Nachricht | Südliches Afrika Das «Versöhnungsabkommen» – Eine vertane Chance

Eine Stellungnahme des European Center for Constitutional and Human Rights

Information

Genozid-Denkmal vor der Alten Feste in Windhoek, Namibia. CC BY-SA 4.0, Foto: Wikimedia Commons

Historisch sind die deutschen Kolonialverbrechen in Namibia relativ gut aufgearbeitet – rechtlich nicht. Seit 2015 verhandeln die deutsche und die namibische Regierung über eine mögliche Wiedergutmachung für die Verbrechen, insbesondere den Völkermord an Ovaherero und Nama. Dieser Schritt barg enormes Potenzial, um Versöhnung und eine nachhaltige Grundlage für zukünftige Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia zu schaffen. Diese Chance wurde jedoch vertan.

Die beiden Regierungen vereinbarten eine strikte Geheimhaltungspflicht für die Verhandlungen, die Zivilgesellschaften der beiden Länder hatten daher keine Möglichkeit, sich angemessen zu informieren. Vertreter*innen von Opfernachfahren und betroffene Communities kritisierten von Beginn an, dass sie nicht in angemessener Weise beteiligt waren. Dass das zuvor angekündigte «Versöhnungsabkommen» im Juni 2021 schlussendlich nur als «Gemeinsame Erklärung» zustande kam, spricht Bände. Der vorhergehende Verhandlungsprozess missachtete zudem völkergewohnheitsrechtliche Beteiligungsrechte. Die deutsche Regierung ruht sich auf formalen Gesten aus, entzieht sich jedoch jeglicher rechtlicher Verantwortung für die Kolonialverbrechen. Zwar will Deutschland in den kommenden Jahren «Hilfsprogramme» in Namibia anstoßen – doch Entwicklungshilfe ist nicht gleich rechtliche Anerkennung auf Augenhöhe oder die tatsächliche Leistung von Reparationen.

Echte und nachhaltige Versöhnung kann so nicht funktionieren. Lesen Sie hier die ECCHR-Stellungnahme zur «Kolonialismus-Erklärung» zwischen Deutschland und Namibia.

Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) ist ein strategischer Partner der Rosa-Luxemburg-Stiftung, mit dem wir viele Kooperationsprojekte umsetzen. Aktuell arbeiten wir gemeinsam an einer Filmreihe, die die Beziehung von Kolonialismus und internationalem Recht in den Fokus rückt. Das Völkerrecht entwickelte sich parallel zu den Kolonisierungsprozessen im 19. und Anfang des 20. Jh. und in einer Art und Weise, die die strukturelle Gewalt gegenüber den «Kolonisierten» formell legitimieren konnte. Das massive Unrecht wurde dadurch «unsichtbar» gemacht. Indem den Menschen in den Kolonien ihr «Menschsein» abgesprochen wurde, konnten ihre politisch verfassten Gemeinwesen, ihre Rechtssysteme und ihre Zuteilung von Land oder sonstigen Reichtümern ignoriert werden. Viele der wesentlichen Grundannahmen des Rechts, wie wir sie heute noch kennen und anwenden, entstanden zur Zeit des Kolonialismus. Damals etablierte strukturelle Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnisse bleiben teilweise noch heute durch Recht legitimiert.

Den Nachwirkungen des Kolonialismus im Bereich des internationalen Rechts widmet sich der Sammelband Dekoloniale Rechtskritik und Rechtspraxis von Karina Theurer und Wolfgang Kaleck vom ECCHR, Nomos, August 2020, mittlerweile auch bei der bpb erschienen. Ziel des Buches ist es, de-koloniale Blickwinkel auf das internationale Recht und seine Entwicklung herauszuarbeiten und das Unrecht sichtbarzumachen, das nach wie vor in der Anwendung (post-)kolonialen Rechts liegt. Neben einer Intervention in rechtswissenschaftliche Debatten in Deutschland zielt das Buch darauf ab, die Vorgehensweise und Vernetzung bezüglich der Bekämpfung rassistischer Strukturen und kolonialer Machtverhältnisse zusammenzudenken sowie, auf lange Sicht, zivilgesellschaftliche Bündnisse und Kämpfe in Deutschland und Namibia zu vernetzen und voranzubringen.  Im ersten Film der Reihe werden die Folgen von Kolonialismus und die Legitimierung von kolonialer Gewalt durch internationales Recht am Beispiel Namibia filmisch visualisiert.  

