Nachricht | Antisemitismus (Bibliographie) - Nahost und Antisemitismus in der BRD Moshe Zuckermann: Zweierlei Israel?, Hamburg 2003.

Zweierlei Linke: Auskünfte eines marxistischen Juden an Thomas Ebermann, Hermann L. Gremliza und Volker Weiß.

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Jens Renner,

Da das Verdikt «Pflichtlektüre» bei kritischen Geistern eher Widerstand provoziert, formuliert der ak-Rezensent seine Empfehlung mit der gebotenen Zurückhaltung: Das Buch «Zweierlei Israel? Auskünfte eines marxistischen Juden an Thomas Ebermann, Hermann L. Gremliza und Volker Weiß» sollte aufmerksam gelesen werden, gerade von deutschen Linken.

Es mag wichtigere Bücher über den israelisch-palästinensischen Konflikt geben, Bücher, in denen an Hand systematisch aufbereiteter Fakten Wissen vermittelt und zugleich eine mit Argumenten begründete Position zur Diskussion gestellt wird. Wo in «Zweierlei Israel?» ebenfalls auf Fakten aufbauende Analysen geliefert werden, ist fast ausschließlich Moshe Zuckermann dafür zu loben. Seine deutschen Gesprächspartner weisen ihn zwar hier und da auf Schwachstellen und polemische Übertreibungen in seiner Argumentation hin, vor allem aber liefern sie ihm die Stichworte für eine Belehrung im besten Sinne. Zuckermann weiß, wovon er spricht, und er spricht klar und pointiert: über die Entwicklung des Zionismus und der israelischen Staatsideologie; über Israels Probleme mit der Einwanderung und die Ethnisierung sozialer Konflikte; über die israelische Besatzungspolitik und die Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten und vieles mehr.

Was dem Buch besonderen Reiz verleiht, ist die Form: Drei deutsche Linke streiten sich mit Zuckermann, stellen ihm Fragen, kritisieren ihn. Anders als ursprünglich geplant, sind die deutschen Redebeiträge anonymisiert - «so sehr verschwanden die Differenzen der drei hinter diesem gemeinsamen Impetus (gemeint ist ihr Vorsatz, Zuckermann seine Illusionen über Deutschland auszutreiben; Anm. J. R.), dass die persönliche Zuordnung ihrer Ansichten und Fragen überflüssig erschien», schreibt Hermann L. Gremliza in seinem Geleitwort. Diese Entscheidung geht, wie zu hören war, auf Thomas Ebermann zurück, der auch die Idee zu dem Buch hatte. Eine Entscheidung mit Konsequenzen, impliziert sie doch eine Art kollektiver Haftung der drei deutschen Diskutanten auch für abstruse Beiträge ihrer Landsleute.

Und Abstruses, Unausgereiftes, «typisch (Anti-)Deutsches» enthält das Buch leider auch: Da wird mal eben «der Antisemit» als «Getriebener» bezeichnet, der auch die eigene Vernichtung in Kauf nehme, und dann im nächsten Satz eine Verbindung zum palästinensischen «Todeskult» konstruiert; da wird vor allem die israelische Besatzungspolitik durchgehend verharmlost und die Diskriminierung der arabischen Israelis als Dauerzustand akzeptiert: «Die Frage ist, wie kann dieser Staat jüdisch bleiben und zugleich denen, die er diskriminiert, ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.» Diskriminierung in Menschenwürde - darauf können vielleicht nur deutsche Linke kommen.

Zuckermann weist derlei denn auch schroff und zugleich argumentativ zurück: «Ein Zufluchtsort von Juden ist erst dann gewährleistet, wenn anstelle von Ausgrenzungen, Ausschluss und Divergenz Koexistenz und Zusammenarbeit treten.» Während seine deutschen Gesprächspartner der These vom ewigen Antisemitismus anzuhängen scheinen, äußert Zuckermann die Erwartung, nach einem israelisch-palästinensischen Friedensschluss werde «der Teil des arabischen Antisemitismus, der sich aus dem antizionistischen Ressentiment speist, verfliegen». Streitlustig, wie er ist, kritisiert Zuckermann auch die «Dämonisierung des Islam» in konkret und die neue linksdeutsche Weltsicht: «Wer Auschwitz zu einem Maßstab erhebt, vor dem alles andere unwichtig wird, macht sich das Leben zu leicht.» Für solche notwendigen Klarstellungen – wie gleichzeitig auch für die Distanzierung von den linken Antisemiten («meine Todfeinde») – ist ihm zu danken.
 


Moshe Zuckermann: Zweierlei Israel? Auskünfte eines marxistischen Juden an Thomas Ebermann, Hermann L. Gremliza und Volker Weiß, Hamburg 2003: Konkret texte 34 (139 S., 12 €).
 

Die Besprechung erschien am 16.5.2003 in der monatlich erscheinenden Zeitschrift ak - analyse & kritik.