Nachricht | Soziale Bewegungen / Organisierung - Südostasien Thailands Jugend zwischen Protest und Repression

Praphakorn Lippert über den Aufbruch und die Grenzen der Bewegung

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Die «Pro-Demokratie» Gruppierung «United Front of Thammasat und Demonstration» protestiert in Bangkok, Thailand. Die Aktivist*innen fordern u.a. eine Reform der Monarchie im Land. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Varuth Pongsapipatt

Seit Februar 2020 organisieren Zehntausende überwiegend junge Menschen in Thailand regelmäßig Massendemonstrationen gegen die militärnahe Regierung von General Prayuth Chan-ocha. Es ist die größte Protestwelle, die das Land seit dem Militärputsch im Jahr 2014 erlebt hat. Die mutigen und kreativen Jugendproteste erfahren großen Zulauf, sehen sich aber auch einer immer stärker werdenden Repression von Seiten des Staates ausgesetzt.

Trotz der brutalen Unterdrückung durch die Sicherheitsbehörden finden weiterhin fast täglich Proteste für Demokratie und Reformen statt. In den letzten Monaten hat sich ein Teil der Protestierenden radikalisiert; die zuvor gewaltfreien Proteste werden nun durch Formen des Widerstands ergänzt, bei denen auch Gewalt zum Einsatz kommt.

Zwischen Demokratie, Monarchie und Militärherrschaft

Seit dem Ende der absoluten Monarchie im Jahr 1932 wechseln sich in Thailand demokratische Phasen und Militärregierungen ab. Offiziell ist Thailand eine konstitutionelle Monarchie, die für den König primär repräsentative Funktionen vorsieht. In der Realität mischte sich das Königshaus jedoch immer wieder in die Politik ein – insbesondere dann, wenn demokratisch legitimierte Regierungen durch das Militär gestürzt wurden. Das Königshaus legitimierte nachträglich alle insgesamt 13 Militärputsche.

Der thailändische König gilt als reichster Monarch der Welt, sein Gesamtvermögen wird auf 100 Milliarden US-Dollar geschätzt. Zu seinen zahlreichen Privilegien zählen auch private Militäreinheiten und ein aus Steuern finanziertes Taschengeld in obszöner Höhe. Die Monarchie gilt in Thailand als unantastbar; Kritik am König wird durch eines der strengsten Majestätsbeleidigungsgesetze der Welt unterdrückt, das Freiheitstrafen von bis zu 15 Jahren vorsieht.

Praphakorn Lippert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entwicklungspolitik der Universität Passau und politische Aktivistin. Sie koordiniert unterschiedliche prodemokratische und monarchiekritische Gruppen von Exilthailänder*innen in Europa.

Die wichtigste traditionelle Machtelite ist das Militär. Zuletzt putschte die Generalität im Mai 2014, als sie die demokratisch gewählte Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra stürzte. Hunderte Politiker*innen und Aktivist*innen wurden verhört, gefoltert, verhaftet; Dutzende folgten den Aufrufen zur Vernehmung nicht und flohen ins Ausland. Die ehemalige Premierministerin wurde in einem Korruptionsprozess in Abwesenheit verurteilt. Das Militär ließ eine neue Verfassung ausarbeiten, die die politischen Einflussmöglichkeiten des Militärs dauerhaft verankert, indem die Legislative von einem Senat dominiert wird, der sich aus nicht gewählten Senatoren aus Militärkreisen zusammensetzt. Im August 2016 nahmen die Thailänder*innen in einem Referendum die neue Verfassung an.

2019 fanden die lange versprochenen Wahlen statt, die jedoch weder frei, noch fair, noch demokratisch waren. Das Vorhandensein einer nicht gewählten Kammer im Parlament war dabei nicht das einzige Problem: Kurz vor den Wahlen verbot das Verfassungsgericht unter einem Vorwand eine der wichtigsten Oppositionsparteien; Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung und Mandatsvergabe komplettierten das Bild. Im Ergebnis konnte die Militärregierung ihren Machterhalt bestätigen.

