Nachricht | Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Südasien Online-Veranstaltungsreihe: «An der Schnittstelle zwischen Kaste, Klasse, Geschlecht und Religion»

Organisiert von South Asian Scholars and Activists Solidarity (SASAS Germany) in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Indien ist weltweit bekannt für seine reiche und vielfältige Kultur sowie für die Schere zwischen Arm und Reich und seit neuestem als Wiege des Yoga. Neben all diesen Aspekten gibt es aber eine lebensbestimmende Realität, die alle Inder*innen und viele Südasiat*innen betrifft, nämlich die Kaste. Das indische Kastensystem bestimmt von Geburt an darüber, welche Arbeit eine Person ausübt, wo und wie sie lebt und wie die Gesellschaft sie wahrnimmt. Die weitverbreitete Annahme, das Kastensystem würde der Vergangenheit angehören und im heutigen Indien keinen Platz haben, ist ein Trugschluss. Die Kaste beherrscht und beeinträchtigt weiterhin das Alltagsleben zahlreicher marginalisierter Gruppen in Indien, insbesondere das von Angehörigen niedriger Kasten wie den Dalits.

Während in höhere Kasten geborene Personen über soziales, ökonomisches und politisches Kapital verfügen, bleiben den Angehörigen niedriger Kasten selbst fundamentale Menschenrechte verwehrt. Das Kastenwesen – ein menschengemachtes System, das bestimmten Gruppen gesellschaftliche Privilegien einräumt und nur ihnen vorbehält – strukturiert so weiter das Leben aller Menschen in Indien. Um dieses System aufrechtzuerhalten, geht man in unmenschlicher und brutaler Weise gegen die niedrigen Kasten vor, besonders gegen die Dalits und indigene Gruppen. Obwohl die Verfassung sie schützt und Maßnahmen getroffen wurden, um die Repräsentation dieser Bevölkerungsgruppen in Staats- und Bildungsinstitutionen zu stärken, werden sie von den höheren Kasten unterdrückt. Zwar leisten Dalits auch Widerstand gegen die Vormachtstellung der oberen Kasten, doch gerade der Kampf für ihre Rechte und gegen die Kastenherrschaft setzt sie oft weiterer Unterdrückung aus. Die Kämpfe der Dalits gehen trotzdem ungebrochen weiter.

Was ist der Dalit History Month?

Das Kastensystem stützt sich auf strukturelle soziale Ungleichheit. Es degradiert die Dalits (oder «Unberührbaren») zu minderwertigen menschlichen Wesen und führt dazu, dass sie sozial, politisch und ökonomisch geächtet sind. Das ist nicht nur ein südasiatisches Phänomen, sondern betrifft weltweit etwa 260 Millionen Menschen. Während Dalits zunehmend ihre Rechte einfordern, gelangen auch Berichte von südasiatischen Migrant*innen, die in Großbritannien, Europa und Nordamerika kastenbasierte Diskriminierung erfahren haben, immer häufiger an die Öffentlichkeit.

Zu Ehren von Dr. B. R. Ambedkar, dem bedeutenden Menschenrechtsaktivisten und Gründungsvater des modernen Indiens, feiern wir im April den Dalit History Month. Dieser Gedenkmonat soll vor allem Stimmen aus der Dalit-Community Gehör verschaffen. Wir wollen die Diskussion über den langanhaltenden Kampf der Dalits fördern und zu ihrem Diskurs beitragen.

Anlässlich des Dalit History Month organisieren South Asian Scholars and Activists Solidarity (SASAS Germany) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Vortragsreihe, die verschiedene Aspekte der Kastenfrage und die Erfahrungen der Dalits in den Mittelpunkt rückt. Fünf Forscher*innen und Aktivist*innen, die den Dalits angehören und sich in der Anti-Kastenbewegung in Indien engagieren, sind eingeladen, ihre Arbeit und Überlegungen zum Thema Kaste vorzustellen.

Dr. Rupali Bansode wird sich mit Grundfragen des Kastensystems auseinandersetzen und mit der historischen Dimension der genderspezifischen sexuellen Gewalt, die Dalit-Frauen durch Männer aus höheren Kasten erfahren. Swati Kamble wird nachzeichnen, welchen Einfluss Dalit-Frauenrechtsaktivist*innen auf politische Entscheidungsprozesse im indischen Staat Maharashtra haben. Christina Dhanaraj wird die Heterogenität der Dalit-Community beleuchten, indem sie die facettenreiche Geschichte der christlichen Dalits in Indien aufgreift. Aroh Akunth wird sich dem Erbe von Dr. B.R. Ambedkar und dessen Bedeutung für queere Bewegungen widmen. Dr. Gajendran Ayyathurai wird die komplexe Geschichte von kastenlosen Inder*innen und ihres Widerstands gegen die brahmanische Ideologie behandeln.

Die Veranstaltungen finden auf Englisch statt. Die Präsentationen der Vortragenden werden zweisprachig auf Deutsch und Englisch angezeigt. Außerdem gibt es eine Flüsterübersetzung auf Deutsch.