Die sogenannte Linzer Konferenz wurde wie üblich von der International Conference of Labour and Social History und der Kammer für Arbeiter und Angestellte Oberösterreich veranstaltet. An ihr nahmen ungefähr 80 Personen teil, davon kamen ein Zehntel aus der RLS und ihrem geschichtspolitischen Umfeld (Redaktion Jahrbuch Arbeiterbewegung, Historische Kommission der LINKEN, Förderverein Archive und Bibliotheken zur Arbeiterbewegung). Die RLS ist seit einigen Jjahren reguläres Mitglied der ITH.
Hintergrund und Zielsetzungen der Konferenz
Diese Konferenz ist die erste in dem neuen dreijährigen Tagungszyklus der ITH, in dem einige Aspekte der Problematik Arbeiterbewegung und soziale Bewegungen als Triebkräfte gesellschaftlicher Entwicklung behandelt werden.
Der Ausgangspunkt der diesjährigen Tagung ist die Frage nach dem Vorhandensein der Arbeiterbewegungen im Repertoire der Vergegenwärtigung von Vergangenheit („kollektive Erinnerung“) gewesen. In der schon fast unübersehbaren Flut an Debatten und Publikationen, welche der Aufstieg der Konzeption der „kollektiven Erinnerung“ in den letzten beiden Jahrzehnten ausgelost hat, ist die Rolle der Arbeiterbewegungen jedoch weitgehend nur ganz am Rande behandelt worden, zumeist wurde sie sogar überhaupt nicht thematisiert.
In der ITH-Konferenz ist an Hand einiger ausgewählter Beispiele untersucht worden, welche Erinnerungsmuster hinsichtlich der Arbeiterbewegungen in die „kollektive Erinnerung“ von welchem Akteur wann, wo, wie und weshalb ´eingespeist` worden sind. Dabei ist auch gefragt worden, welche Veränderungen diese Erinnerungsprozesse in den vergangenen Jahrzehnten erfahren haben. Thematisiert worden ist außerdem, ob in Europa möglicherweise die sozialen Emanzipationsbestrebungen im Mittelpunkt der Erinnerungen stehen und ob es die Beiträge der Arbeiterbewegungen mit ihren unterschiedlichen Strömungen gewesen sind, die zur Formierung von Sozialstaaten geführt haben und bei der Schaffung relativ homogener Gesellschaften in Europa eine wesentliche Rolle gespielt haben – oder ob ganz andere kognitive und affektive Denktraditionen die wesentliche Rolle innegehabt haben.
Auf der einen Seite ist der Blick auf einige der „Erinnerungen“ an die Arbeiterbewegungen sowie ein paar weiterer sozialer Bewegungen in einzelnen Staaten und Regionen sowie ihren jeweiligen Niederschlag im „Inventar globaler Erinnerung“ gerichtet worden. Auf der anderen Seite ist das Augenmerk auch auf erinnerungspolitische Strategien gelenkt worden, die diese Bewegungen selbst entwickelt haben.
Es ist hier nicht möglich, auf alle Beiträge und die anschließenden kontroversen Diskussionen im Einzelnen und detailliert einzugehen, sie können an dieser Stelle vielmehr nur kurz vorgestellt werden. An der Thematik stärker Interessierte seien im Übrigen auf den im Herbst 2011 erscheinenden Protokollband der Konferenz 2010 sowie auf die Homepage der ITH hingewiesen: http://www.ith.or.at/start/
Verlauf der Konferenz
Den diesjährigen René Kuczynski-Preis hat am Donnerstagabend Silke Fengler für ihre Untersuchung „Entwickelt und fixiert. Zur Unternehmens- und Technikgeschichte der deutschen Fotoindustrie, dargestellt am Beispiel der Agfa AG Leverkusen und des VEB Filmfabrik Wolfen (1945-1995), Essen 2009“ erhalten.
