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Gespräch mit Joachim Mwami zur Übersetzung von Marx und zur Übertragung des Marxismus nach Ostafrika

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Die wohl bekannteste Ausgabe des Kapitals: die drei blauen Bände der im Berliner Karl Dietz Verlag erschienenen Marx-Engels-Werke. Foto: Flickr/Achim vom Tal

Kaum ein Buch hatte einen so großen Einfluss darauf, wie die Menschen über die Gesellschaft und deren Veränderung nachdenken, wie Das Kapital von Karl Marx. Nach der deutschen Erstveröffentlichung im Jahr 1867, erschienen 1872 eine russische Übersetzung und 1875 eine stark überarbeitete französische Ausgabe. Vier Jahre nach dem Tod des Autors erschien 1887 eine englische Übersetzung, herausgegeben von Marx‘ langjährigem politischen und intellektuellen Weggefährten Friedrich Engels.

Joachim Mwami hat von 1992 bis 2013 an der Universität Dar es Salaam Soziologie gelehrt. Danach wechselte er an die Universität Umaru Musa Yar’adua in Nigeria. Aktuell stellt er eine Übersetzung des Kapital ins Kiswahili und eine gleichsprachige Einführung zu Marxʼ Werk fertig.

In den folgenden Jahren gewann die sozialistische Bewegung immer mehr Anhänger*innen und das Interesse an der Marxʼschen Analyse der kapitalistischen «Bewegungsgesetze» wuchs unaufhaltsam. Das Kapital wurde in Dutzende weitere Sprachen übersetzt. Mit der Gründung des Moskauer Marx-Engels-Instituts im Jahr 1919 genoss Das Kapital die Unterstützung der Sowjetunion und anderer Staaten in ihrem Gefolge. Damit war sichergestellt, dass das Werk in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Millionen Leser*innen fand.

Das Interesse am Kapital und am Marxismus im Allgemeinen ließ nach dem Zusammenbruch des Ostblocks deutlich nach, nahm aber in jüngeren Jahren in Folge der Finanzkrise von 2008 und dem Versagen der etablierten, dem Mainstream zugehörigen Ökonom*innen eine solche Katastrophe antizipiert zu haben. Seitdem entdeckt eine neue Generation den Marxismus für sich, und zwar nicht als eine Reihe von feststehenden Rezepten oder ehernen Gesetzen, sondern als ein dynamisches Analyseinstrument, um zu verstehen, wie der Kapitalismus als System wächst und sich erhält, oft zum Schaden der Menschen und des Planeten.

Etwa zur Zeit der Krise begann der inzwischen emeritierte Soziologieprofessor Dr. Joachim Mwami von der tansanischen Universität Dar es Salaam mit der Übersetzung des Kapitals ins Kiswahili, die Sprache von rund 100 Millionen Ostafrikaner*innen. Mwami hat das Kapital selbst zum ersten Mal in den 1970er Jahren gelesen und die Marx‘schen Ideen jahrzehntelang auf seine eigenen Studien zur tansanischen Gesellschaft angewandt. Wie andere tansanische Marxist*innen war er jedoch sehr enttäuscht, dass kaum Literatur von Marx oder Marxist*innen in den lokalen Sprachen verfügbar war. Das wollte er ändern. Nun, da seine Übersetzung nun mit Unterstützung der Rosa Luxemburg Stiftung dem letzten Feinschliff zur Veröffentlichung unterzogen wird, spricht er mit Loren Balhorn über das Projekt und die Anwendbarkeit des Marxismus im neokolonialen Kontext.

Professor Mwami, Sie haben jetzt schon ziemlich lange an der Übersetzung von Karl Marxʼ Das Kapital ins Kiswahili gearbeitet. Können Sie uns mehr über das Projekt verraten?

Auf die Idee waren meine mittlerweile leider verstorbenen Kolleg*innen und ich ursprünglich Mitte der 1980er Jahre gekommen. Wir hatten beschlossen, Das Kapital zu übersetzen und die Kapitel unter uns aufzuteilen. Aber erst 2008 oder 2009 wurde diese Idee konkreter, als mich mein Kollege an der Universität Dar es Salaam, Professor Issa Shivji, darauf ansprach.