Stellungnahme und Forderungen

  • Vertreter*innen der Nama, Ovaherero und San kritisieren, dass sie nicht angemessen an den zwischenstaatlichen Verhandlungen zum «Versöhnungsabkommen» zwischen Deutschland und Namibia beteiligt waren (darunter verschiedene Royal Houses und Traditional Authorities, das Nama Genocide Technical Committee, die Nama Traditional Leaders Association und die Ovaherero Traditional Authority).
  • Gerechtigkeit und nachhaltige Versöhnung im Sinne einer «restorative justice» kann es nur geben, wenn die Nachfahren der Opfer und die von den Kolonialverbrechen betroffenen Gruppen (Communities) – hier Nama, Ovaherero, Damara und San – an den Verhandlungen, Gesprächen, und Vereinbarungen beteiligt sind. Ein einfaches Bekenntnis in einer gemeinsamen Erklärung kann die Versäumnisse aus dem Verhandlungsverfahren nicht ausgleichen. Das ist nicht nur eine politische Frage: Beteiligungsrechte sind völkergewohnheitsrechtlich anerkannte individuelle und kollektive Menschenrechte. Verankert sind sie im Internationalen Pakt bürgerlicher und politischer Rechte (IPbpR). Konkretisiert werden sie unter der Beachtung der Staatenverpflichtung nach dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (ICERD), in der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP) und in den UN-Basic Principles and Guidelines on the Right to Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights Law and Serious Violations of International Humanitarian Law. Diese Rechte umfassen insbesondere auch das Recht auf Selbstbestimmung, die Freiheit von rassistischer Diskriminierung und das Recht auf effektiven Rechtschutz und Reparation.
  • Deutschland muss sich seiner Verantwortung für die Kolonialverbrechen in seinen ehemaligen Kolonien im vollen Umfang stellen. Bereits vor den Vernichtungsbefehlen durch General Lothar von Trotha 1904 wurden die Menschen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika systematisch enteignet, entrechtet, getötet und vergewaltigt. Auch nach 1908 hielten die Verbrechen an. Betroffen waren auch weitere Gruppen wie San oder Damara.
  • Die in der Gemeinsamen Erklärung gewählten Begrifflichkeiten und die Weigerung, den (Rechts-)Begriff der Reparationen zu verwenden, zeigen deutlich, dass die deutsche Regierung versucht, sich aus einer umfänglichen und rechtlichen Verantwortung für seine koloniale Vergangenheit herauszuwinden. Eine Entschuldigung für den Völkermord, wie in der Erklärung niedergeschrieben und wohl in persona vorgesehen, ist zwar im Grundsatz zu begrüßen, wird aber in ihrer Wirkung ganz wesentlich davon abhängen, ob sie als authentisch von den betroffenen Gruppen und Opfernachfahren empfunden wird. Dies ist zweifelhaft angesichts der massiven Kritik am Abkommen im Mai 2021. Zudem bleibt die Geste der Entschuldigung rein symbolisch, wenn sie nicht mit weiteren Mitteln der Reparationsleistung verbunden ist. Dies ist unabdingbar, um koloniales Unrecht wiedergutzumachen und eine stabile und gleichberechtigte Basis für zukünftige Beziehungen zu schaffen.
  • Von zentraler Bedeutung wird jetzt sein, dass bei der Umsetzung der in der Gemeinsamen Erklärung vorgesehenen «Programme zum Wiederaufbau und Entwicklung» zivilgesellschaftliche Akteure und von den Kolonialverbrechen besonders betroffene Gruppen – auch in der Diaspora – angemessen beteiligt werden und ihre Interessen und Bedürfnisse zuvörderst Beachtung finden, dass individuelle und kollektive Menschenrechte geachtet und die Projekte allgemein auf gender-sensible und inklusive Weise umgesetzt werden. Zu den dabei zu beachtenden Rechten gehören insbesondere die Beteiligungsrechte und das principle of free, prior and informed consent (Grundsatz der freiwilligen, vorherigen und in Kenntnis der Sachlage erteilten Zustimmung), wie sie in Artikel 1, 25 IPbpR zusammen mit Artikel 3, 18 und 19 der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker unter besonderer Berücksichtigung der UN Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples ausformuliert sind.

Ende des 19. Jahrhunderts strömten deutsche Unternehmen, Händler, Siedler und Truppen ins Gebiet des heutigen Namibia und raubten systematisch Land, natürliche Ressourcen und Vieh. Über Jahrzehnte fand so eine grundlegende Verschiebung von Reichtum hin zur deutschen Minderheit statt – zu Lasten der lokalen Bevölkerung. Anstatt diese als gleichberechtigte Verhandlungspartner anzuerkennen, setzten die Kolonisatoren von Beginn an massive Gewalt etwa gegen Ovaherero, Nama, Damara und San ein und versuchten teils, sie gegeneinander auszuspielen. Das Deutsche Kaiserreich sicherte sich seinen Herrschaftsanspruch durch die formelle Gründung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Sowohl der Transfer von Reichtum als auch der grausame Umgang mit den Menschen wurden durch rassistische Zuschreibungen und die Vorstellung einer «zivilisatorischen Mission» gerechtfertigt. Das rassistische Apartheidsystem wurde formell legitimiert durch ein zweigeteiltes rechtliches System: mit einem Korpus an Rechtsnormen, der für weiße deutsche Staatsangehörige galt und einem davon getrennten Korpus, der für «nicht-weiße» Menschen in den Kolonien galt. Verwaltung und Justiz in den Kolonien waren geprägt von rassistischer Willkür.