Thailands Jugend widersetzt sich

Die nicht vollzogene Rückkehr des Landes zur Demokratie sorgte in breiten Teilen der Bevölkerung für Unmut. Das Verbot der Future Forward Party (FFP) durch das Verfassungsgericht im Februar 2020 markierte die nächste Enttäuschung. Mit ihrem Programm und ihrer Art der Kommunikation hatte die Partei besonders die jungen, urbanen und progressiven Eliten und insbesondere Erstwähler*innen angesprochen. Das politisch motivierte Verbot der FFP war für Millionen junge Bürger*innen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie gewannen den Eindruck, über keine Mittel mehr zu verfügen, um Veränderungen im Land herbeizuführen.

Auf das umstrittene Parteienverbot folgten an einigen Universitäten und Schulen kleinere Protestaktionen in Form sogenannter Flashmobs. Diese fanden aber aufgrund des Lockdowns im April 2020 ein abruptes Ende. Den Start der Jugendprotestbewegung hatte eine Aktion der thailändischen Studentenvereinigung auf dem Campus der Thammasat-Universität in Bangkok markiert. Es folgten ähnliche Aktionen an mehr als 50 Bildungseinrichtungen im ganzen Land. Zwischen dem 22. Februar und 14. März 2020 kam es zu mindestens 79 Flashmobs. Im Anschluss an den Lockdown wurden die Protestaktionen zunächst auf Social-Media-Plattformen verdrängt, wo Internetnutzer*innen unter dem Hashtag #mobfromhome Fotos teilten, auf denen sie Plakate mit regierungskritischen Parolen hielten.

Die Monarchie im Zentrum der Kritik

Die zahlreichen Fehlleistungen der Regierung während der Corona-Krise und die Instrumentalisierung von Gesetzen gegen kritische Stimmen sorgten für weiteren Unmut. Weitere Empörung rief das mysteriöse Verschwinden des im kambodschanischen Exil lebenden Regierungskritikers Wanchalerm Satsaksit hervor. Der Fall führte vielen Thailänder*innen vor Augen, wie brutal die Regierung gegen abweichende Stimmen vorgeht.

Während die thailändische Bevölkerung unter den drastischen Folgen der Pandemiemaßnahmen litt und von ihrem König Solidarität und Zuspruch erwartete, gingen Bilder seines luxuriösen Lebens in Deutschland um die Welt. Die Kritik an ihm wurde lauter. Der Hashtag Wozu brauchen wir einen König? verbreitete sich viral in den sozialen Medien und generierte weitere Proteste.

Seit Mitte Juli 2020 formierte sich wieder Protest auf der Straße. Im Gegensatz zu den verhältnismäßig kleinen Aktionen vor dem Lockdown gewannen die studentischen Proteste nun rasch an Popularität und Zulauf. Nach einer ersten Massenkundgebung für Demokratie – die in Bangkok von der Studentenvereinigung United Front of Thammasat and Demonstration (UFTD) und der «Freien Jugend», einer losen Vereinigung von Jugendlichen, angeführt wurde – entstand eine landesweite Jugendprotestbewegung. Zwischen Juli und Oktober 2020 kam es zu weit über 200 Massenkundgebungen mit bis zu mehreren Zehntausend jungen Teilnehmer*innen. Ihre Forderungen zielten auf den Rücktritt der Regierung, eine Verfassungsreform und das Ende der Unterdrückung kritischer Stimmen.

Im August ging die UFTD mit (als Traum deklarierten) Forderungen der Verwirklichung einer «wahren konstitutionellen Monarchie» an die Öffentlichkeit. Man verlangte, dass Kritik am Königshaus erlaubt, der Einfluss des Königs auf die Politik beschränkt und das aus Steuermitteln finanzierte Budget des Königshauses reduziert werden müsse. Angesichts des hohen Ansehens des Königs und der drakonischen Strafen für Majestätsbeleidigung stellten diese Forderungen einen Tabubruch dar, der in der thailändischen Geschichte einmalig ist.

Die Forderung nach einer offenen Debatte erreichte ihren Höhepunkt im Herbst 2020. Bei einer Kundgebung der neu gegründeten Gruppe Khana Ratsadorn 2563 rückte die Monarchie in den Mittelpunkt der Kritik. Während der Rücktritt des Premierministers und eine Verfassungsreform bereits zuvor gefordert worden waren, artikulierten Protestierende nunmehr auch ihre Forderung einer Reform der Monarchie. Darüber hinaus forderten die Demonstrierenden im Rahmen ihres Protestmarsches zur deutschen Botschaft in Bangkok die Bundesregierung auf, zu untersuchen, ob der thailändische König gesetzwidrig handelte, als er Staatsgeschäfte von Deutschland aus führte. Schließlich führte die Fokussierung auf die Monarchie jedoch zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der heterogenen Protestbewegung.

