Die Zunahme antimuslimischer Hetze und Gewalt in Indien während der COVID-19-Pandemie erregte international Aufmerksamkeit. Im ganzen Land kursierte das Narrativ des «CoronaJihad», demzufolge die muslimische Minderheit absichtlich das Virus verbreite; eine entscheidende Rolle spielten dabei die reichweitenstarken Nachrichtennetze rechter Gruppen aus dem hindu-nationalistischen Spektrum. Aufgrund seiner landesweit über 400 Millionen Nutzer*innen kommt WhatsApp eine Schlüsselstellung im Mediennetzwerk jener Gruppen zu, die der ausschließenden politischen Ideologie der Hindutva anhängen (Kanungo, 2016). Sie träumen von Indien als hinduistisch dominierter rashtra (Nation). Diese Vision bildet den Nährboden für ein «Ökosystem des Hasses» (Nizaruddin, 2020, S. 726), in dem die muslimische Bevölkerungsgruppe als Bedrohung der Nation markiert wird. Bei den Wahlen 2014 und 2019 konnten die rechten Hindutva-Anhänger*innen der Bharatiya Janata Party (BJP) erstmals die Mehrheit im indischen Parlament erringen. Seitdem hat sich das hindu-nationalistische Hassnetzwerk so weit ausgebreitet, dass es mittlerweile die alltägliche Lebenswelt im Land stark prägt.
Das hindu-nationalistische Hassnetzwerk
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich bei den muslimischen und Hindu-Identitäten auf dem indischen Subkontinent keineswegs um «ursprüngliche Bindungen» handelt; vielmehr sind diese Identitäten einem kontinuierlichen Konstruktionsprozess unterzogen, an dem kommunikative Praktiken und andere soziokulturelle Faktoren einen großen Anteil haben. Während der Kolonialzeit setzte sich eine essentialistische Interpretation des Unterschieds zwischen Hindus und Muslim*innen durch, auf deren Grundlage das ungeteilte Indien sich später in die Nationalstaaten Indien und Pakistan aufspaltete. Dieser Vorgang wurde von nationalistischen Strömungen auf beiden Seiten befeuert. Auch die Ausarbeitung der Hindutva-Lehre durch den hindu-nationalistischen Vordenker Savarkar (1923/2003), die erheblich zur Entwicklung des Hindu-Nationalismus als politischer Kraft beitrug, ist vor dem Hintergrund dieser Konstruktion nationaler Identität zu verstehen. In dieser Lehre gilt Indien als heilige Heimstatt der Hindus, wohingegen Muslim*innen und Christ*innen aufgrund der außerindischen Herkunft ihrer Religionen die Zugehörigkeit abgesprochen wird. Die Kaderorganisation Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) und ihre Schwesterorganisationen – zusammen meist als Sangh Parivar oder Sangh-Familie bezeichnet – sind seit der indischen Unabhängigkeit die wichtigsten Vertreter*innen der Hindutva-Ideologie. Die Partei von Indiens Premierminister Modi ist der politische Arm dieses Verbunds.
Seit ihrem Bestehen haben hindu-nationalistische Organisationen Hassnetzwerke unterhalten, die vor allem die vermeintlich zersetzend wirkende muslimische Minderheit ins Visier genommen haben. Diese antimuslimische Hetze ist Teile eines performativen Projekts zur Unterwerfung der indischen Gesellschaft unter die Dominanz der hinduistischen Mehrheitsbevölkerung (Nizaruddin, 2020). Dreh- und Angelpunkt dieser Vision ist es, in schroffer Abgrenzung zu einem muslimischen «Anderen» die Hindutva-Identität zu proklamieren. Gewalttätige Übergriffe, Hetze und die Verbreitung von Falschinformationen in verschiedenen Mediengattungen, in Kulturgütern und in der Öffentlichkeit stabilisieren essentialistisch verstandene konfessionelle Unterschiede auf performative Art und Weise.
Diese Arbeit wurde ermöglicht durch ein Postdoc-Stipendium am Internationalen Forschungskolleg über Autoritarismus und Gegenstrategien der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die Autorin, Fathima Nizaruddin, bedankt sich bei den beiden anonymen Gutachter*innen und den Teilnehmer*innen der wöchentlichen Forschungsgruppentreffen des Sarai-Programms am Centre for the Study of Developing Societies (CSDS), Delhi.