2014 hatte ich einen ersten Übersetzungsentwurf für alle 33 Kapitel im ersten Band der englischen Fassung fertiggestellt. Damals lehrte ich in Nigeria. Als ich 2015 in den Ferien nach Hause kam, besuchte ich meinen jungen Kollegen Sabatho Nyamsenda und sprach mit ihm über meine Arbeit. 2016 zog ich wieder nach Tansania und bearbeitete die Übersetzung, bis mich Dorothee Braun, die das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dar es Salaam leitet, vor kurzem fragte, ob wir nicht eine Person mit dem Endlektorat beauftragen und die Übersetzung veröffentlichen sollten. Ich sagte: «Excellent!» Oder wie Sie auf Deutsch sagen: «Wunderbar

Auf welchem Stand ist die Übersetzung jetzt?

Das Manuskript geht momentan an das Fachlektorat, um sicherzustellen, dass Sprache, Konzepte und Terminologie im ganzen Buch stimmig sind. Dazu gehört auch ein kleineres Heft, eine Anleitung zur Marxlektüre, die ich in den letzten Jahren geschrieben habe.

Es klingt so, als hätten Sie in den letzten Jahrzehnten eine ganze Menge Zeit und Energie in dieses Projekt gesteckt. Ist Ihnen die Aufgabe leicht gefallen?

Mir ist die Arbeit recht schwer gefallen, weil ich sie alleine erledigen musste. Bei vielen englischen Begriffen ist es besonders schwierig, das richtige Wort in Kiswahili zu finden, weil der englische Wortschatz vergleichsweise groß und nuanciert ist. Da das Manuskript nun einem professionellen Lektorat vorgelegt wird, hoffe ich, dass dabei eine bessere Terminologie gefunden wird, als es mir möglich war.

Könnten Sie mir ein Beispiel für einen schwer zu übersetzenden Begriff nennen?

Der zentrale Begriff der «Ware» wurde zum Beispiel als bidhaa übersetzt. Das ist kein Problem. Es gibt aber zwei Eigenschaften von Waren: den Gebrauchswert und den Tauschwert. Wert kann ohne Weiteres als thamani übersetzt werden. Aber Gebrauchswert? Ich verwende den Ausdruck thamani mafao. Für den Tauschwert steht dann thamani mauzo. Ob das für Kiswahili-Sprechende aber leicht verständlich ist, kann ich nicht einschätzen.

Auch andere bekannte Konzepte bereiten Schwierigkeiten, etwa die Entstehung des Geldes. Marx hat die Entstehung des Geldes hervorgehoben und dabei eine bestimmte Terminologie verwendet. Zum Beispiel die verschiedenen Wertformen. Wenn ich das ins Kiswahili übersetze, bin ich mir nie so recht sicher, ob meine Übersetzung stimmt. Ich kann schließlich nicht im deutschen Original nachschauen, aber das ist gar nicht das Problem. Das Problem ist eher: Können die Wörter des Kiswahili die Bedeutung der englischen Fassung korrekt wiedergeben?

Das Kapital ist ein sehr dichter und schwieriger Text, selbst für englische oder deutsche Muttersprachler*innen. Welches Zielpublikum wünschen Sie sich?

Das Kapital ist im Grunde ein Buch für das Proletariat, die Arbeiterklasse, für die durch das kapitalistische System Ausgebeuteten und Unterdrückten. Ich bin überzeugt davon, dass das Buch eine überaus positive Wirkung entfaltet, wenn es bei Menschen mit geringem Einkommen in Umlauf kommt. Das kann ich vielleicht nicht beweisen, aber ich glaube daran und das entspricht auch meiner persönlichen Erfahrung.