Ein breites Spektrum an Gruppierungen

Im Sommer 2020 wurde aus den immer noch studentisch geprägten Protesten eine große Demokratiebewegung, die zeitweise viel Zulauf – überwiegend aus der Mittelschicht – erhielt. In den Protesten fand ein breites Spektrum von Gruppierungen zusammen. Neben studentischen Gruppen wie der UFTD, der «Freien Jugend» und der klassenübergreifenden Khana Ratsadorn 2563 formierten sich Gymnasiast*innen von Eliteschulen zur Bad-Student-Gruppe. Ursprünglich demonstrierte die Gruppe für die Abschaffung der Schuluniformen und der veralteten Lehrpläne. Mittlerweile haben die Schüler*innen einige der Forderungen der Demokratiebewegung übernommen und bekämpfen auch autoritäre Strukturen, die weit über das Schulleben hinausgehen.

Gruppen wie die «Freien Feministinnen» und die LGBTQ-Gruppe Seri Toey Plus, die sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, schlossen sich ebenso der Protestbewegung an wie Talufah, ein Bündnis von Aktivist*innen, das die sozioökonomische Benachteiligung der Landbevölkerung thematisiert, und die Labour Assembly of Thailand, deren Hauptanliegen die Stärkung von Arbeitnehmerrechten und die Schaffung eines Sozialversicherungssystems sind. Auch ein Zusammenschluss von Müttern der zu Unrecht Inhaftierten, der Ratsa Mom, und die Ratsadorn Taliban, die mit einem Nackt-Protest für Aufsehen sorgten, sowie die Protestgruppe Car Mob sind Akteure in der Protestlandschaft.

Ende 2020 vollzog sich innerhalb des Netzwerks «Freie Jugend» ein Kurswechsel hin zu einer sozialeren Ausrichtung der Protestbewegung. Die (später in REDEM umbenannte) Gruppe Restart Democracy thematisiert Klassenverhältnisse und Verteilungsgerechtigkeit. Sie betonte die Bedeutung von Arbeiter*innen in der thailändischen Gesellschaft und forderte eine Umverteilung nach sozialistischem Vorbild, insbesondere die Verstaatlichung von Betrieben. Gerade die letztgenannte Forderung sowie die Verwendung von Hammer und Sichel in ihrem Logo führten innerhalb der Demokratiebewegung zu einer weitgehenden Ablehnung der Gruppe.

Im Februar 2021 schwächte REDEM diese Forderungen teilweise ab. Die Gruppe fordert nun vor allem eine Stärkung von Arbeiternehmerrechten und den Aufbau eines umfassenden Sozialversicherungssystems. Darüber hinaus kritisiert REDEM, dass der Import von Impfstoffen in der Hand von Oligarchen liegt und die Produktion des AstraZeneca-Impfstoffs durch ein Unternehmen des Königs schleppend verläuft. Dennoch konnte die Gruppe bislang keinen großen Zulauf einfacher Thailänder*innen verzeichnen.

Gegenreaktionen

Die Regierung machte den Demonstrierenden keine Zugeständnisse und setzte zunehmend auf Gewalt, um die friedlichen Proteste aufzulösen. Wasserwerfer, Schlagstöcke, Gummigeschosse und Tränengas kamen zum Einsatz. Es gab zudem willkürliche Verhaftungen; mehr als tausend Personen wurden im Zusammenhang mit den Protesten strafrechtlich verfolgt.

Der König kommentierte die Proteste bisher nicht. Durch in den Staatsmedien verbreitete Propaganda versuchte er, das Königshaus als volksnah und fürsorglich darzustellen und der Kritik gegen die Monarchie entgegenzuwirken. Es fanden auch Kundgebungen statt, auf denen die Menschen dem Monarchen ihre Loyalität versicherten und die Forderungen nach Reformen als Angriff auf die Monarchie ablehnten. Vereinzelt kam es zwischen den prodemokratischen und royalistischen Protestierenden zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Zahlreiche Anzeigen wegen Majestätsbeleidigung gingen auf die Initiative der königstreuen Opposition zurück.