Lizenz: Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International (CC BY-NC-ND 4.0). Verfügbar unter http://ijoc.or.
Übersetzung von Maximilian Hauer & Max Henninger für Gegensatz Translation Collective.
Hetze und Gewalt sind gleichermaßen zentral für die Hindutva-Hassnetzwerke und befördern sich gegenseitig. Es bietet sich in diesem Kontext an, auf Paul R. Brass' Analyse des hindu-nationalistischen «Systems institutionalisierter Ausschreitungen» (2003, S. 15) zurückzugreifen, das die Hindutva-Gruppen pflegen. Brass weist auf eine Schlüsseltätigkeit innerhalb der institutionalisierten Gewalt der sogenannten Hindu-Muslim-Ausschreitungen hin, die er als Schüren des Feuers bezeichnet[1]; damit meint er Taktiken wie die Verbreitung von Hetze, Falschinformationen und Gerüchten, mittels derer die Spannungen zwischen den konfessionellen Gruppen beständig aufrechterhalten werden. Das Schüren des Feuers verstetigt so eine von Hass und Misstrauen gesättigte Atmosphäre, in der Gewalt gedeihen kann. Der BJP gelingt es als Teil der Sangh-Familie immer wieder, aus diesem Mechanismus politisches Kapital zu schlagen (Brass, 2003). Ebenso wie Massendemonstrationen haben Printerzeugnisse, Video- und Audiokassetten, Onlineformate und andere Medien einen Raum geschaffen, in dem sich die Hindutva-Ideologie verfestigt und Muslim*innen als gefährliche «Andere» stigmatisiert werden. Heutzutage ist das Feuerschüren in der indischen Gesellschaft ein permanenter, allgegenwärtiger Prozess.
WhatsApp-Gruppen im hindu-nationalistischen Hassnetzwerk
In Indien zählten die hindu-nationalistischen Gruppen der Sangh-Familie zu den frühzeitigen Nutzer*innen von Social-Media-Plattformen und mobilen Anwendungen. Da WhatsApp ein fester Bestandteil im Alltag sehr vieler Smartphone-User*innen ist, gilt die App als maßgeblicher Kommunikationskanal für politische Parteien. Tatsächlich bezeichneten einige Nachrichtenagenturen die indische Parlamentswahl von 2019 als «WhatsApp-Wahl» (Schipani, Findlay & Murgia, 2019, Abschnitt 1). Insbesondere die BJP war sehr erfolgreich darin, ein weitläufiges WhatsApp-Netzwerk aufzubauen.
Die These, dass Plattformen wie WhatsApp für ihre Benutzer*innen «eine Art Zuhause erschaffen» hilft dabei, die Bedeutung des Dienstes innerhalb des weiteren Hindutva-Hassnetzwerkes zu erfassen. Der Gedanke lehnt sich an Tim Ingolds Vorschlag an, «die Wahrnehmung der Welt nicht unter dem Gesichtspunkt der Konstruktion zu sehen, sondern unter dem der Beteiligung, nicht als ein Errichten, sondern als ein Bewohnen, nicht als äußeres Betrachten der Welt, sondern als Einnahme einer Perspektive von innen» (2002, S. 42). Für die rasant ansteigende Zahl der indischen Smartphone-Nutzer*innen und ihr Umfeld konstituiert der Gebrauch von WhatsApp ein Handlungsschema, das ihr Zusammensein mit Anderen prägt (O’Hara et al., 2014). Die Integration von WhatsApp in das hindu-nationalistische Hassnetzwerk ist einer der Gründe für die Normalisierung des Feuerschürens während Modis Amtszeit.
