donnerstag, dem 19. November schlossen sich Mitglieder des sogenannten «Squad», einer Gruppe progressiver Abgeordneter im US Repräsentantenhaus, unter ihnen Alexandria Ocasio-Cortez und Ilhan Omar, mit den neugewählten progressiven Abgeordneten Cori Bush und Jamaal Bowman sowie anderen aus dem «Squad»-Umfeld zusammen, um gemeinsam mit dem Indigenous Environmental Network , der Climate Justice Alliance, der Sunrise-Bewegung und dem US Climate Action Network eine Kundgebung vor dem Democratic National Committee (DNC) abzuhalten. Eine solche gegen einen designierten Präsidenten aus der eigenen Partei gerichtete Kundgebung wäre vor vier Jahren noch undenkbar gewesen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Seit sich die Abgeordnete Ocasio-Cortez im November 2018 dem Sitzstreik der Sunrise-Bewegung im Büro der Sprecherin Nancy Pelosi anschloss, um einen Green New Deal zu fordern, hat sich der Bereich des Möglichen ausgeweitet. Nun zeigen der Zuwachs des «Squad» durch die Wahl neuer progressiver Abgeordneter und die Tatsache, dass die Klima-Linke von Massachusetts den als «Paten des Green New Deal» bekannten Senator Ed Markey unterstützt, über was für eine politische Kraft die aufstrebende Klima-Linke verfügt.

Die vor dem  Democratic National Committee demonstrierenden Aktivist*innen machten deutlich, dass Symbolpolitik und Untätigkeit nicht länger akzeptiert werden. Anders als unter der Obama-Regierung, als Klimaaktivist*innen gesagt wurde, sie sollten dem Präsidenten Zeit und Raum geben, um seine Agenda umzusetzen, und Kritik an der Regierung könne der Umsetzung progressiver Politik nur schaden, treiben die Aktivist*innen Biden bereits jetzt vor sich her. Die Biden-Regierung wird bei ihrem Antritt sowohl von außen – von der Zivilgesellschaft – als auch von innen – von den klimapolitisch progressiven Gesetzgeber*innen im Kongress – unter Druck gesetzt werden. Diese Gruppen werden weiterhin auf einen Green New Deal drängen, unabhängig davon, wer in Bidens Kabinett sitzt. Biden beabsichtigt nach wie vor, seinen Klimaplan umzusetzen und die CO2-Emissionen aus der Energieerzeugung bis 2035 auf null zu senken. Die Aktivist*innen werden sicher auf weitreichendere Schritte drängen.

Die Klimabewegung wird Biden unter Druck setzen müssen

Biden kann aus einer ganzen Reihe von politischen Optionen wählen. Die Aktivist*innen sind besser organisiert als je zuvor und daher auch besser in der Lage, seine Entscheidungen zu beeinflussen. Wie Trump gezeigt hat, kann ein Präsident Pattsituationen umgehen, indem er Exekutivverordnungen erlässt. In Anbetracht dessen hat die Klimaschutzorganisation 350.org eine Liste von zehn Maßnahmen in Umlauf gebracht, die die Biden-Administration am ersten Tag ihrer Regierungstätigkeit in Kraft setzen soll. Dazu gehören die Einstellung der Förderung fossiler Brennstoffe auf öffentlichem Land, ein Fracking-Verbot auf Grundlage von Umweltschutzgesetzen der EPA, die Einstellung von Öl- und Gasexporten, die Verweigerung von Genehmigungen für Infrastrukturprojekte der fossilen Brennstoffindustrie, die Streichung von Subventionen für fossile Brennstoffe und vieles mehr. Einiges davon wird in Bidens Programm angedeutet, anderes hat er jedoch bislang abgelehnt – etwa ein Fracking-Verbot. Was die internationalen Beziehungen angeht, hat Biden angekündigt, die USA würden unter ihm wieder dem Pariser Klimaabkommen beitreten und er werde darauf hinwirken, dass andere Länder zusätzliche freiwillige Klimaschutz-Verpflichtungen auf sich nehmen. Das wird jedoch nicht genügen. Auch hier werden Aktivist*innen Biden unter Druck setzen müssen, damit er mehr als das tut.

Gegenüber seinen Anfängen hat sich Biden zweifellos weiterentwickelt. Er hat sich im Laufe seiner Karriere aber auch immer wieder als jemand erwiesen, der sein Fähnchen nach dem Wind hängt und sich jeweils für die ihm opportun erscheinende Politik entscheidet. Wenn die COVID-19-Krise überwunden sein wird, werden im großen Maßstab Infrastruktur- und Arbeitsmarktmaßnahmen erforderlich sein. Biden wird darum kämpfen müssen, diese Maßnahmen gegen einen Senat durchzusetzen, in dem die Republikanische Partei aller Wahrscheinlichkeit nach die Mehrheit stellen wird. Klimaaktivist*innen werden sich dafür einsetzen müssen, dass Biden die Chancen, die die Krise mit sich bringt, nicht verspielt, indem er sich mit einem Programm für eine klimagerechte Iinfrastruktur und Arbeitsplätze begnügt. Auch wenn Joe Biden sich nicht als Träger eines Klimamandats versteht: Wenn er wirklich «die Wissenschaft ernst nimmt», dann werden die USA zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise übergehen müssen. Für eine Klima-Linke, die sich mit Biden verbündet hat, um Trump zu besiegen und weiterkämpfen zu können, ist die Zeit zum Kämpfen nun gekommen.