In den Jahren 1904 und 1905 verkündete der deutsche General Lothar von Trotha Vernichtungsbefehle gegen die Ovaherero and Nama. Ungefähr 90.000 Menschen, darunter Frauen und Kinder, starben in Kämpfen oder wurden in Wüsten getrieben, die man abriegelte und deren Quellen man vergiftete, damit die Menschen verhungerten und verdursteten. Flüchtende wurden gezielt zurück in die Wüsten getrieben. Die Deutschen errichteten Konzentrationslager, z.B. in Lüderitz, zwangen dort Menschen zur Arbeit und vergewaltigten systematisch Frauen und Mädchen. Letztere zwang man zudem, das Fleisch von den abgeschnittenen Köpfen der Getöteten abzukratzen – teils ihre Familienangehörigen oder Bekannten. Die Schädel und Gebeine brachte man nach Deutschland, um sie dort zu «rassekundlichen Forschungszwecken» zu nutzen. Weiße Jäger veranstalteten auch in den Folgejahren regelrechte Menschenjagden auf San.

Die Traumata wirken nach

Die rassistische Unterdrückung dauerte weit über das Ende der deutschen Kolonialherrschaft bis in die 1990er in Form des südafrikanischen Apartheitsregimes an. Bis heute gehört der Großteil des namibischen Bodens weißen Farmer*innen. Einzig eine Handvoll von Unternehmen und Privatleuten profitiert vom Zugang zu Naturvorkommen und von deren Verwertung. Der koloniale Transfer von Reichtum, die Völkermorde und die jahrzehntelange rassistische Unterdrückung des Großteils der namibischen Gesellschaft haben eine transgenerationale soziale, wirtschaftliche und kulturelle Exklusion der Betroffenen erzeugt. Die komplexen Nachwirkungen deutscher und späterer südafrikanischer Kolonialherrschaft sind immer noch nicht ausreichend aufgearbeitet. Die Traumata wirken nach, die Wunden sind teils noch offen.

Grundsätzlich sind eine historische Aufarbeitung sowie die rechtliche Anerkennung begangener Taten inklusive ihrer komplexen Nachwirkungen unerlässlich, um kollektive Heilungsprozesse und Versöhnung zu ermöglichen und so eine stabile Basis für friedliche und gleichberechtigte Beziehungen zu schaffen. Im Hinblick auf Namibia würde das bedeuten, dass der Kolonialismus und die Kolonialverbrechen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika vollumfänglich aufgearbeitet und auch rechtlich anerkannt würden. Sowohl die Aufarbeitungsprozesse wie auch die Gespräche über Reparationen müssten transparent und inklusiv sein. Nachfahren von Opfern und betroffene Communities müssten von Anfang an in angemessener Weise beteiligt sein und es müsste sichergestellt sein, dass die Verfahren selbst im Einvernehmen mit ihnen beschlossen und durchgeführt würden. Beteiligt sein müssten auch Vertreter*innen der betroffenen Communities in der Diaspora. Die systematisch erfolgte geschlechtsbezogene und sexualisierte Gewalt sowie die große Zahl an erzwungenen Schwangerschaften müssten in diesem Zusammenhang auch dringend aufgearbeitet werden. Nur so sind Gerechtigkeit, nachhaltige Versöhnung und kollektive Heilung möglich.

In diesem Sinne ist die zwischen Namibia und Deutschland beschlossene Gemeinsame Erklärung – bedauerlicherweise nicht überraschend – eine vertane Chance.

Die von beiden Staaten vereinbarte und bis zum Schluss beibehaltene strikte Geheimhaltung bezüglich des Verhandlungsverlaufs und der Positionen der Regierungen war von Beginn an ein Schlüsselproblem. Die Beweggründe für die Vereinbarung dieser strikten Geheimhaltung sind nicht klar. Außerdem ist weiterhin nicht bekannt, nach welchen Kriterien die seitens der namibischen Regierung zu den Verhandlungen hinzugezogenen Vertreter*innen von Nama und Ovaherero ausgewählt wurden. Dieses Verhalten der beiden Staaten hat nachvollziehbarerweise Zweifel und Misstrauen auf Seiten der Ovaherero, Nama und San verschärft, deren gewünschte Vertreter*innen nicht mit am Verhandlungstisch sitzen durften. Zudem kritisieren Opfernachfahren aus der Diaspora, dass auch sie ihre Interessen in den Verhandlungen vertreten und berücksichtigt wissen wollen. Auch dies ist bisher nicht geschehen.

