Nachricht | Kunst / Performance - Sozialökologischer Umbau - Klimagerechtigkeit «Fighting this despair with joy»

Filmemacher*in Zara Zandieh arbeitet an einem hoffnungsvoll-utopischen Film zur Klimakrise

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Autorin

Zara Zandieh,

Zara Zandieh (Foto: privat)
Zara Zandieh (Foto: Dana Rubin)

Eine «hybride Doku-Fiktion, in der die Zuschauer*innen auf eine poetische, wütende, dekoloniale, queer-feministische und hoffnungsvolle Reise zu Klimagerechtigkeit genommen werden», so beschreibt die Filmemacher*in Zara Zandieh ihren geplanten Film mit dem Arbeitstitel: «Fighting this dispair with joy». Die Zuschauer*innen erfahren, welchen Plan, die Klimakatastrophe zu stoppen, verschiedene Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen haben und begegnen bereits verstorbenen wie auch gegenwärtigen Klimaaktivist*innen. Zwischen Realität, Utopie und Fiktion schafft «Figthing this dispair with joy» einen multidimensionalen, hoffnungsvoll-utopischen Raum, den man betreten möchte. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt die Recherchen zum Film und zur Entwicklung des Drehbuchs, mit dem die Filmemacher*in dann an Produktionsfirmen herantreten wird. Ein Gespräch.

Rosa-Luxemburg-Stiftung: Du arbeitest gerade an einem Film mit dem Arbeitstitel «Fighting this dispair with joy». Dabei sollen die Zuschauer*innen auf eine Reise zu Klimagerechtigkeit genommen werden. Was ist die Botschaft dieser Reise?

Zara Zandieh: Es fällt mir immer schwer zu sagen, was genau die Botschaft meiner Filme sein soll. Meine Filme haben keine aufklärerische Mission. Ich freue mich, wenn die Zuschauer*innen mit Fragen aus dem Film herausgehen: Was können wir eigentlich ändern? Was haben wir für eine Aufgabe? Und was passiert bereits bei uns? Meine Filme erzählen dabei nicht, was richtig und was falsch ist. Die Zuschauer*innen sollen eher Anregungen bekommen und am Ende das Gefühl haben: Es gibt Dinge, die wir verändern können. Und es ist jetzt die Zeit, das zu tun, aus dem einfachen und traurigen Grund, weil wir nur noch wenig Zeit haben. Außerdem möchte ich den Leuten auch Lust geben, etwas zu tun, ihnen zeigen, dass dieser Prozess freudvoll sein kann.

Zara Zandieh ist eine in Berlin geborene und lebende Filmemacher*in. Zaras visuelles künstlerisches Schaffen ist kollaborativ und lebt von der gegenseitigen Wertschätzung und Anerkennung aller, die in ihren Projekten mitwirken. Die Geschichten, die durch Zaras Projekte erzählt werden, widmen sich einem dekolonialen queeren Blick, der Komplexitäten und vielschichtige Darstellungen von post-migrantischen und marginalisierten Subjekten in eine poetische Erzählweise verwebt. Arbeiten von Zara wurden für Preise bei verschiedenen Filmfestivals nominiert (BFI FLARE Film Festival, HIFF-Helsinki International Film Festival, EIFF-Edinburgh International Film Festival, Queer Lisboa, DokLeipzig). Zaras aktuellstes Projekt OCTAVIA'S VISIONS wird im Frühjahr 2021 bei der Eröffnung des Humboldt-Forums Berlin uraufgeführt. www.zarazandieh.com

Deshalb auch der Arbeitstitel des Films «Fighting this despair with joy»?

Ja, weil es um Veränderungen geht, die uns alle gleichberechtigt Zugänge ermöglichen Ungerechtigkeiten aufzulösen. Das kann auch Spaß machen. Das sehe ich bei mir selbst und auch bei anderen. Mich bewegt die Frage sehr stark: Wie kann eine Bewegung zur Klimakrise und Klimagerechtigkeit unwiderstehlich werden? Und, daraus folgend: Was muss der Film erzählen, damit die Zuschauer*innen Hoffnung mit nach Hause nehmen, und sich handlungsfähiger fühlen können?

Dein Film soll hoffnungsvoll-utopisch werden. Warum utopisch?