Im Mittelpunkt dieser Studie steht ein technisches Verfahren, die Silberhalogenid- Fotografie, d. h. die fotochemische Herstellung von Rollfilmen für den Amateurbedarf und von kinematografischen Filmen. Dieses Verfahren war seit Ende des 19. Jahrhunderts unmittelbar mit dem Namen eines Unternehmens, der Agfa, verbunden. Fengler schildert die Experimentierphase, untersucht die Expansion des Verfahrens und seine qualitative Vervollkommnung, die in den 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Sie geht den Ursachen der in den 1970er Jahren einsetzenden Stagnation des fotochemischen Verfahrens und seiner weltweiten Verdrängung durch die digitale Fotografie nach, die zur Schließung des ostdeutschen Agfa-Betriebes, des VEB Filmfabrik Wolfen Mitte der 1990er Jahre und dann auch des Leverkusener Unternehmens der Agfa-Gevaert-Gruppe ein Jahrzehnt später geführt hat.
In seiner Laudatio ist Jörg Rösler umfassend auf die Studie von Fengler eingegangen. Fenglers Werk sei mehr als eine traditionelle Technikgeschichte. Während diese traditionelle Art Technikgeschichtsschreibung ganz überwiegend nur die erfolgreichen Innovationen in der Erinnerung kultiviere, widme die Autorin ein Drittel ihres Buches den Phasen der Stagnation und des Niedergangs. Damit überschreite sie die Schwelle von der traditionellen zur kritischen Technikgeschichte. Fenglers Buch sei eine moderne Technikgeschichte. Aber es sei darüber hinaus auch noch mehr. Im Untertitel klassifiziere sie ihr Buch als „Unternehmens- und Technikgeschichte“. Beide Genre zu verbinden gelinge nur selten. Die Innovationsgeschichte habe in Deutschland einen gewaltigen Schub erhalten, als nach dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik die ostdeutschen Archive für die wissenschaftliche Nutzung freigegeben worden seien und anhand der Akten der zuständigen „wirtschaftsleitenden Organe“ einen tiefen Einblick in die Entwicklungsprozesse von DDR-Betrieben gestattet hätten. Die insbesondere von Dietmar Petzina und Johannes Bähr vorangetriebenen Arbeiten hätten bald zu der Erkenntnis verdichtet, dass sich die DDR-Betriebe, mit einigen Ausnahmen, gegenüber der bundesdeutschen Industrie in einem gravierenden Innovationsrückstand befunden hätten. Rasch seien die angeblichen entscheidenden Ursache dafür ausgemacht: der fehlende Markt, die „künstlichen“ Preise in der DDR-Wirtschaft, die keine verlässlichen Informationen über Knappheiten bzw. über die Stellung zur Weltmarktkonkurrenz gestattet hätten sowie die Möglichkeit, in planwirtschaftlich abgegrenzten Absatzgebieten auch dann noch zu punkten, wenn die weltweite Entwicklung längst die Notwendigkeit, zu neuen Verfahren überzugehen, signalisiert hätte.
Es spreche für die genaue Beobachtungsgabe der Autorin und für ihr kritisches Urteilsvermögen, wenn sie schreibe: „So gab es in der DDR durchaus Technologiebereiche, in denen Betriebe und Kombinate wettbewerbsfähige Technologien generierten. … Umgekehrt finden sich auch im marktwirtschaftlichen System der Bundesrepublik zahlreiche Beispiele, in denen einzelne Branchen und Unternehmen zu technologischen und ökonomischen Spitzenergebnissen nicht in der Lage waren.“ Erst der in diesen zitierten Sätzen vollzogene Bruch mit dem neoliberalen Denkschema ermögliche es Fengler den jüngsten Ansatz der Innovationsgeschichte für sich fruchtbar zu machen – die Theorie von der pfadabhängigen Entwicklung. Bezogen auf das Innovationsverhalten könne allein dies erklären, warum Firmen, die in der Experimentierphase das „dominant design“ entwickelt hätten, nicht nur in der Expansionsphase und in der Ausreifungsphase an der vorherrschenden Produktionstechnologie festhielten, sondern auch in der Stagnations- und Rückbildungsphase, als neue Verfahren für jeden fachlich versierten Beobachter nachvollziehbar das bisherige „dominant design“ abzulösen begonnen hätten. Die Antwort laute: Es seien die geringen aus den laufenden Gewinnen finanzierbaren Kosten der weiteren Vervollkommnung bisheriger Produkte verglichen mit den außerordentlich hohen Kosten, die eine Produkt- und Verfahrensumstellung erforderlich macht. Davor seien die Vorstandsmitglieder von Agfa Leverkusen ebenso zurückgeschreckt wie die Leiter der Filmfabrik Wolfen bzw. deren Vorgesetzte in den wirtschaftsleitenden Institutionen der DDR. (Die Lautation siehe vollständig unter: http://www.ith.or.at/ith/kuczynski2010_laudatio.htm)
In ihrer Dankesrede stellte Silke Fengler einige zentrale Thesen ihres Buches vor. Sie berichtete außerdem ausführlich sowohl einerseits über die Motivationen, die sie als Wirtschaftshistorikerin zu der Thematik ihrer Studie geführt haben. Andererseits berichtete sie auch ausführlich über die Schwierigkeiten, auf die sie während der Arbeit an ihrer Studie gestoßen ist. (siehe den ganzen Text der Dankesrede unter: http://www.ith.or.at/ith/kuczynski2010_dankwort.htm
Das Eröffnungsreferat hielt am Freitag Enzo Traverso (Paris). Er ging ausführlich darauf ein, dass sich die hegemoniale Erinnerungspolitik in Europa von einer Sieger/Besiegte-Dichotomie zu der des Verhältnisses Täter/Opfer verschoben habe. Unter der zweiten Dichotomie seien dann, so Traverso, auch die drei zeitgenössischen Hauptstränge zu subsumieren: Holocaust, Stalinismus und Postkolonialismus.
