Was muss passieren, damit die Gefahren, die von rechten Terrorist*innen in Uniform ausgehen, endlich ernst genommen werden. Die Skandale rund um Soldat*innen, Polizist*innen und andere Staatsdiener*innen, die sich in rechten Chatgruppen tummeln, in verschwörerischen Wehrsportgruppen sammeln und sich in Prepper-Klüngeln bewegen, gehen unterdessen in die Dutzenden und die Tendenz von Ermittlung und Aufarbeitung sowie der justiziellen Aburteilung sind von Abwiegeln, Kleinreden und Verharmlosen gekennzeichnet.
Ein besonders bizarres Beispiel für diese Bagatellisierung in der Strafverfolgung ist der schier unglaubliche Fall des Bundeswehr-Oberleutnants Franco A., der ab Donnerstag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt verhandelt wird. Aufgeflogen ist er Anfang 2017 als er versuchte, eine Waffe, die er in einer Toilette des Wiener Flughafens Schwechat deponiert hatte, dort wieder an sich zu nehmen. Die österreichische Polizei glaubte ihm seine Räuberpistole, er habe die alte Wehrmachtswaffe gefunden und sie eben den Behörden übergeben wollen, halbwegs, nahm ihm Fingerabdrücke ab und ließ ihn gehen. Die Fingerabdrücke übermittelten sie den deutschen Kolleg*innen und siehe da: ein Treffer! Die Abdrücke stimmten mit denen eines syrischen Asylsuchenden im Münchener Nachbarlandkreis Erding überein.
Friedrich Burschel ist Referent für Neonazismus und Strukturen / Ideologien der Ungleichwertigkeit bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Die Geschichte, die sich daran knüpft, macht vollends fassungslos: Der 28-jährige Oberleutnant hatte sich einen Bart wachsen lassen und am 29. Dezember 2015 als Geflüchteter aus dem Bürgerkriegsland ausgegeben. Er bekam tatsächlich subsidiären Schutz, alles lief wie geplant. Vor Gericht wird nun zu klären sein, ob Franco A. tatsächlich beabsichtigte, als «falscher Syrer» die «schweren staatsgefährdenden Gewalttaten» zu begehen, um das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen, was die Bundesanwaltschaft als Anklagebehörde auf den Plan rief.
Es wurden Waffen und reichlich Munition bei Franco A. gefunden, so etwas ähnliches wie Feindeslisten, die eher wie Einkaufszettel wirken, auf denen wie beiläufig die Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung mit einer kleinen Wegskizze, der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD), Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) und das Mitglied des Abgeordnetenhauses Anne Helm (LINKE), Antifaschist*innen, Philipp Ruch (Zentrum für Politische Schönheit) und weitere Personen notiert und nach «Priorität» sortiert sind. Ideologische Verbindungen des Angeklagten lassen sich in einschlägige (krypto-)faschistische Kreise wie die «Preußenabende» und zum «Jagsthausener Kreis», der auch schon mal den AfD-Senior Alexander Gauland als Redner eingeladen hatte, ebenso herstellen wie zum «sektenartigen» (taz) Verein «Uniter», in dem ein «Hannibal» ehemalige Soldat*innen - darunter etliche Mitglieder des Kommandos Spezialkräfte (KSK) -, Polizist*innen und Verfassungsschützer*innen um sich scharte, und zum «Süd»-Ableger der «Nordkreuz»-Gruppe, der ebenfalls Polizeibeamt*innen angehörten.
Auch die schriftlichen und mündlichen Äußerungen Franco A.s lassen nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig: seine umfangreichen Notizen auf Zetteln, ein Redemanuskript für einen der «Preußenabende» in München, Sprachmemos auf seinem Handy, Chatbeiträge und sonstige Äußerungen des Angeklagten sind durchweg antisemitisch, verschwörungsideologisch, rassistisch und völkisch-nationalistisch. Seine Masterarbeit, die er 2013 an der französischen Militärakademie Saint-Cyr schrieb, wurde unter dem Titel «Politischer Wandel und Subversionsstrategie» eingereicht. Darin malt er das aktuelle Wahnkonstrukt eines Genozids an der weißen Europäer*innen zum Zwecke des «Bevölkerungsaustausches» an die Wand und rechtfertigt Gewalt gegen Einwandernde. Außer einer Ermahnung durch einen Gutachter wegen des «radikalnationalistischen, rassistischen» Machwerks hatte das keine Konsequenzen. A. durfte eine neue Arbeit schreiben.