Gerade wenn sich globale oder regionale Situationen verschärfen, braucht man eine Vision oder Utopie, um sich überhaupt vorstellen zu können, dass sich Sachen zu etwas Besserem entwickeln können. Ohne Utopien verfallen wir viel eher in eine dystopische und lethargische Stimmung und denken, dass wir nichts ändern können. Wir brauchen es, vor Augen zu haben, was anders sein könnte. Wenn wir uns etwas vorstellen können und vor Augen haben, wenn wir uns etwas aus dem vermeintlichen und gewohnten Rahmen heraus vorstellen können, dann können sich Dinge auch tatsächlich verändern. Wir leben in extremen Zeiten, in denen der Rechtspopulismus und Polarisierungen immer stärker werden. Immer mehr Leute kommen immer weniger aufeinander zu. Utopien, die stärker auf einem Miteinander basieren, können dazu beitragen, dass Leute neue Sachen sehen und in ihren harten Vorstellungen wieder weicher werden und wieder mehr Dialoge führen.

Von welchen Beispielen lässt du dich hierbei inspirieren?

Vor kurzem habe ich online an einem Workshop der Allied Media Conference über Afrofuturismus teilgenommen, der eine starke Verbindung zwischen dem Jetzt, der Vergangenheit und der Zukunft herstellte. Dort hat eine der Schwarzen Autor*innen auf die Manifeste der Black Panthers verwiesen, in denen sie gefordert haben, dass es für Schwarze Menschen in den USA gleiche Zugänge zum Beispiel zu Bildung und Krankenversicherung geben müsse. Wenn ich mir heute anschaue, was die Bürgerrechtsbewegungen der Ende 1960er und 1970er, die gerade mal nur 50 bis 70 Jahre her sind, an Forderungen tatsächlich umsetzen konnten, dann ist das eine große Sache. Natürlich ist noch vieles nicht verändert und erreicht, wenn wir uns zum Beispiel die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ansehen. Aber es wäre nie so gekommen, wenn die Menschen, die sich damals so stark engagierten, nicht eine enorm starke Vorstellungskraft gehabt hätten, und sei es, dass sie diese in Form von Manifesten materalisiert haben. Denn aus diesen Manifesten sind Forderungen auf ganz vielen Ebenen der Gesellschaft entstanden. Wenn wir uns vorstellen können, welches Miteinander wir wollen, dann können wir darauf hinarbeiten. Dafür steht für mich das Utopie-Moment auch in meinem nächsten Film.

Wer sind die Aktivist*innen, die der Film begleiten wird, und wohin werden wir sie begleiten?

Der Film wird sowohl Aktivist*innen begleiten, die in Deutschland aktiv sind und einen Bezug zum globalen Süden haben als auch Aktivist*innen, die in Ländern des Globalen Südens leben. Auf jeden Fall werden es nicht nur Leute sein, die hier in Europa leben und engagiert sind, sondern auch in den Ländern, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind. Wir werden sie in ihren Aktionen begleiten, ihren Konferenzen, ihren Veranstaltungen. Wir werden sie aber auch in ihren Utopien begleiten. Performativ, assoziativ und durch einen verspielteren, eben fiktionalen Erzählstil.

Und auch bereits verstorbene Klimaaktivist*innen bzw. Umweltaktivist*innen sollen in deinem Film auftreten ...

Ja, denn die heutigen Klimaaktivist*innen starten ja nicht bei Null. Auch vor Vanessa Nakate, Jamie Margolin, Greta Thunberg, oder all den anderen, die weniger bekannt sind und unendlich wichtige Arbeit machen, gab es Umweltaktivismus. Heutige Bewegungen gründen auch auf diesen früheren Erfahrungen und Struggles wie zum Beispiel den Erfahrungen der Civil Rights Movements in den 60ern und 70ern in Nordamerika, in Teilen Südamerikas, in Europa und an anderen Orten. Die dekolonialen Widerstands- und Befreiungskämpfe in den kolonisierten Ländern gehören da auch dazu. Gerade Leute wie Wangari Maathai oder auch Ken Saro-Wiwa haben unglaublich wichtige Vorarbeit geleistet. Deshalb finde ich es wichtig, dass Leute, die vor uns aktiv waren, nicht vergessen werden und wir mit ihnen in Dialog treten. Deshalb werde ich sie im Film zu Wort kommen lassen. Umweltaktivismus hat es gegeben, seitdem dieser Planet ausgebeutet wird und Industrialisierung, Kolonialismus und die auf wirtschaftliche Interessen basierende Ausbeutung von wichtigen Lebensräumen die Lebensverhältnisse von Menschen, besonders von indigenen Gemeinschaften, verschlechterten. Die Stimmen von Menschen, die schon verstorben sind, hallen genauso in uns in Form von Verschriftlichungen, Filmen, Tonbändern und in Erinnerungen nach wie die Stimmen von denen, die jetzt für eine nachhaltigere umweltschonendere Zukunft reden.

