Nachricht | COP26 Für faire und mutige Klimaziele

Um die Klimakrise aufzuhalten, muss der globale Norden Verantwortung übernehmen und mehr Ehrgeiz zeigen

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Roland Ngam,

Überall auf der Welt lassen sich immer mehr und immer stärkere Extremwetterereignisse beobachten. Von der Dürre, die über zwei Millionen Menschen in Süd-Madagaskar bedroht, über die Fluten in Westeuropa zu den schmelzenden Polkappen und den Hitzeglocken an der nordamerikanischen Ostküste – die Veränderungen sind nicht zu übersehen. Es ist unverkennbar, dass wir unsere Emissionen verringern müssen, um etwas zu ändern.

Die Völker der Welt und ihre Staatsoberhäupter haben sich 2015 in Paris auf die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit geeinigt. Zur Erfüllung dieses Ziels müssen alle Vertragsparteien des Pariser Klimaabkommens gemäß Artikel 4 Absatz 2 regelmäßig national festgelegte Beiträge (NDCs) leisten, die entsprechend dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten bestimmt werden, das in der Präambel der Klimarahmenkonvention verankert ist.

Roland Ngam arbeitet im Büro Südafrika/Johannesburg und ist für Klima und sozialökologische Transformation zuständig.

Übersetzung von Claire Schmartz und André Hansen für Gegensatz Translation Collective

Die Parteien waren aufgefordert, bis 2020 ihre NDCs vorzulegen und sie alle fünf Jahre zu aktualisieren, auch wenn zahlreiche Staaten bis heute nicht mit den Grundsätzen einverstanden sind, die drei Jahre zuvor bei der Konferenz in Katowice festgelegt wurden. Bisher haben 191 Länder das Pariser Abkommen unterzeichnet, es sind aber erst 113 NDCs registriert. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, und die derzeitigen Emissionswerte führen eher zu einer Erderwärmung von 2,7 °C, eine Überschreitung des ursprünglichen Ziels, die uns sehr teuer zu stehen kommen würde.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) mahnt, dass die Welt das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, verfehlen wird, wenn die weltweiten Treibhausgasemissionen zwischen 2020 und 2030 nicht um mindestens 7,6 Prozent pro Jahr zurückgehen.

Drei Grundzüge der bisherigen Umsetzung der Klimaziele

Erstens scheinen die größten Industrienationen nicht willens, sich ambitionierte Ziele zu setzen und halten ihre eigenen Versprechen nicht ein. Die G20-Mitgliedsstaaten verursachen knapp unter 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, aber bislang ist nicht eines von ihnen auf dem Weg, das festgelegte Ziel bis 2030 auch zu erreichen.

China kündigte zum Beispiel 2020 an, 2030 den Höhepunkt seiner Kohlenstoffemissionen zu erreichen, um diese ab dann zu senken und bis 2060 CO2-neutral zu werden. Reuters zufolge hat China jedoch im selben Jahr Kohlekraftwerke mit einer Leistung von mindestens 38,4 GW in Betrieb genommen. In dem Jahr war das Land weltweit für 80 Prozent der weltweit neuen Kohlekraftwerkskapazitäten verantwortlich. Und es baut bis heute weitere Kohlekraftwerke.

Auch Industrieländer Länder wie Frankreich, Deutschland oder Großbritannien, wo derzeit die COP stattfindet, sind noch weit von ihren Zielen entfernt. Deutschland wird sein Ziel dieses Jahr weit verfehlen, und Großbritannien, das seine Emissionen bis 2030 auf 68 Prozent im Vergleich zum Stand von 1990 zurückschrauben wollte, wird sein Ziel ebenfalls nicht erreichen, wie gerade durch die Rede des Finanzministers Rishi Sunak vom 27. Oktober 2021 klar geworden ist.

In Afrika hat sich der größte Umweltverschmutzer des Kontinents, Südafrika, verpflichtet, seine Kohlenstoffemissionen im Rahmen der neuen NDCs um 28 Prozent zu senken. Hierzu wird das staatliche Energieversorgungsunternehmen Eskom, das für mehr als 25 Prozent aller Methan- und CO2-Emissionen auf dem Kontinent verantwortlich ist, innerhalb der nächsten zehn Jahre Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 22 GW vom Netz nehmen, was ungefähr elf Milliarden US-Dollar kosten wird. Doch das erfordert eine Finanzierung, und wenn diese Finanzmittel nicht irgendwie aufgebracht werden, wird es dem Land schwerfallen, sich von der Kohle zu trennen.

Zweitens setzen viele Länder falsche oder unzureichende Mittel ein, um ihre NDCs zu erreichen. Ein gutes Beispiel sind kleine modulare Reaktoren (SMR), die sich zunehmend als Lösung zur «weitreichenden Verringerung der CO2-Emissionen» in zahlreichen Ländern wie Russland, den USA, Großbritannien, Frankreich, Südkorea oder China verbreiten. Es stimmt zwar, dass Kernkraft weniger Kohlendioxid ausstößt als die Energieerzeugung mittels fossiler Brennstoffe. Dennoch stellen die Gefährlichkeit ihrer Abfallprodukte, ihre Lagerung und Entsorgung eine große Gefahr für den Menschen dar. Wichtige uranfördernde Länder wie Namibia oder Guinea verzeichnen einen Anstieg an Krebserkrankungen bei den im Bergbau Beschäftigten. Berechnungen haben ergeben, dass Länder mit Kernkraftwerken ihre Uranabfälle bis zu 50 Jahre lang lagern müssen. Die Internationale Energieagentur stellte 2020 fest, dass erneuerbare Energiequellen wie Windkraft billiger und effizienter sind als je zuvor und es an der Zeit ist, sie endlich in entsprechendem Umfang zu nutzen.

Drittens müssen die Wirtschaftsnationen der G20 die Länder im globalen Süden, die sich mutigere und kurzfristigere NDC-Ziele gesetzt haben, angemessen unterstützen. Das muss die zentrale Botschaft der COP26 sein: Die Welt wird das Ziel, die Erderwärmung auf weniger als 2 °C oder, wenn möglich, auf weniger als 1,5 °C zu begrenzen, nicht erreichen, wenn sich die Länder mit der größten Verantwortung dafür nicht angemessen an den Kosten für die Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen beteiligen. Andernfalls werden die ärmeren Länder weiterhin auf Kohle und fossile Brennstoffe zurückgreifen, für die es nach wie vor eine große Anzahl von willigen Geldgebern gibt.

Für stark umweltverschmutzende Sektoren wie Verkehr, Stromerzeugung sowie Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzung (AFOLU) müssen ambitioniertere Ziele gesetzt werden. Wir müssen auch die Art, wie gebaut wird, entschieden ändern. Das bedeutet zum Beispiel, mehr integrierte Städte und Verkehrsnetze zu schaffen. Mehr Städte müssen Straßenbahn- und Eisenbahnnetze aufbauen. Wir können dürfen in ein Szenario kommen, in dem die aktuelle Zahl der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren – jede Person hat ein Auto – einfach nur durch elektrische Fahrzeuge ersetzt wird. Das bedeutet vor allem, den Global Green New Deal umzusetzen, und zu koordinieren, wie sich die Welt eine grünere Zukunft aufbaut. 

Die Zukunft der Welt steht auf der Kippe und es ist höchste Zeit, dass unsere politischen Repräsentant*innen sich endlich auf ehrgeiziger Ziele einigen!