Samba Bah, Aktivist bei Refugee Struggle for Freedom, berichtet von der Corona-Situation in Flüchtlingsunterkünften in Bayern, Racial Profiling und Abschiebungen
Nikolai Huke: Wie erleben Sie die Situation in bayrischen Flüchtlingsunterkünften?
Samba Bah: Das Leben ist sehr hart für Flüchtlinge in Deutschland, besonders hier in Bayern. Die Menschen müssen sehr lange in Lagern bleiben. Manche Menschen sind jetzt schon mehr als zwei Jahre hier und leben immer noch in den Lagern. Die sanitären Bedingungen in den Lagern sind schlecht. Manchmal müssen sich Männer und Frauen die gleiche Toilette, das gleiche Badezimmer teilen. Wenn eine Frau hineingeht, ist manchmal schon ein Mann drin. Außerdem haben 100 Menschen nur zwei Toiletten! Man sieht manchmal, dass die Menschen Schlange stehen, nur um auf die Toilette zu gehen.
Wenn man um eine Überweisung in ein Krankenhaus bittet, weil man krank ist, verweigern sie es. Wenn man nach Schule und Ausbildung fragt, verweigern sie es. Wenn man um eine Arbeitserlaubnis bittet, verweigern sie es. Es ist sehr schmerzhaft und hart für alle. Und einige der Flüchtlinge in diesen Lagern erhalten nur 100 Euro pro Monat. Und das Essen, das sie den Menschen in den Lagern gaben, war manchmal Tee, Brot, Tee, Brot. Glauben Sie, dass jemand damit überleben kann? Tee, Brot, Tee, Brot. Außerdem gibt es in den Lagern feste Zeiten, in denen man essen muss. Wenn du in dieser Zeit nicht isst, gibt es kein Essen für dich. Sie öffnen die Kantine von 7 Uhr bis 9 Uhr. Wenn du nicht frühstückst, bekommst du kein Frühstück, Mittagessen, von 11:00 bis 14:00 Uhr, wenn du nicht zu Mittag isst, ist es dein Problem. Abendessen um 18 Uhr. Stellen Sie sich das vor, Abendessen um 18 Uhr. Wenn die Leute um diese Zeit kein Abendessen essen, ist das ihr Problem. Sie müssen selbst sehen, wie sie überleben können, und es gibt kein Geld für sie.
Diejenigen, die nicht in den Lagern leben, haben kein Recht, das Lager zu betreten. Weil dort drinnen schlimme Dinge passieren, wollen sie nicht, dass jemand hineingeht. Du wirst kontrolliert, wenn du rein oder raus gehst. Ich weiß nicht, warum, wozu? Selbst das Gefängnis ist besser als diese Lager.
Wie war Ihre Erfahrung mit den Securities und der Polizei?
Die Securities kommen manchmal und packen dich, schlagen dich. Wir haben viele solcher Fälle gehabt. Zwei Mal haben sie einem Flüchtling die Hand gebrochen. Sie provozieren dich und wenn du reagierst, schikanieren und schlagen sie dich. Nachdem sie dich geschlagen haben, halten sie dich dort fest, legen dir Handschellen an, und die Polizei kommt und nimmt dich mit.
Polizeigewalt ist auch ein großes Problem. Manchmal kommen sie nachts um 3 Uhr mit ihren Hunden in die Flüchtlingslager. Sie denken nicht an die Kinder, die in den Zimmern schlafen. Die Kinder weinen dann. Auch während der Corona-Pandemie schieben sie gnadenlos ab. Gestern haben sie eine Frau mit zwei Kindern abgeschoben, obwohl beide Kinder hier geboren wurden. Die ganze Zeit gibt es Abschiebungen. Wie kann man eine Familie während einer globalen Pandemie abschieben? Menschen, die nirgendwohin zurückkönnen, deren Kinder hier geboren wurden. In welcher Situation werden sie nach der Abschiebung sein?
Flüchtlingen, die keinen Pass haben, sagen sie: «Okay, bring deinen Pass mit.» - «Ich habe keinen Pass.» - «Weil Sie keinen Pass haben, müssen Sie 2.000 Euro zahlen.» Wenn man nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit bezahlt, wird man für sieben Monate ins Gefängnis gebracht. Sieben Monate Gefängnis, nur weil man keinen Pass vorlegt. Viele Leute haben das durchgemacht. Sie kamen deshalb ins Gefängnis.
Die Polizei demütigt uns auch in der Öffentlichkeit. Einmal gab es eine Demonstration mit 50.000 Menschen. Nach der Demonstration haben uns mehr als 20 Polizisten angehalten, weil wir Afrikaner sind, eine Schwarze Hautfarbe haben. Sie hielten uns an. Sie sagten: «Jemand hat ein Metall unter das Polizeiauto gelegt, aber wir wissen nicht, wer es war.» Ich sagte: «Okay, ihr wisst nicht, wer es war, und es sind mehr als 50.000 Menschen hier. Wenn ihr ausgerechnet uns anhaltet, dann ist das wegen Rassismus, weil wir Schwarz sind.»