Als Student an der Universität Dar es Salaam hatte ich 1976 zufällig die Gelegenheit, in einer der Textilfabriken der Stadt marxistische politische Ökonomie zu lehren. Ich habe die gleichen Begrifflichkeiten verwendet wie an der Universität. Dabei konnte ich feststellen, dass die Fabrikarbeiter*innen mich besser verstanden haben, wenn wir über Fragen diskutiert haben wie: «Was ist Ausbeutung?» Oder: «Wer ist Arbeiter*in und wer Kapitalist*in?» Sie konnten diese Begriffe viel besser verinnerlichen als meine Studierenden an der Universität, die gebildete Angehörige des Kleinbürgertums waren.

Ich gehörte zu den, wie es damals hieß, «Militanten» und hatte den Marxismus schon in der Jugend verinnerlicht, aber meine Kommiliton*innen konnten mich in Diskussionen nicht verstehen: «Nein, Mwami, in Tansania gibt es keine Ausbeutung.» Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass Menschen mit geringem Einkommen Das Kapital verstehen können. Wie gesagt, ich kann es nicht beweisen, aber die Geschichte wird mir Recht geben.

Julius Nyerere, Unabhängigkeitskämpfer und von 1961 bis 1985 Präsident Tansanias, sprach sich für eine eigene, vom Marxismus verschiedene Form des «afrikanischen Sozialismus» aus. CC BY-SA 2.0, Foto: Flickr/LWF

Sie haben gesagt, dass Sie den Marxismus schon in jungen Jahren verinnerlicht haben. Wie sind Sie überhaupt mit marxistischen Ideen in Berührung gekommen?

1968 arbeitete ich als Bibliotheksassistent in Dar es Salaam und las viel Kritisches zur römisch-katholischen Kirche und zur Religion im Allgemeinen. Als Walter Rodney 1972 sein Buch Afrika – Die Geschichte einer Unterentwicklung veröffentlichte, war ich einer der ersten in der Bibliothek, der es las. Damals war ich ein richtiger Nationalist – es war die Zeit der Arusha-Deklaration, als viele junge Menschen in Tansania den Sozialismus einführen und etablieren wollten.

Die Universität Dar es Salaam war in den 1960er und 1970er Jahren ein Sammelbecken für kritisches Denken, und in der Bibliothek konnten wir auf viele von radikalen Studierenden herausgegebene Zeitschriften zugreifen. Da habe ich angefangen, marxistisches Wissen aufzusaugen. Als ich 1975 als Spätstudent an die Universität kam, war ich ein sehr enthusiastischer Radikaler, las viel auf Marx bezogene Literatur, vor allem Marx selbst. Als ich 1978 meinen Abschluss absolvierte, war ich ein richtiger Marxist – wenigstens vom Wissensstand her, vielleicht aber sogar in der Anwendung.

Sind Sie leicht an marxistische Literatur gekommen?

An der Universität, ja. Das Gute an dieser Zeit war, dass einige radikale Studierende an den Universitäten großen Einfluss ausübten. Sie sagten immer, wir sollten mehr lesen. Wenn wir bürgerliche Literatur lasen, gaben sie uns Bücher zum selben Thema, aber aus marxistischer Perspektive.

Uns haben auch radikale Vorlesungen bewegt, etwa von Shivji, bei dem ich damals hörte, oder Mahmood Madani, der auch an der Universität war. Sie haben uns geraten, die Gelegenheit zu nutzen und mehr Wissen aufzubauen, um gegen die «bürgerlichen» Radikalen gewappnet zu sein, die uns stets gegenüber standen.

Sie haben sich also vom «afrikanischen Sozialismus» abgegrenzt, der offiziellen Staatsideologie Tansanias?

Genau. Vor der Universität war ich ein reiner Nationalist, sehr begeistert von Ujamaa, dem afrikanischen Sozialismus des [tansanischen Präsidenten] Julius Nyerere. Als ich anfing, Marx und marxistische Literatur zu lesen, stellte ich fest, dass diese Form von Sozialismus Unsinn war und Ähnlichkeiten mit den Ideen von Robert Owen und Konsorten im 19. Jahrhundert in England hatte, die Engels als «utopischen Sozialismus» bezeichnete. Das war für mich der Bruch mit Nyerere, denn er hatte kein wissenschaftliches Verständnis von Kapitalismus, Unterdrückung und Ausbeutung.

Ist Marxismus an den Universitäten immer noch populär?

