Nachricht | Grenzenüberschreitende Arbeitergeschichte: Konzepte und Erkundungen, Leipzig 2010

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Arbeiterbewegungen in globalen Erinnerungsprozessen/ The memory of labour“ war das Rahmenthema der 46. Konferenz der ITH (Internationale Tagung der HistorikerInnen der Arbeiter- und anderer sozialer Bewegungen). Anlässlich der Tagung wird seit 2004 der René Kuczynski-Preis für herausragende Publikationen auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialgeschichte verliehen, dieses Jahr an die Unternehmenshistorikerin Silke Fengler für die Arbeit Entwickelt und fixiert. Zur Unternehmens- und Technikgeschichte der deutschen Fotoindustrie, dargestellt am Beispiel der Agfa AG Leverkusen und des VEB Filmfabrik Wolfen (1945-1995) (Essen 2009/Klartext Verlag). Laudatio des Vertreters der Juroren, Jörg Roesler.

Es ist Tradition, dass zur Tagung der Band zur Dokumentation der vorjährigen erscheint: 2009 wurde der Konferenzzyklus der ITH der Jahre 2007-2009 abgeschlossen, der unter einem globalgeschichtlichen Vorzeichen stand (Konferenzberichtvon Ralf Hoffrogge). Berthold Unfried fasst im Vorwort des Bandes nochmals den Weg des Konferenzzyklus der ITH in den Jahren 2007-2009 zusammen. Marcel van der Linden, der als eine_r der Koryphäen der Global Labour History gelten kann, umreißt seiner umfangreichen Einleitung den state of the art. Global Labour History will, um nur einige Topoi zu nennen, den methodologischen Nationalismus der klassischen Organisationsgeschichte überwinden, sie will den Begriff der Arbeit enorm ausdehnen und z.B. unfreie Arbeit und Reproduktionsarbeit mit in die Untersuchungsagenda aufnehmen und die transnationalen Aspekte (also zum Beispiel Produktketten oder Kommunikationsnetze und Migrationsrouten von ArbeiterInnen) mit in eine Historiographie der Arbeit und der Arbeitenden aufnehmen.

Kapitel 1 umfasst zwei Beiträge zum Stand der Arbeitergeschichtsschreibung: The Benefits and Pitfalls of Comparative Labour History across National Boundaries (von Dick Geary) und „Changing Paradigms of South Asian Labour Historiography“ von Rana P. Behal.

Verflechtungen innerhalb der Textilbranche und deren Folgen für Arbeitsverhältnisse und -kämpfe heißt das zweite Kapitel des Bandes. Es enthält einen deutschsprachigen Beitrag und zwei englischsprachige zur Textilindustrie, die mit Anbau, Handel, Verarbeitung und Absatz als eines der ersten globalen Systeme gelten kann.

Arbeitsmigration und die Transformation ländlicher Regionen lautet das dritte Kapitel. Dirk Hoerder untersucht in „Capitalization of Agriculture, 1850s to 1960s: Rural Migrations in a Global Perspective“, Michele Ford das „Management of Irregular Labour Migration in Thailand and Malaysia“. Minjie Zhang schließlichberichtet (ebenfalls auf englisch) über die Urbanisierung und Wanderarbeit in China am Beispiel der Stadt Yiwu.

Das Buch endet mit zwei Aufsätzen zu Religion und Klassenbildung in globaler Perspektive, u.a. dem Beitrag Soziale Krise und Ausbreitung des evangelikalen Fundamentalismus in Lateinamerika „ von Juliana Ströbele-Gregor und „ Competing Identities: Religion and Working-Class Formation in North-Western Europe“ von Lex Heerma van Voss.

Der Band ist einer der wenigen im deutschsprachigen Raum, der Arbeit in einer globalen Perspektive betrachtet und schon alleine deshalb wichtig. Er zeigt aber auch deutlich, wie groß und vielfältig der Gegenstand der Global Labour History ist – und wie viel noch in den nächsten Jahren zu forschen ist, definitorisch und inhaltlich (was ist der Gegenstand der Global Labour History) und methodologisch (was sind die Methoden und vor allem: die Quellen der Forschung?).


Marcel van der Linden (unter Mitarbeit von Eva Himmelstoss) (Hrsg. ): Grenzenüberschreitende Arbeitergeschichte: Konzepte und Erkundungen (ITH-Tagungsberichte Bd. 44); Leipzig: Akademische Verlagsanstalt 2010, 280 Seiten, 25 EUR