In deinem Film soll es auch um die strukturellen Diskriminierungen gehen, die die Klimakrise entlang von Geschlechterverhältnissen, Race und sozialen Klassen verschärft. Wie soll dein Film dazu beitragen, die Verwobenheit dieser Diskriminierungen aufzuzeigen?

Der Film tut dies vor allem über die Auswahl der Protagonist*innen und Schauspieler*innen. Ich habe bei Fridays for Future 2018, als die Bewegung lauter und größer und stärker wurde, bemerkt, dass diese sehr homogen ist bzw. sehr homogen dargestellt wird. Mit der Auswahl der Protagonist*innen kann ich bewusst jene zu Wort kommen lassen, die andere Erfahrungen entlang von Race, Class und Gender machen und haben, Erfahrungen, die weniger erzählt werden. Damit kann das in den Medien vermittelte Bild, dass es vor allem weiße deutsche bürgerliche Kids sind, schon mit der Auswahl der Protagonist*innen aufgebrochen werden. Viele der Aktivist*innen, die ich hierfür interviewen möchte, arbeiten intersektional.

Was die Klimakrise – vor allem in Kombination mit der weltweiten Pandemie – aufzeigt, ist, dass unsere unterschiedlichen Privilegien auf dieser Welt sich gerade nochmal sehr viel deutlicher zeigen. Das zieht sich durch alles durch – durch die Frage, zu welcher sozialen Schicht du zu zugehörig bist, in was für einer finanziellen Situation du aufwächst, was für ein Gender du hast, und ob du als Kind oder Jugendliche erfahren musstest, aus dem Haus geschmissen zu werden, weil du trans oder queer bist. Natürlich macht dich das vulnerabler für alles Mögliche, und eben auch für Situationen wie eine Klimakrise oder für eine Pandemie. So haben Umweltaktivist*innen oft auch mit Sexismus oder Femizid zu tun. Das potenziert sich. Je vulnerabler du bist und je weniger Zugang du zu den Ressourcen einer Gesellschaft hast, desto mehr wirkt sich die Klimakrise auf dich aus.

Dein erklärtes Ziel ist es, einen Film zu machen, der aufmuntert, aufbegehrt, aufschreit und bewegt. Wie genau soll das gehen?

Wie genau das umgesetzt werden wird, ist schwer vorherzusagen, weil ein Film in sehr vielen Prozessen entsteht. Erst kommt die Idee, dann die Recherche, dann entsteht das Drehbuch, dann wird gefilmt, dann wird geschnitten. Jeder Schritt verändert einen Film unglaublich. Die filmische Trickkiste besteht unter anderem darin, während dieses Veränderungsprozesses offen zu sein. Zum Beispiel werden die Protagonist*innen und Schauspieler*innen den Film maßgeblich mitbestimmen. Da entwickelt sich eine eigene Dynamik. Film ist nicht etwas, was ich allein mache. Es ist immer ein Teamprozess. Ich halte zwar die Fäden zusammen und habe eine Vision, aber inhaltlich und kreativ wirken viele Leute in den unterschiedlichen Gewerken mit.

Wie ich die verschiedenen Richtungen Hoffnung, Poesie und Struggle reinbringen will … Ein Mittel hierfür ist die Vermischung von Dokumentarischem und Fiktionalem. Zum Beispiel, indem wir Original-Tonaufnahmen von Wangari Maathai über aktuelle Bilder der Klimakrise legen, bzw. Wangari Maathai von Schauspieler*innen einlesen lassen. Der Film wird die Klimaaktivist*innen bei ihrer Arbeit dokumentarisch begleiten, gleichzeitig werden auch Schauspieler*innen Klimaaktivst*innen spielen. Die Schauspieler*innen werden den Dialog zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verkörpern. Sie werden Zeitreisende, die Stimmen von Aktivst*innen, die schon verstorben oder ermordet worden sind, als auch jene, die noch kommen werden, verkörpern. Dass für diesen Film beides sein kann, fiktional und dokumentarisch, hat für mich sehr stark mit dem Schaffen von Utopien zu tun. Auch das, was soziale Gerechtigkeitsbewegungen forderten, war irgendwann einmal nichts anderes als eine Fiktion. Und irgendwann wurden diese Forderungen Realität. In diesem Sinne spielt der Film mit Realität, Utopie, mit dem Jetzt, der Zukunft und der Vergangenheit.