Nachricht | Antisemitismus (Bibliographie) - Linke und jüdische Geschichte Holger Czitrich-Stahl: Arthur Stadthagen, Berlin 2018.

Spannende Biographie über einen Parlamentarier, leidenschaftlichen Sozialdemokraten und Wegbereiter des Arbeitsrechts.

Information

Arthur Stadthagen war ein leidenschaftlicher Sozialdemokrat, dessen Sympathien für den Sozialismus während seiner Tätigkeit als «Anwalt der Armen» (S. 17) in den 1880er-Jahre wuchsen und der «in den Kreis der wohl prominentesten und erfahrensten Reichstagsabgeordneten der deutschen Sozialdemokratie im wilhelminischen Kaiserreich» (S. 8) gehört. Ihr widmete er den größten Teil seines Lebens, das ein rasches Ende nahm. Im September 1917 beteiligte sich Stadthagen noch an der sogenannten 3. Zimmerwalder Konferenz in Stockholm und schmuggelte von dort in der Innenseite seiner Hemdmanschette einen stenografierten Aufruf zum Massenstreik nach Deutschland. Von Lungentuberkulose geschwächt, starb er im Dezember desselben Jahres an einer Nieren- und Bauchfellentzündung.

Arthur Stadthagens Biografie ist in mehrerlei Hinsicht interessant und verdient der Erinnerung. Es ist einerseits das Leben eines jüdischen Deutschen, der, aus dem Bürgertum kommend, ohne besondere religiöse Bindung den Antisemitismus des Deutschen Kaiserreichs erlebte, wie es zugleich Spiegel der Geschichte der sozialdemokratischen Partei ist.

1857 in Berlin geboren, wuchs Stadthagen in einer jüdisch-bildungsbürgerlichen Familie auf. Nach dem Abitur folgten das Studium der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin und 1884 die Anstellung beim Berliner Landgericht II. Hier kam Stadthagen in Kontakt mit den Problemen der Nicht- und Unterprivilegierten, die er in über 1000 Prozessen bis zu seinem Berufsverbot 1892 vertrat. Das Berufsverbot, Reaktion auf sein Engagement bei der Verteidigung des «Vereins zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen», beendete Stadthagens juristische Arbeit jedoch nicht. Vielmehr «widmete sich Stadthagen [anschließend] der Rechtsaufklärung der Arbeiterschaft und der Landbevölkerung» (S. 9). Von 1890 bis zu seinem Tod gehörte er dem Reichstag an, bis 1916 innerhalb der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, nach dem Ausschluss der parteiinternen Oppositionen gegen den Burgfrieden innerhalb der Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft und schließlich der Unabhängigen Sozialdemokratie.

In der gesamten Zeit befasste Stadthagen sich mit juristischen Themen. Er unterrichtete als Rechtslehrer in Berlin an der Arbeiterschule sowie an der SPD-Parteischule, betreute bis zu seiner Entlassung aus der «Vorwärts»-Redaktion 1916 die Rubrik «Aus dem Gerichtssaal», beriet seine Genossen in Rechtsfragen, publizierte Rechtsratgeber in allgemeinverständlicher Sprache und arbeitete in der «Zweiten Kommission» zur Beratung des «Bürgerlichen Gesetzbuches» mit. Es überrascht daher nicht, dass die Miniatur Stadthagens Leistungen als «Wegbereiter des Arbeitsrechts» besonders betont.

Czitrich-Stahl, der sich bereits in den letzten Jahren als Experte für Werk und Wirken Arthur Stadthagens auswies und 2011 eine umfang- und quellenreiche Biografie publizierte, der 2015 ein Band mit Reden und Aufsätzen Stadthagens folgte, legt mit der nun erschienenen Publikation einen gut lesbaren, ausgesprochen spannenden Text vor. Dass der Verfasser nicht nur Sekundärliteratur, sondern auch Archivmaterialien zitiert und einen kenntnisreichen Blick auf die Jahre des Deutschen Kaiserreiches hat, ist dem Text, den man allen Interessierten als Einführung empfehlen kann, deutlich anzumerken.
 


Holger Czitrich-Stahl: Arthur Stadthagen. Parlamentarier, Sozialdemokrat, Wegbereiter des Arbeitsrechts, Berlin 2018: Verlag Hentrich & Hentrich (66 S., 8,90 €).
 


Die Besprechung erschien im Mai 2019 in der geschichtswissenschaftlichen Zeitschrift Arbeit - Bewegung - Geschichte.