Zwischenstaatliche Übereinkünfte müssen menschenrechtskonform zustande kommen

Angemessene Beteiligung ist nicht nur eine politische Frage. Sie ist rechtlich geregelt und somit auch eine Frage der Menschenrechte. Das kollektive Recht indigener Völker, an sie betreffende Angelegenheiten in angemessener Weise beteiligt zu werden, das Recht, die eigenen Vertreter*innen selbstbestimmt und frei zu wählen und das Recht des free, prior and informed consent sind völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Ausformuliert sind diese Rechte etwa in der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP), aber auch in den grundlegenden Menschenrechtspakten, wie dem Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) sowie dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (ICERD). Die in Artikel 1, 25 IPbpR und Artikel 5 ICERD verankerten Menschenrechte werden ergänzt durch das Recht auf Selbstbestimmung und die Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights Law and Serious Violations of International Humanitarian Law (UN Doc A/Res/60/147), die einen effektiven Rechtsschutz und das Recht auf Reparationen in Fällen von Menschrechtsverletzungen und von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht garantiert.

Staaten sind in ihrem hoheitlichen Handeln in ihren internationalen Beziehungen an Menschenrechte gebunden und müssen im Einklang mit internationalem Recht handeln. Dies gilt nicht nur für den Inhalt von Übereinkünften, sondern auch für die Verhandlungsprozesse. Ohne eine angemessene Beteiligung betroffener Communities, wie in diesem Fall jedenfalls der Nama, Ovaherero und San, kann sich zudem keine heilende Wirkung einstellen, Gerechtigkeit im Sinne einer «restorative justice» ist damit ausgeschlossen.

Unterschiedlichste Institutionen der Vereinten Nationen haben die unzureichende Beteiligung der betroffenen Gemeinschaften aus rechtlicher Perspektive beklagt und umfassend kritisiert. Schon im Jahr 2017 stellte die UN-Arbeitsgruppe von Expert*innen für Menschen Afrikanischer Abstammung fest, dass es sehr bedauerlich sei, dass «the Government of Germany has thus far not consulted seriously with the lawful representatives of the minority and indigenous victims of that genocide to discuss reparations» (HRC/36/60/Add.2, Rn. 53). Sie forderte deshalb, dass «[t]he Ovaherero and Nama people must be included in the negotiations currently ongoing between the Governments of Germany and Namibia» (HRC/36/60/Add.2, Rn. 61). Im Rahmen des Universal Periodic Review-Verfahrens im Jahr 2018 forderte die damalige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet den deutschen Außenminister Heiko Maas in einem auf den 2. November datierten Brief dazu auf, sicherzustellen, dass «…Ovaherero and Nama peoples are included in the negotiations between the Governments of Germany and Namibia following the apology by Germany for the genocide of these people». Im Mai 2018 verlangte zudem die Human Rights Council Working Group on the Universal Periodic Review von Deutschland, Nama and Ovaherero in die fortlaufenden zwischenstaatlichen Verhandlungen einzubinden (A/HRC/WG.6/30/DEU/2, Rn. 29).

Deutschland muss sich seiner Verantwortung stellen

Deutschland muss sich der Verantwortung für seine Kolonialverbrechen vollumfänglich und unbedingt stellen – und zwar auch im rechtlichen Sinn. Die als Gemeinsame Erklärung bezeichnete Übereinkunft tut genau dies nicht. Der Völkermord an den Ovaherero und Nama im Anschluss an die Vernichtungsbefehle muss als solcher auch rechtlich anerkannt werden. Der Kolonialismus an sich – die rassistische Gewalt, die Schaffung von Apartheidregimes, rassistische Gesetze, der systematische Transfer von Reichtum, Zwangsarbeit bis zum Tod und systematische sexualisierte Gewalt – müssen als Völkerrechtsverbrechen, als Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht oder als Völkerrechtverbrechen anerkannt werden. Reparationen gemäß des CARICOM-10-Punkte-Plans sind zu leisten mit dem Ziel, den übernommenen strukturellen Rassismus zu bekämpfen und die transgenerationale wirtschaftliche, soziale und kulturelle Exklusion abzumildern.

Um den deutschen Kolonialismus aufzuarbeiten, könnte eine Wahrheitskommission ein gangbarer Weg sein. Dekoloniale Theoretiker*innen könnten beteiligt werden, ebenso Expert*innen zu geschlechtsbezogener Gewalt. Mitglieder der namibischen Zivilgesellschaft sollten ebenso vertreten sein wie selbstgewählte Vertreter*innen der betroffenen Communities. Eine Sammlung der dort gemachten Aussagen könnte als Archiv der Geschehnisse und der Erinnerung an die Resilienz und den Widerstand der Communities dienen und so zugleich eine belastbare Grundlage für einen Neuanfang sein.