Es fällt auf, dass das jahrelang nicht mehr angewendete Gesetz gegen Majestätsbeleidigung nun wieder als Werkzeug gegen die Demokratiebewegung eingesetzt wird. Zwischen November 2020 und Juni 2021 sollen laut Statistik der Thai Lawyers for Human Rights mindestens 154 Personen, darunter auch Minderjährige, wegen Majestätsbeleidigung angeklagt worden sein.

Die neue Protestkultur der jungen Generation

Wenn man die Jugendbewegung als Ganze betrachtet, so lassen sich im Vergleich zu früheren Protesten folgende Alleinstellungsmerkmale benennen. Erstens werden die Proteste von lose organisierten Gruppierungen getragen, die teilweise miteinander verflochten sind. Ihre gemeinsamen Proteste ermöglichen eine dezentrale Führungsstruktur, lassen Raum für taktische Kreativität und vielfältige Themenfelder. Gleichzeitig sind sie deshalb für die Regierung schwer zu unterdrücken.

Zweitens spielen die sozialen Medien bei der Mobilisierung eine entscheidende Rolle. Sie helfen dabei, Protestveranstaltungen und Forderungen publik zu machen, Ideen und Anregungen für politische Aktionen zu sammeln und sich zu Aktionen zu verabreden. Live-Übertragungen von Demonstrationen, die die Reichweite erhöhen und kommunikative Reaktionen erzeugen, werden auf Facebook gesendet. Seit jüngster Zeit gewinnen die Plattformen Clubhouse, Discord und TikTok innerhalb der Bewegung an Bedeutung.

Drittens bedienen sich die jungen Protestierenden Elementen aus der internationalen Popkultur. Besonders häufig eingesetzt wird der Drei-Finger-Gruß aus der – als Hunger Games verfilmten – Romanreihe «Tribute von Panem», der zum Symbol des Protests gegen die Militärregierung wurde. Die Steuerpolitik der Regierung wurde spöttisch mit der japanischen Zeichentrickfigur des immer hungrigen Hamsters Hamtaro verglichen, die königstreuen «Gelben» mit Minions.

Viertens lassen sich die Protestierenden durch die Demokratiebewegung in Hongkong motivieren. Protestformen wie Flashmobs, spontane und dezentral organisierte Versammlungen, aber auch Symbole wie Regenschirme und Gummi-Enten sind bei den Protesten in Thailand zu beobachten. Mit der Milk Tea Alliance entstand eine neue transnationale Bewegung, in der sich die jungen prodemokratischen Aktivist*innen aus Hongkong, Taiwan, Thailand und dann auch Myanmar untereinander vernetzen, um sich bei ihren Protesten gegen die autoritären Regierungen gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam für Freiheit und Demokratie zu kämpfen.

Die Unterprivilegierten betreten die Bühne

Die Wirtschaftskrise infolge der Pandemiemaßnahmen rief im August 2021 neue Akteure auf den Plan. Die Bewohner*innen des Bangkoker Stadtviertels Din Daeng hatten am härtesten unter den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu leiden. Zunächst beteiligten sich Jugendliche aus Din Daeng an den studentisch geprägten Protesten. Bald wurden jedoch unüberbrückbare Differenzen zwischen den Unterprivilegierten aus dem Armenviertel und den Studierenden deutlich: Die teils postmaterialistischen Forderungen der Studierenden und ihre Diskussionen über Staats- und Regierungsformen oder über Geschlechtergerechtigkeit waren schlicht nicht kompatibel mit der Lebenswirklichkeit der verarmten städtischen Jugend. In deren Forderungen fehlten Begriffe wie Verfassung, Wahlen, Monarchie; sie forderten vielmehr eine neue, kompetente Führung und konkrete Politikmaßnahmen, die ihre wirtschaftliche Situation verbessern. Armut und Erfahrungen von Gewalt durch den Staat, den sie vor allem in Form der korrupten und gewalttätigen Verkehrspolizei erleben, produzierten eine Fundamentalopposition, den selbst die radikaleren Teile der Studierenden nicht teilen.