Trotz dieser in der Tat beeindruckenden Genese des jungen Franco A. zum völkischen Krieger und potentiellen Terroristen, ist er seit langem auf freiem Fuß und das OLG Frankfurt betrachtete die Vorwürfe des Generalbundesanwalts (GBA) als übertrieben und wollte das ganze Verfahren auf Landgerichtsebene eine Instanz tiefer ansiedeln. Erst eine Beschwerde des GBA und die Anordnung der Eröffnung des Verfahrens wegen «Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und anderer Delikte» vor dem OLG Frankfurt durch den Bundesgerichtshof (BGH) im November 2019 führt jetzt - noch einmal anderthalb Jahre später - zum Prozess dort. Ob das Gericht nach diesem höchstrichterlichen Rüffel ein Interesse daran hat, die Dimension der Causa Franco A. gänzlich und schonungslos auszuleuchten, scheint nicht sehr wahrscheinlich.
Nach der geradezu in Watte gebauschten Entscheidung des Landgerichts Schwerin im Falle des SEK-Beamten Marko G. reiht sich die bisherige Behandlung Franco A.s nahtlos ein in eine Verharmlosung des Geschehens, indem die «Übeltäter» zu Einzeltätern und Einzelfällen erklärt und teilweise pathologisiert werden. Der Beamte eines Sondereinsatzkommandos der Polizei Mecklenburg-Vorpommern, Schießausbilder und Präzisionsschütze, war Chat-Admin der Gruppe «Nordkreuz», postete schon mal Rassistisches und Hitlerbildchen und suchte mit seiner Gruppe im Internet nach Leichensäcken und Löschkalk für den herbeigesehnten Tag X des Systemkrise und des Umsturzes. Feindeslisten sollten die ersten Opfer für diesen Moment definieren. Am Ende wurde er von einem geradezu kameradschaftlich verständnisvollen Richter nicht mal für die rund 50.000 Schuss gehortete Munition zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, sondern nur wegen ein paar Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Verschwundene Munition aus Bundeswehr- und Polizeibeständen lässt seit ein paar Jahren das Land staunen: nicht nur, dass gefährliche Gegenstände einfach so massenweise verschwinden können, auch wenn das ruchbar wird, sind für die hortenden militanten Prepper kaum Sanktionen zu erwarten. Es liegt immer mehr die Vermutung nahe, dass hier Fanatiker in Uniform Waffen und Munition beiseiteschaffen, um ihre Aufstandsmilizen auszustatten und für den Endkampf am Tag X aufzustellen. Auch bei der «Gruppe S», deren mutmaßlichen drastischen Terrorplanungen gerade vor dem OLG Stuttgart verhandelt werden, war ein Polizeiangestellter in den Reihen der Verschwörer. Und unter der Munition, die bei der mutmaßlichen Rechtsterroristin Susanne G. aus dem Reichsbürger*innen-Milieu gefunden wurde und die sie zum Beispiel brieflichen Morddrohungen gegen Kommunalpolitiker im Nürnberger Raum beilegte, war Polizeimunition aus verschwundenen Chargen. Ihr Fall wird gerade vor dem OLG in München verhandelt.
Im Verfahren gegen Franco A. wird sich zeigen, inwieweit die Bagatellisierung der ernsten Gefahr, die von bewaffneten Profis in Uniform ausgeht, fahrlässig fortgesetzt wird.
Wie es aussehen kann, wenn ein ausgebildeter Soldat vom Vorbereiten direkt zur Tat schreitet, kann man gerade in Belgien verfolgen, wo ein rechter Soldat sich in der Nacht zum Mittwoch (19.5.2021) einen Granatwerfer, eine Maschinenpistole und eine Pistole genommen hat, um einen bekannten Virologen zu ermorden. Sein Auto wurde unterdessen gefunden, von dem Attentäter fehlt zur Stunde noch jede Spur: Artikel in der Brussels Times