Die von Deutschland und Namibia ausgehandelte Gemeinsame Erklärung ist unzulänglich und genügt auch internationalen und menschenrechtlichen Standards und Garantien für solche Aussöhnungsprozesse nicht. Es beruht auf einer überkommenen Vorstellung vom Völkerrecht als rein zwischenstaatliches Recht und der damit einhergehenden Einschätzung, kolonialem Unrecht könne nur durch zwischenstaatliche Verhandlungen begegnet werden. Das Gegenteil ist richtig: Das internationale Recht verlangt in solchen Konstellationen von den Staaten, die Beteiligung der betroffenen Communities in angemessener Weise sicherzustellen, und gemäß dem Grundsatz des free, prior and informed consent ihre Einwilligung einzuholen. Völkermord, Reparationen und rechtliche Verantwortlichkeit sind ein Dreiklang, der so aus dem internationalen Recht nicht wegzudenken ist. Das wurde bis dato missachtet.

Die rechtliche Aufarbeitung des Kolonialismus betrifft auch die Gegenwart

Was immer wieder deutlich wird: Das Aushandeln rechtlicher Verantwortlichkeit für koloniales Unrecht betrifft nicht nur die Aufarbeitung der Vergangenheit. Im gleichen Maße betrifft dieser Prozess auch die Menschenrechte der Mitglieder der betroffenen Communities heute. Deutschlands Position, dass dies eine rein politische Frage sei, ist unzutreffend. Denn dies entspricht in keinster Weise seinen staatlichen Verpflichtungen, grobe Verstöße gegen das Völkerrecht zu verurteilen und verletzt zudem auch als solches die Kollektivrechte und die Würde der betroffenen Gemeinschaften. Dies bedeutet: Wenn es in der Vergangenheit zu schwersten Menschenrechtsverletzungen kam, diese zudem in größere Unrechtszusammenhänge einbettet und systematisiert sind, müssen die Betroffenen ihre rechtlichen Ansprüche geltend machen können, denn sonst ist die Verweigerung selbst eine weitere Menschenrechtsverletzung.

Es ist begrüßenswert, dass Deutschland in der Gemeinsamen Erklärung um Entschuldigung bittet. Zudem soll es eine «offizielle Entschuldigung» des deutschen Bundespräsidenten für den Völkermord an den Ovaherero und Nama geben, genauso wie weitere versöhnungs- und erinnerungskulturelle Initiativen, die auch finanziell von Deutschland zusammen mit Bildungs- und Forschungsinitiativen mit 50 Millionen Euro im Rahmen der zugesicherten 1,1 Milliarden Euro unterstützt werden sollen. Ob eine solche Entschuldigung als aufrichtige Geste von den Nachfahren der Opfer angenommen werden kann, wird von diversen Faktoren abhängen und muss abgewartet werden. Angesichts dessen, dass zahlreiche Vertreter*innen der Nama, Ovaherero und San auch seit Bekanntwerden einer baldigen Vereinbarung schon im Mai 2021 ihre Kritik daran bekräftigten und dies als nicht hinnehmbar bezeichneten – darunter auch Royal Houses und Traditional Authorities, das Nama Genocide Technical Committee, die Nama Traditional Leaders Association und die Ovaherero Traditional Authority – bestehen an der versöhnenden Wirkung einer solchen Entschuldigung erhebliche Zweifel. Und wie sich nunmehr zeigt, kritisierten die Vertreter*innen der Ovaherero, Nama und San ebenso wie die namibische parlamentarische Opposition in den Tagen vor Bekanntwerden der Erklärung diese zu Recht. Die Bedenken, dass Deutschland die Bedingungen für eine Entschuldigung zu einseitig diktiert, bestätigten sich dann auch im Text der Erklärung: Dort heißt es schon im Folgeabsatz zum Ausspruch der Entschuldigung, dass die «Regierung und die Bevölkerung Namibias Deutschlands Entschuldigung annehmen». Jedoch sind eben auch die Vertreter*innen der Ovaherero, Nama und San, sowie die Vertreter*innen der namibischen Opposition in ihrer Funktion als Vertreter*innen des Volkes ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung. Wie kann also eine solche Annahme einfach so apodiktisch festgestellt werden?