Auch die exklusiven Codes und Ausdrucksformen der Studierenden, die von weniger gebildeten Thailänder*innen nicht verstanden werden, waren für die Jugendlichen aus Din Daeng nur schwer zugänglich. Nachdem die Polizei mit äußerster Brutalität gegen die häufig auf Motorrädern demonstrierenden Jugendlichen aus Din Daeng vorging, radikalisierte sich ein Teil der Jugendlichen und gründete die Gruppe Thalugaz (übersetzt: Durchbrechen von [Tränen-]Gas). Sie rüstete mit selbst gebastelten Bomben auf und beantwortete die Polizeigewalt nunmehr mit Gegengewalt. In der Folge distanzierten sich die studentischen Protestierenden, deren Selbstverständnis auf die kreativen und gewaltfreien Protestformen gründet, von der Gruppe.

Die Jugendproteste ebben ab

Seit Ende 2020 verliert die Jugendbewegung an Dynamik. Bei den regelmäßigen Straßendemonstrationen versammeln sich seitdem nicht mehr Zehntausende, sondern lediglich Hunderte. Die Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus kann den Rückgang der Teilnehmerzahlen alleine nicht erklären. Hinzu kommt jedenfalls die staatliche Repression: Die Gewaltbereitschaft der Polizei, die zahlreichen Verhaftungen und das Risiko einer Eskalation bei den Demonstrationen lassen das persönliche Risiko für viele Bürger*innen als zu groß erscheinen.

Eine andere Ursache sind die Widersprüche innerhalb der Bewegung. Es ist ihr bisher nicht gelungen, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Stattdessen werden Maximalforderungen artikuliert, die selbst innerhalb der Jugendbewegung nicht konsensfähig sind. Teile der Bewegung fokussieren sich auf die Abschaffung oder zumindest Reform der Monarchie; andere Teile lehnen eine Diskussion über die Monarchie komplett ab und fordern eine Rückkehr zur Demokratie in einer unveränderten konstitutionellen Monarchie. Wiederum anderen geht es primär um die Lösung ihrer wirtschaftlichen Notlage.

Eine weitere Ursache dafür, warum die Jugendprotestbewegung es nicht geschafft hat, breitere Bevölkerungsgruppen für ihre Sache zu gewinnen, ist die exklusive Sprache, derer die Jugendlichen sich bedienen. Codes, Symbole und Protestformen, die der internationalen Popkultur entlehnt sind, haben sich als sehr effektiv bei der Mobilisierung und Identitätsstiftung innerhalb der eigenen Gruppe erwiesen. Für die meisten Thailänder*innen bleiben sie aber unzugänglich.

Wenig anschlussfähig waren bislang auch die artikulierten Forderungen. Zwar erfolgte ansatzweise eine Hinwendung zu sozialen Fragen, aber die Interessen der zahlenmäßig größten Gruppe von Thailänder*innen, der ländlichen Unterschicht, wurden kaum berücksichtigt. Die Lebenswirklichkeit ihrer Landsleute außerhalb der großen Städte scheint für die jugendlichen Demonstrierenden schlicht fremd zu sein. So haben die Forderungen der städtischen Eliteschüler*innen nach Abschaffung der Schuluniformen und Änderung der Lehrpläne nichts mit den Nöten von Dorfschulkindern gemein, deren Leben sich bereits durch kostenloses Schulmaterial und ein Schulmittagessen grundlegend verbessern würde.

Eine große Herausforderung

Wenngleich die Jugendproteste inzwischen an Schwung verloren haben, konnten sie den politischen Diskurs nachhaltig beeinflussen. Durch ihren Tabubruch, eine Reform der Monarchie zu fordern, haben sie den Raum des Sagbaren erweitert. Zahlreiche Parteien greifen die Forderung inzwischen auf und positionieren sich damit für den Wahlkampf, der voraussichtlich im Frühjahr 2022 stattfinden wird.

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Jugendproteste in nächster Zeit wieder Fahrt aufnehmen. Angesichts der um sich greifenden Desillusionierung und der Angst, zum Opfer staatlicher Repression zu werden, erscheint vielen das Warten auf die erhofften Wahlen als bessere Option.

Um den Protesten neuen Schwung zu verleihen, müssten Forderungen aufgestellt werden, die Menschen unterschiedlicher Generationen, Klassen und Lebensrealitäten ansprechen und zusammenbringen. Das allerdings ist eine große Herausforderung, vor der nicht nur die thailändische Opposition steht. Es heißt ja, man wächst mit den Aufgaben – das jedenfalls wünscht man der thailändischen Jugend.