Nach einer Einführung in den neuen Tagungszyklus der ITH und in das aktuelle Programm behandelte Jürgen Kocka (Freie Universität, Berlin) zu Beginn des zweiten Konferenztages die etwas umfassendere Thematik Arbeiterbewegungen in der europäischen Erinnerung des 20. Jahrhunderts.
Bruno Groppo (Centre National de la Recherche Scientifique, Paris) veranschaulichte in seinem Beitrag The Changing Memories of World War II and Resistance in Italy and France: A Comparative View die unterschiedlichen historischen und aktuellen Bedeutungen der Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg sowie an den antifaschistischen Widerstandskampf einerseits in Frankreich und andererseits in Italien. Er konstatierte dabei u.a., dass es in Italien in der offiziellen Erinnerungskultur lange Zeit ein pauschales Gegenüberstehen von angeblich nur einigen wenigen Faschisten und den späteren deutschen Besatzungstruppen auf der seinen Seite sowie dem weitaus überwiegenden Rest der Bevölkerung auf der anderen Seite gegeben habe. Diese undifferenzierte Erinnerung sei erst sehr spät hinterfragt worden, wobei dann auch die Problematik der italienischen Bürgerkrieges berücksichtigt worden sei.
Bernd Faulenbach (Ruhr Universität, Bochum) referierte über Die deutsche Sozialdemokratie in den geschichtspolitischen Auseinandersetzungen der 1970er und 1980er Jahre. Faulenbach präsentierte interessante Details über die offizielle Geschichtspolitik der SPD sowie deren Hintergründe und Zielsetzungen. Allerdings ist in der anschließenden Diskussion zu Recht seine sehr unkritische Haltung gegenüber der Politik und der Geschichte der SPD bemängelt worden.
Helmut Konrad (Karl-Franzens-Universität, Graz) stellte die Geschichtspolitik der österreichischen Sozialdemokratie in den 1970er und 1980er Jahren vor. Österreich kommt seinen Ausführungen nach in der Geschichte der Arbeiterbewegung eine Bedeutung zu, die größer als die vergleichbarer Länder ist. Das habe auch damit zu tun, dass in Österreich die Theorieentwicklung der Arbeiterbewegung über längere Zeit entscheidend vorangetrieben worden sei, wie z.B. durch den „Austromarxismus“. Außerdem sei hier die Alltagskultur etwa durch das „Rote Wien“ modellhaft etabliert worden. Nicht zuletzt beherberge es auch zentrale Gedächtnisorte – wie beispielsweise im Zusammenhang mit den Geschehnissen im Februar 1934. Trotz aller Beengtheit der akademischen Welt in Österreich habe die Arbeitergeschichte hier stärker als in anderen Ländern u.a. auch deshalb in den 1950er und 1960er Jahren Fuß fassen können, weil sie auf universitärer Ebene in der Ära Kreisky erheblich gefördert worden sei. Fast alle Lehrstuhlinhaber des Fachs Zeitgeschichte hätten in dieser Zeit nicht nur eine inhaltliche, sondern zudem auch eine institutionelle Nähe zu den Organisationen der Arbeiterbewegung gehabt. Allerdings sei dann von dieser Stellung aus der spätere wissenschaftliche Paradigmenwechsel von der traditionellen Ideen- und Organisationsgeschichte hin zu einer Sozial- und Kulturgeschichte nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Dadurch sei die Attraktivität dieses Fachs für einige Zeit in einem erheblichen Maße zurückgegangen.