Vom Grundsatz her ist es in gewisser Hinsicht natürlich auch begrüßenswert, dass Deutschland Programme der Entwicklungszusammenarbeit, zur Landreform und zum Landerwerb, zur Landerschließung, Landwirtschaft, zu ländliche Lebengrundlagen und natürlichen Ressourcen, ländlicher Infrastruktur, Energie und Wasserversorgung sowie fachlicher und beruflicher Bildung und Ausbildung finanziell mit 1,050 der 1,1 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 30 Jahren unterstützen will. Allerdings befürchten zivilgesellschaftliche Akteur*innen, dass gerade die am stärksten marginalisierten Gruppen und vor allem Nachfahren der Opfer, die als Folge der Kolonialherrschaft und ihrer Verbrechen in der Diaspora leben, wegen ihrer mangelnden Beteiligung und Einbeziehung nicht unbedingt durch diese Programme erreicht würden. Zudem gibt es in großen Teilen der Zivilgesellschaft und in den betroffenen Communities ein ausgeprägtes Misstrauen gegen Regierung und Verwaltung wegen Korruption und Vetternwirtschaft. Von zentraler Bedeutung bleibt auch die Frage, wie die Zusage von «Entwicklungshilfe» im Lichte von Reparationsforderungen für Kolonialverbrechen zu sehen ist. Denn Entwicklungshilfe hat nichts mit der Wiederherstellung von Gerechtigkeit zu tun, sie passiert von oben herab und nicht auf Augenhöhe. Diese Bedenken zeigen nachdrücklich, welche toxischen Auswirkungen nicht-inklusive Aushandlungsprozesse zu der Verantwortung für eine koloniale Vergangenheit zwangsläufig haben, die durch Völkermord und Kolonialverbrechen geprägt ist.

Doch durch die Berufung auf den Grundsatz der Intertemporalität – so heißt es in der Erklärung, dass die Ermordung der Ovahereo und Nama 1904-1908 nur ein «Völkermord aus heutiger Perspektive» sei – reproduziert die ehemalige Kolonialmacht Deutschland ebenjene kolonialistischen Herrschaftsstrukturen und rassistische Exklusion, die damals den Kolonialismus und das koloniale Unrecht getragen haben. Denn so folgt aus der Argumentation, dass das heutige Völkerrecht keine Anwendung zum Schutze der damals Kolonisierten findet: Sie gehörten dem Kreis der sogenannten zivilisierten Nationen nicht an, das heißt, es gab rechtlich keinen Völkermord, kein unrechtmäßiges Verhalten der Kolonialmacht und somit sind auch keine Reparationen fällig. Diese Argumentationsstruktur zeigt, wie kolonialistische Herrschaftsmuster weiterleben. Auf der einen Seite wird ein Verhalten außerhalb des Rechts gesehen, während Deutschland sich gleichzeitig der rechtlichen Doktrin des intertemporalen Rechts bedient, um sich seiner Verantwortlichkeit zu entledigen.

Problematischer Kampf um Form und Begriffe

Es bleibt ein ambivalentes Gefühl zurück, auch wenn es selbstverständlich begrüßenswert ist, dass überhaupt von Völkermord gesprochen wird, wenn es um die Tötung zehntausender Nama und Ovaherero allein im Zeitraum zwischen 1904-08 durch deutsche Kolonialisten geht. Aber es ist bedauerlich, dass nach jahrlangem strategischen Kampf um die richtigen Worte letztendlich nur eine abgestufte Verwendung des Begriffs gewählt wurde: Das Auswärtige Amt benutzt die Bezeichnung «Völkermord aus heutiger Perspektive» und wiederholt in der Erklärung, dass es sich um eine rein moralische Verantwortung handelt, die somit auch nur eine rein moralische, historische und politische Verpflichtung zur Entschuldigung für den Völkermord nach sich ziehen kann. In derselben Weise wird klargestellt, dass sich «in Folge die für die Versöhnung und für den Wiederaufbau erforderlichen Mittel» nur aus dieser Form der normativ schwachen Verpflichtung ergeben.

Auch die bis zuletzt aufrechterhaltene Weigerung, den Begriff der Reparationen zu verwenden, folgt der Logik des Nichteingestehens der eigenen rechtlichen Verantwortung. Zumal spiegelt sie eine politische Strategie wieder, die sich bereits in der ursprünglichen Weigerung zeigte, den Begriff des Völkermords überhaupt zu verwenden. Diese Position kann nicht deutlicher gemacht werden als in der Wahl des Formats für die Übereinkunft mit Namibia, nämlich das der Gemeinsamen Regierungserklärung. Dies und der begleitende politische und diplomatische Diskurs weisen eindeutig eine Sprache der Moralität und wie es im Völkerecht heißt, der «comity» auf, zu deren rechtlicher Grenzwertigkeit vieles gesagt werden könnte.