Wir wurden mehr als eine Stunde dort festgehalten, nachdem sie unseren Pass überprüft hatten. Am Ende sagten sie: «Ok, tut mir leid, Sie haben nichts getan. Es ist nur ein Metall, das unter dem Auto lag. Sie können gehen.» Wir sagten: «Nein, so einfach gehen wir nicht. Sie können uns doch nicht einfach hierbehalten, Sie demütigen uns mehr als eine Stunde lang.» Also baten wir den Leiter der Einsatzgruppe, seine Dienstnummer zu nennen. Manchmal bekommst du einen Brief mit einer Geldstrafe, nachdem sie dich verhaftet haben, und du weißt nicht, was dir eigentlich vorgeworfen wird. Wir werden verhaftet, nur weil wir Afrikaner sind, Schwarz sind. Sie verhaften dich vor allen Leuten, sie durchsuchen dich. Wenn dich jemand nicht kennt, wird er denken: «Hey, diese Leute sind Kriminelle.»
Was hat sich während der Corona-Pandemie geändert?
Corona hat die Situation für Flüchtlinge verschlimmert. Menschen, die Corona haben und andere, die kein Corona haben, werden manchmal nicht richtig räumlich getrennt. Wenn man sagt, jemand hat COVID-19, warum kann man ihn nicht von den anderen Menschen trennen? Manche Menschen sind schon seit mehr als zwei Monaten in Quarantäne. Wenn man Menschen, bei denen man den Verdacht hat, dass sie Corona haben, und Menschen, bei denen kein Verdacht besteht, gemeinsam unter Quarantäne stellt und sie zusammenbringt, bedeutet das, dass alle sich infizieren werden.
Gesichtsmasken sind ein weiteres Problem. Jeder soll eine benutzen, aber man bekommt nur eine Maske von der Regierung. Es ist eine Einwegmaske, die man nur einen Tag lang benutzen soll, aber man benutzt trotzdem jeden Tag dieselbe, weil es die Einzige ist, die man bekommt, und man kein Geld hat, um sich eine andere zu kaufen. Die Leute haben sich bei mir beschwert und mich angerufen, um nach Masken zu fragen. Unter den Flüchtlingen haben wir einige professionelle Schneider, die nähen. Also gab ich ihnen privat Geld, um Masken anfertigen zu lassen und diese im Lager zu verteilen. Einige Leute baten um zwei, damit man sie wenigstens waschen und die andere benutzen kann. Wir sammelten Spenden, kauften Stoff und machten weitere Masken. Insgesamt haben wir 24.000 Gesichtsmasken gemacht, die wir in Lagern in ganz Bayern verteilt haben. Die Regierung kümmert sich nicht um die Flüchtlinge. Wir sagten: «Kümmert euch um die Flüchtlinge, denn wenn die Flüchtlinge sich mit Corona angesteckt haben, werden die Menschen, die dort arbeiten, auch Corona haben und sterben.»
Wie sind Sie zum politischen Aktivismus gekommen?
Unsere Initiative «Refugee Struggle for Freedom» entstand 2016, als ein Container in unserem Flüchtlingslager nachts Feuer fing. Leute verschiedener Nationalitäten schlossen sich zusammen: Flüchtlinge aus Gambia, Afghanistan, Pakistan und Iran, Kameruner, Nigerianer und Ghanaer. Wir besetzten zwei Monate lang das Sendlinger Tor in München. Nach zwei Monaten sind wir zu Fuß vom Sendlinger Tor nach Nürnberg gelaufen. Wir sind zehn Tage lang gelaufen. Nur zu Fuß. Ohne Auto, ohne Zug, ohne Fahrrad. Wir sind zum BAMF in Nürnberg gelaufen, wir haben ihnen von unseren Problemen erzählt. Als wir zurückkamen, sahen wir, dass sich nichts änderte. Da uns niemand half, entschlossen wir uns, an der gleichen Stelle am Sendlinger Tor einen Hungerstreik zu machen. Dieser Kampf war der Startpunkt unserer Bewegung. Wir begannen, in ganz Bayern Aktionen zu den alltäglichen Problemen von Flüchtlingen zu machen.
Derzeit sind Abschiebungen ein großer Kampf für uns. Wenn Leute abgeschoben werden und wir das mitbekommen, gehen wir normalerweise zum Flughafen und machen eine Aktion im Flughafen. Aber das Problem ist, dass sie die Leute jetzt in ein Abschiebegefängnis stecken. Wenn sie einen Anwalt haben, wird ein Anwalt an dem Fall arbeiten, Leute werden versuchen, den Fall zu begleiten. Aber sie informieren dich nicht über die Zeit, in der sie dich abschieben werden, niemand weiß es.
Die Leute in der Regierung hier in Bayern haben keinen Respekt vor Flüchtlingen. Die Art und Weise, wie sie die Menschen behandeln, ist sehr schmerzhaft und hart. Wir protestieren und machen alle möglichen Aktionen, aber die Regierung will überhaupt nicht zuhören. Da ändert sich nichts.