Mario Kessler (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam) behandelte das Thema Die Historiographie der Arbeiterbewegung – von der Erinnerungskultur zur Erinnerung an eine Zukunft. In seinem spannenden Vortrag forderte er u.a. ein sehr viel offensiveres Agieren hinsichtlich der Erinnerungskultur der Arbeiterbewegung, auch im Zusammenhang mit der Überwindung der gegenwärtigen bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung.
Nick Dyrenfurth (University of Sydney) thematisierte in seinem Beitrag ‘Socialism is being mates’: ‘Mateship’ and the Cultural Politics of the fin de siècle Australian Labour Movement einen sehr spezifischen Aspekt innerhalb der australischen Arbeiterbewegung. Dieser außerhalb Australiens kaum bekannte Aspekt des vor allem auch durch die dortigen besonderen Lebensumstände bedingten „mateship“ verbindet Gleichberechtigung, Loyalität und Freundschaft miteinander.
Andreas Eckert (Humboldt Universität, Berlin) zeigte in seinem sehr beeindruckenden Vortrag Historische Bezugspunkte afrikanischer Arbeiterbewegungen einerseits die Konzeptionen des europäischen, und dabei besonders des französischen Kolonialismus sowie deren durch die direkten und indirekten Einflussnahmen seitens der afrikanischen Arbeiterbewegung bedingten erheblichen Veränderungen nach 1945 auf. Eckert wies in diesem Zusammenhang nicht nur auf große und lange Streiks gegen Ende der 40er Jahre hin, sondern zeigte auch die Bedeutung z.B. der ´Marktfrauen` in diesen Kämpfen auf. Eckert veranschaulichte zudem, wie sich die Rolle, Bedeutung und Funktion der afrikanischen Arbeiterbewegungen im Kampf für die nationale Unabhängigkeit sowie nach der Durchsetzung der Unabhängigkeit ganz wesentlich verändert haben. Zu Recht hinterfragte er, ob die Kategorien der immer noch sehr eurozentristischen und traditionellen Sichtweise der Arbeiterbewegung in Bezug auf die Bedingungen etwa in Afrika adäquat sind. Er zeichnete gleichfalls nach, wie sich die Bedingungen und die Bedeutungen der Arbeiterbewegungen in afrikanischen Staaten nach dem Erlangen der nationalen Unabhängigkeiten grundlegend gewandelt haben: In vielen afrikanischen Staaten wurden Aktivisten der Arbeiterbewegung zu Angehörigen der postkolonialen Staatsbürokratie.
Dass die Bedeutung der Arbeiterbewegungen und der Erinnerungen an die Traditionen an die Arbeiterbewegung in vielen Staaten Südamerikas nach dem Übergang von militär-faschistischen Regimes zu demokratischen Regierungen wesentlich geringer geworden ist, wies Gerardo Leibner (Institute for Latiin American History and Culture, Tel Aviv University) in seinem Beitrag The Memory of Latin American Labour Movements nach. Die Erinnerungen an die Arbeiterbewegungen werden von anderen Erinnerungen überlagert, z.B. von den Erinnerungen der Angehörigen an die Opfer der faschistischen Regimes. Leibner hat hier betont, dass die Angehörigen ihre ermordeten Verwandten nicht nur als bloße Opfer, sondern auch als aktive Kämpfer gegen die Regimes ansehen.
Wie kompliziert und schwierig die Bedingungen für die Arbeiterbewegung in Südkorea gewesen sind und auch gegenwärtig heute noch immer sind, zeigte Hyun Back Chung (Sungkyunkwan University, Seoul) in ihrem Vortrag Memories of the South-Korean Labour Movement. Sie schilderte das Leben, die erinnerungspolitische und die politische Bedeutung von Chun tae-il, der sich zweiundzwanzig jährig im Jahr 1970 aus Protest gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen in kleinen Fabriken selber verbrannt hat.