Ähnlich verhält es sich mit Wortschöpfungen wie «Geste der Anerkennung» und «Heilen der Wunden», durch die der Begriff der «Reparationen» gemieden wird. Recht habe mit all dem nichts zu tun, so die unilaterale Aussage bis zum Ende der Verhandlungen seitens des deutschen Staats. So will die Terminologie der «Geste der Anerkennung» genau das vermeiden: nämlich die Anerkennung einer rechtlichen Verantwortlichkeit, die über eine Geste hinausgeht. Gleiches gilt für den Begriff des «Heilen der Wunden der Vergangenheit», ein Begriff, der vom namibischen Staat 2020 eben aus diesem Grunde noch zurückgewiesen wurde und nunmehr doch wieder Einzug in den Text der Gemeinsamen Erklärung gefunden hat.

Mit Blick auf die Basic Priniples of Remedy and Reparations ist zwar zu begrüßen, dass Deutschland verstanden hat, dass nur unter der Beteiligung und besonderen Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse der «Nachkommen der besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen» Prozesse der Versöhnung begonnen werden können und dabei der Landfrage im Falle Namibias besondere Bedeutung zugewiesen werden muss. Dennoch bleiben unter eben genau denselben Gesichtspunkten Bedenken: Denn wie kann mit Blick auf das Recht des free, prior and informed consent hier wieder einzig auf zwischenstaatlicher Ebene beschlossen werden, dass die in der Erklärung genannten Beträge «alle finanziellen Aspekte der vergangenheitsbezogenen Fragen, die in dieser Gemeinsamen Erklärung behandelt werden» abdecken?

Diese problematische Haltung, die sich – und das darf man nicht vergessen – durch den gesamten Verhandlungsprozess seit 2015 zieht, spiegelt die Erklärung trotz der oben genannten zu begrüßenden Ansätze wieder. Denn erfahrungsgemäß baut Entwicklungszusammenarbeit auf asymmetrischen Beziehungsmustern zwischen dem Globalen Norden und Globalen Süden auf. Dekoloniale Rechtswissenschaftler*innen weisen immer wieder darauf hin, dass in diesen Konstellationen die Stellung und Rolle des Ersteren durch eine noblesse oblige geprägt ist, während Letzteren nur die Rolle als Bittsteller bleibt. Entwicklungszusammenarbeit meint nicht Dekolonisierung, sondern ein Verharren in einem wirtschaftlichen und politischen System, das koloniale Hierarchien perpetuiert. Dagegen würden echte Reparationen verdeutlichen, dass der Globale Norden dem Globalen Süden etwas schuldet – und zwar nicht nur eine Geste.

Es zeigt sich also in allen Begrifflichkeiten vom Titel der Gemeinsamen Erklärung angefangen bis hin zu der Entscheidung, von Programmen zur Hilfe zum Wiederaufbau und Entwicklung statt Reparationsprogrammen zu sprechen, dass das semantische Ringen – ja fast schon der Kampf um Begriffe («semantic struggle») – zugunsten eines normativ sehr dünnen, fast leeren Bekenntnisses zur Anerkennung der eigenen kolonialen Schuld entschieden worden ist.

Aufarbeitung umfasst eben auch rechtliche Anerkennung

All dies ist schwer nachvollziehbar, denn auch die UN-Arbeitsgruppe von Expert*innen für Menschen Afrikanischer Abstammung, die Deutschland im Jahr 2017 besuchte, bezeichnete die Versklavung und Vertreibung der Nama und Ovaherero in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat klar als Völkermord (A/HRC/36/60/Add.2, Rn. 8):

The suffering of the Ovaherero and Nama peoples at the hands of the German authorities, also known as the »first genocide of the twentieth century”, has left an indelible mark on the souls of both victims and perpetrators. The colonial past of Germany, the genocide of the Ovaherero and Nama peoples and the sterilization, incarceration and murder of people of African descent under the Nazi regime in Germany are not addressed in the national narrative.

und empfiehlt, dass:

Germany should recall its role in the history of colonization, enslavement, exploitation and genocide of Africans, and should make reparations to address the continued impact of those acts. (…) The Working Group emphasizes that the history of racism in Europe should also be understood through an analysis of the events preceding the Second World War, taking into account the correct sequence of historical events. (A/HRC/36/60/Add.2, Rn. 61)

Auch Pablo de Greiff, früherer UN-Sonderberichterstatter über die Förderung von Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Garantien für Nichtwiederholung (UN Special Rapporteur on truth, justice, reparations and guarantees of non-repetition), wies deutlich darauf hin, welche Konsequenzen es für kollektive gesellschaftliche Heilungsprozesse hat, wenn Staaten sich davor zieren, den Begriff «Reparationen» zu verwenden und zu begreifen, dass Aufarbeitung eben auch umfasst, rechtliche Anerkennung zu tätigen und Verantwortung zu übernehmen:

Reparation programs that fail to acknowledge responsibility in effect attempt to do the impossible. Just as an apology is ineffective unless it involves an acknowledgment of responsibility for wrongdoing (an apology depends on such recognition, everything else being an excuse or an expression of regret) reparation programs that fail to acknowledge responsibility do not provide reparation and are more akin to mechanisms for the distribution of indemnification benefits.