Nein, das ist vorbei. Es gibt nur noch ganz wenige marxistische Dozierende. Ich finde, die Studierenden von heute wollen nicht über Marxismus diskutieren oder sich als Marxist*innen identifizieren, weil sie vielleicht kein Stipendium bekommen, wenn sie sich positionieren. Es ist nicht mehr so, wie es mal war.

Viele selbsternannte marxistische Denker*innen wie etwa Cedric Robinson oder Gayatri Spivak vertreten die Ansicht, der klassische Marxismus sei von Haus aus eurozentristisch. Er biete hilfreiche Einsichten, aber kein hinreichendes Verständnis der sozialen und ökonomischen Entwicklungen der nichtwestlichen Welt . Stimmen Sie dem zu?

Nein. Ich widerspreche nachdrücklich. Ich denke, es handelt sich um ein falsches Verständnis von Marx und Marxismus. Ich würde eher Folgendes sagen: Der Marxismus ist wissenschaftlich, noch wichtiger ist aber, dass er eine wissenschaftliche Philosophie darstellt, die sich von der liberalen Philosophie wesentlich unterscheidet. Es ist nicht neu, dass der Marxismus falsch verstanden wird. Das dient zur Verwirrung, vor allem der jungen Köpfe und derjenigen, die nicht verstehen, was in Afrika vor sich geht.

Heute ist Afrika ein Produkt des Kolonialismus. Kolonialismus aber ist ein Produkt des Kapitalismus. Wir können die aktuellen afrikanischen Verhältnisse nur verstehen, wenn wir den Kapitalismus und seine Verankerung in diesen Verhältnissen verstehen. Und wir können den inneren Kern des Kapitals nur mittels des Marxismus verstehen. Wie Ökonom*innen «Gesellschaft» bestimmen und definieren, ist kompletter Unsinn, völlig fehlgeleitet. Gesellschaft ist immer eine Gesamtheit, ein Ganzes. Einer der wichtigsten Marx‘schen Beiträge lautet, dass die Gesellschaft ein «Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse» ist. Diese Verhältnisse können wir aber nicht mit einer positivistischen Theorie oder Philosophie von der Gesellschaft begreifen, weil sie zu sehr an die physischen Erscheinungsformen gebunden sind. Der Marxismus hilft uns, die unterhalb der Oberfläche verborgenen Prozesse zu verstehen.

Wer den Marxismus angreift, hat eigene Beweggründe. Und wer behauptet, der Marxismus könne in Afrika nicht funktionieren, liegt ganz falsch. Das ist ein zu einfaches Marx-Verständnis. In Tansania einige von uns Marx und den Marxismus nutzen Marx und Marxismus (als Anaylseinstrument), um unsere eigene soziale Lage besser zu verstehen.

Wie würden Sie die tansanische Gesellschaft heute in marxistischen Begriffen beschreiben?

Das ist eine sehr gute Frage. Wir bezeichnen Tansania als eine «neokoloniale» Gesellschaft. Tansania wurde im Wesentlichen in zwei oder drei Phasen kolonisiert, angefangen mit dem deutschen Kolonialismus und gefolgt vom britischen Kolonialismus. Nach der Unabhängigkeit begann der Neokolonialismus, der bis heute besteht.

Wir sind der Ansicht, dass in den deutschen und britischen Kolonialsystemen koloniale Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen etabliert wurden. Nyerere und das Regime nach ihm haben diese sozioökonomischen Strukturen nur kopiert und angepasst. Sie wurden nie aufgegeben oder umgestoßen. Wir haben sie also immer noch.

Unseres Erachtens besteht gestern wie heute die Grundfunktion einer jeden Kolonie darin, Bedingungen zu schaffen, um den Wohlstand in die imperialistischen Länder Westeuropas, aber auch Asiens und Nordamerikas zu transferieren. Nyerere hat zumindest versucht, diese Strukturen zu verstehen und sie auf seine besondere Weise zu verändern. Er setzte aber die merkwürdige Methode des «utopischen Sozialismus» ein, wie wir es nennen würden. Daher konnte er diese Strukturen nicht umwandeln und ist gescheitert. Weil er gescheitert ist, konnte sich in Tansania eine neue gesellschaftliche Klasse, die bereits in den 1960er Jahren entstanden war, als kapitalistische Klasse etablieren.