Berthold Molden (Wien) thematisierte mit seinen Konferenzbeitrag Historische Bezugspunkte der Antikolonialbewegung einige der zentralen antikolonialen Geschichtspolitiken von der Konferenz der antiimperialistischen Liga im Jahr 1927 in Brüssel bis in die Gegenwart.
Dass es zwischen den feministischen Bewegungen in Skandinavien und der Arbeiterbewegung keine bedeutenden politischen Kontakte gegeben hat, veranschaulichte Ulla Manns (Department of Gender Studies, Södertörn University, Stockholm) in ihrem Vortrag Historico-political Strategies of Scandinavian Feminist Movements.
Über den Wandel der polnischen Gewerkschaft Solidarität von einer bedeutenden Reformbewegung hin zu einer Organisation, die die politisch rechts orientierte Partei Recht und Gerechtigkeit unterstützt, referierte Tomasz Kozłowski (The Institut of National Remembrance, Warszawa) in The Memory of the Polish Independent Self-Governing Trade Union “Solidarność”. Trotz dieses gravierenden politischen Wandels wird die Geschichte der Solidarität immer noch von einem Großteil der polnischen Bevölkerung, auch von der Jugend, positiv beurteilt.
Jens Kroh (Essen) hatte zum Abschluss der Konferenz die schwierige Aufgabe, eine Synthese der verschiedenen Beiträge und der zahlreichen Diskussionsbeiträge zu erstellen.
Ergebnisse der Konferenz
Als wesentliches Ergebnis der Konferenz muss zum einen festgehalten werden, dass aus mehreren Gründen die Erinnerungen an die klassische, die traditionelle Arbeiterbewegung und ihre unterschiedlichen Strömungen sowie deren ProtagonistInnen bis auf sehr wenige Ausnahmen gegenwärtig weder im jeweiligen nationalen, regionalen und globalen Zusammenhang eine nennenswerte Bedeutung mehr haben. Die Erinnerungen an die traditionelle Arbeiterbewegung sind entweder an den Rand der Erinnerungskultur gedrängt worden, oder sie werden oftmals von anderen Erinnerungen überlagert.
Die Konferenz hat allerdings gleichzeitig durchaus auch einige Möglichkeiten und Wege aufgezeigt, wie dieses wenig erfreuliche Ergebnis zumindest tendenziell verändert werden kann. Zu diesen Möglichkeiten und Wegen gehören u.a. die Nutzung des Internets für die Verknüpfung von Archiven, ProtagonistInnen und WissenschaftlerInnen, die digitale Zur-Verfügung-Stellung von Materialien, dazu gehört aber auch die Nutzung von traditionellen Medien wie Rundfunk und Fernsehen für die Verbreitung der Erinnerungen an die Arbeiterbewegung („HistorikerInnen der Arbeiterbewegung müssen medial Besseres zustande bringen als Guido Knopp!“).
Zum anderen hat die Konferenz (wie auch schon die Konferenz im letzten Jahr) die mit den Begriffen „Arbeit“, „Lohnarbeit“ und „Arbeiterbewegung“ verbundenen Problematiken offenkundig werden lassen. Es scheint offensichtlich unbedingt erforderlich zu sein, sich mit diesen Begriffen noch einmal sehr viel differenzierter und intensiver als bislang zu beschäftigen. Die in der MEGA² veröffentlichten Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels geben dafür sicherlich einige Ausgangspunkte sowie zahlreiche Anregungen.
Schließlich hat die Konferenz auch eine nach wie vor bestehende große Lücke aufgezeigt, nämlich dass es bis heute noch kein wissenschaftliches Werk gibt, in dem die globale Geschichte der Arbeiterbewegung mit all ihren Wechselwirkungen und Beeinflussungen untersucht und dargestellt wird, so wie es Wolfgang Abendroth bezogen auf Europa mit seiner „Sozialgeschichte der europäischen Arbeiterbewegung“ versucht hat.
Text: Andreas Diers, Bremen, geringfügig ergänzt durch Bernd Hüttner.
Andreas Diers ist Mitglied der Rosa-Luxemburg-Initiative Bremen. Letzte Buchpublikation: Arbeiterbewegung - Demokratie - Staat : Wolfgang Abendroth ; Leben und Werk ; 1906 – 1948. VSA-Verlag Hamburg 2006
Sowie zuletzt u.a. Wolfgang Abendroth zum 25. Todestag