Experience confirms that victims, quite correctly, do not see the transfers performed through such programs as reparations, and therefore continue to struggle to have that right satisfied. (Rn. 62-63)

Aus diesen Gründen kann es Gerechtigkeit und nachhaltige Versöhnung im Sinne einer «restorative justice» nicht geben, solange betroffene Gruppen wie Ovaherero, Nama oder San nicht in angemessener Weise an den darauf abzielenden Gesprächen, Verhandlungen und nunmehr auch bald Umsetzungsmaßnahmen beteiligt sind und sich vor allem auch selbst angemessen mit einbezogen fühlen. Dies in eine Erklärung festzuhalten genügt nicht – und die Erwartungen sind hoch, ob die «Versprechen», denn mehr sind sie nicht, zumindest auch für die Zukunft eingehalten werden. Reparationen sind unabdingbar, um Kolonialverbrechen und koloniales Unrecht aufzuarbeiten und um gleichberechtigte und tragfähige Beziehungen für eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Genau dieser Punkt ist in den United Nations Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights Law and Serious Violations of International Humanitarian Law enthalten. Diese Prinzipien besagen eindeutig, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen ein Recht auf Reparationen haben, die Teil eines breiteren Systems an Maßnahmen und Verfahren zur Aufarbeitung von Menschrechtsverletzungen sind.

Will Deutschland einen echten Versöhnungsprozess?

Kompensation – finanzielle Entschädigung – ist hier nur eine Form der Reparation. Ebenso wichtig sind Restitution, Satisfaktion, Rehabilitierung und die Garantie des Nichtwiederholens, um vergangene Menschenrechtsverletzungen wiedergutzumachen. Gemäß der Basic Principles of Remedy and Reparations gehören dazu:

  • Überprüfen der Faktenlage und Publizieren der entsprechenden Ergebnisse
  • Suche nach Menschen, die verschwunden gelassen wurden und nach den Leichen derer, die getötet wurden
  • Offizielle Erklärungen und/oder Gerichtsurteile, in denen die Würde, der Ruf und die Rechte der Opfer oder ihrer nahen Angehörigen wiederhergestellt werden
  • Eine öffentliche Entschuldigung mit Anerkennung des Geschehenen, der eigenen (rechtlichen) Verantwortung und Erinnern und Tributzollen der Opfer.
  • Vor allem aber auch Unterstützung beim Bergen der Leichname, deren Identifizierung und würdevolle Bestattung entsprechend der Wünsche der Familienangehörigen und im Einklang mit den jeweiligen kulturellen Praktiken der Communities

Vor dem Hintergrund von den Restitutionsforderungen der Nachfahren, Human Remains/Ancestors und/oder Artefakte herauszugeben, wäre es aufgrund des hohen auch symbolisch und kulturellen Stellenwerts und der heilenden Wirkung solcher Zurückführungen von Ahnen und Artefakten wünschenswert gewesen, wenn dazu etwas in der gemeinsamen Erklärung gestanden hätte.

Trotz dieser Herausforderungen, die mit Reparationsleistungen und angewandten Konzepten wie Wahrheit, Gerechtigkeit, eben Reparationen und der Garantie des Nichtwiederholens kommen mögen: Die Gemeinsame Erklärung hat sich ihnen nicht gestellt. Was zumindest die Umsetzung betrifft, bleibt zu hoffen, dass Deutschland begreift, dass es sich diesen Herausforderungen stellen muss, will es seinem selbst gesetzten Anspruch der «Versöhnung» genügen.

Eine Schlüsselrolle wird spielen, zumindest zukünftig zivilgesellschaftliche Akteure sowie Vertreter*innen der betroffenen Communities tatsächlich im Einklang mit individuellen und kollektiven Menschenrechten, und dabei insbesondere mit den einschlägigen Beteiligungsrechten, an der Umsetzung der in der Übereinkunft vorgesehenen Hilfsprogramme einzubeziehen. Von Bedeutung sind Artikel 3, 18 und 19 der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker, Artikel 1, 25 IPbpR und Artikel 5 ICERD, die oben benannten Basic Prinicples of Remedy and Reparations und die UN Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples. Der Grundsatz des free, prior and informed consent steht für den Anspruch, koloniale Schemata aufzubrechen und zuvor exkludierte und unsichtbar gemachte Gruppen in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, die sie selbst betreffen und zwar durch selbstgewählte Vertreter*innen. Staaten sind daran zu messen, ob sie internationale Beteiligungsrechte einhalten – auch bei der Umsetzung gemeinsamer Projekte.

Sarah Imani
Karina Theurer
Wolfgang Kaleck

European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)

Juni 2021