Diese Klasse herrscht bis heute, allerdings in einer nachgeordneten Position. Sie ist keine unabhängige kapitalistische Klasse. Sie ist den Interessen der imperialistischen Mächte Europas, Amerikas und Asiens unterworfen.

Welche Implikationen hat das für die sozialistische Strategie in Tansania? Wie können sich Marxist*innen unter diesen Umständen politisch engagieren?

Meiner Meinung nach müssen wir akzeptieren, dass Tansania ein neokoloniales Land ist, mit ganz anderen ökonomischen Perspektiven als Europa, Asien oder Amerika. Wir haben eine kleine Gruppe Kapitalist*innen und sehr, sehr viele Kleinbäuer*innen. Gleichzeitig gibt es bei uns einen kleinen Industriesektor, eine kleine Arbeiterklasse und viele Arbeitslose. Diese gesellschaftlichen Klassen sind die größte Mobilisierungsquelle, nicht Leute wie Sie und ich. Unsere Rolle besteht darin, dieses besondere Wissen, den Marxismus, in ihre Köpfe zu bringen, damit sie ihre eigenen Methoden entwickeln können, um gegen Unterdrückung und Ausbeutung zu kämpfen.

Gibt es viel marxistische Literatur in Kiswahili?

Nein, ich würde sogar sagen, es gibt gar keine, bis auf einige wenige Texte, die von Aktivist*innen aus dem Englischen übersetzt wurden. Aber selbst englischsprachige marxistische Bücher sind in Tansania sehr selten und sehr schwer zu bekommen. Selbst einige der Bücher von Professor Shivji, der in Tansania lebt, sind in den hiesigen Buchläden nicht verfügbar.

Es braucht also wirklich mehr sozialistische Literatur im Land.

Genau. Es gibt hier sehr wenige Marxist*innen. Sie lassen sich an zwei Händen abzählen, und sie sind auch sehr alt. Ein paar Junge tauchen gerade auf, aber sie stehen vor vielen Problemen. Da ist etwa der ökonomische Druck, der die gleichzeitige akademische und politische Arbeit erschwert. Das Tempo des Lernens und Veröffentlichens ist immer noch recht gering.

Ich denke aber, die Zukunft sieht gut aus. Momentan entsteht eine Gruppe junger Menschen, die fragen, warum die Arbeitslosigkeit steigt, warum es derart ausgeprägte ökonomische Ungleichheiten gibt, und ich bin eher optimistisch, dass in vielleicht zehn Jahren viele junge Menschen marxistisch eingestellt sein werden.

Sie arbeiten eng mit dem Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dar es Salaam zusammen. Wie wirkt sich die Präsenz der Stiftung auf die Region aus?

Die Stiftung bewirkt viel, keine Frage. Sie hat Programme gefördert, damit wir in die Dörfer fahren und mit den Arbeiter*innen sprechen konnten. Sie hat auch viele unserer Publikationen gefördert. Andere Organisationen arbeiten seit kurzem nicht mehr mit uns, weil sie politische Repressalien fürchten, aber die Rosa-Luxemburg-Stiftung steht immer an unserer Seite. Es ist großartig.

Sie haben das erste Buch des Kapitals übersetzt. Gibt es Pläne für die anderen beiden Bände?

Bevor ich sterbe, will ich zumindest noch Band zwei übersetzen. Aktuell arbeite ich an Kapitel 12 und habe schon 250 Seiten geschafft. Danach werde ich Band drei übersetzen. Dann kann ich glücklich sterben. Das ist im Grunde mein Plan.

Wichtiger ist aber, dass ich nach der offiziellen Veröffentlichung von Band eins einen marxistischen Kurs mit meinen besten Studierenden starten möchte. Da können wir Das Kapital Kapitel für Kapitel und Abschnitt für Abschnitt in Kiswahili lesen und darüber diskutieren.