Die Kommunikationsstruktur der WhatsApp-Gruppen
In den drei WhatsApp-Gruppen, die ich im Rahmen meiner Studie (Nizaruddin, 2021) untersucht habe, manifestierte sich die Hindutva-Ideologie vor allem in der Verbreitung von Hetze und Falschinformationen über die muslimische Community, in der Verklärung von Modi und diversen Organisationen der Sangh-Familie sowie in Appellen an die Einigkeit aller Hindu im Angesicht der muslimischen Fremdgruppe. Außerdem wurden weitere gesellschaftliche Gruppen als Angriffsziele identifiziert, darunter Anhänger*innen der Oppositionsparteien, säkulare Hindus, prominente Vertreter*innen der sozial niedrig rangierenden Dalit («Kastenlose»), Kommunist*innen und Christ*innen. Obwohl die Verbindungen der Sangh-Familie im Zentrum dieses Netzwerkes stehen, beschränken sich die Akteur*innen nicht auf Mitglieder einschlägiger Gruppen; an seinen Rändern arbeiten zahlreiche Gruppen und von der BJP bezahlte Trolle daran, das Netzwerk zu erhalten und zu erweitern.[2] Andere Akteur*innen, die aus verschiedenen gesellschaftlichen Milieus stammen und sich in unterschiedlichem Maße der Hindutva-Ideologie verschrieben haben, engagieren sich online ehrenamtlich in diesem Ökosystem (Udupa, 2019). Nun, da die BJP im Parlament über eine komfortable Mehrheit verfügt, treibt der «Hass aus Karrierismus» (Appadurai, 2019, Abschnitt 13) die Hassnetzwerke der Hindutva weiter an.[3] Dieses Phänomen verweist auf die gegenwärtige Situation in Indien, in der Karrieristen in ihrem Streben nach Macht und sozialem Prestige auf Hetze und Gewalt setzen. Dabei orientieren sie sich am Beispiel von hindu-nationalistischen Anführer*innen, die auf ähnlichem Wege berühmt wurden. Es lässt sich also festhalten, dass der Nachrichtenfluss in den drei untersuchten WhatsApp-Gruppen sowohl von einem breiten Spektrum an Organisationen und Kollektiven gespeist wird als auch von Leuten, die es zu hindu-nationalistischen «Hass-Promis» bringen wollen.
Hassbotschaften mit Pandemiebezug in den WhatsApp-Gruppen
In den drei im Rahmen dieser Studie untersuchten Chatgruppen schürten die ersten Posts in der Anfangsphase des COVID-19-Lockdowns Empörung über eine unzureichende Befolgung des Social Distancing unter Muslim*innen und beinhalteten etwa Aufnahmen aus einer Moschee, in denen zu sehen ist, wie Polizeikräfte Muslime verprügeln, die gegen die Lockdown-Auflagen verstoßen haben. Ein anderer Nachrichtenstrang skandalisierte Angriffe auf Polizeibeamt*innen und medizinische Angestellte in Gegenden mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung. Als die Medien landesweit über eine Versammlung der muslimischen Religionsgemeinschaft Tablighi Jamaat in Nizamuddin (Delhi) berichteten, die sich als COVID-19-Hotspot entpuppte, nahm die Anzahl der muslimfeindlichen Nachrichten zu und der Ton wurde schriller. Zahlreiche Personen aus dem Ausland und aus verschiedenen Teilen des Landes selbst hatten die Veranstaltung besucht; in vielen indischen Bundesstaaten ließen sich Infektionen nachweisen, die auf dieses Ereignis zurückführbar waren. Dieser Vorfall bot den Anlass, ein Narrativ zu entwickeln und flächendeckend zu streuen, das die muslimische Minderheit bezichtigte, das Virus im Land zu verbreiten. Sowohl die Mainstream- als auch die Sozialen Medien trugen zur Popularität des Narrativs über einen «CoronaJihad» bei, den die Muslim*innen angeblich gegen die indische Nation führen würden.
In der Pandemie verschafften auch etablierte Nachrichtensender solchen Hasserzählungen zusätzliche Reichweite. Große Nachrichtenkanäle wie Zee News und India TV, die in Hindi senden, verglichen die Teilnehmer*innen der Tablighi-Jamaat-Zusammenkunft in Delhi mit Selbstmordattentäter*innen; beide Sender betrieben eindeutig eine verzerrte Berichterstattung zugunsten der Modi-Regierung (Chatterji, 2020).
WhatsApp ist zwar ein bedeutendes Drehkreuz für die Verbreitung von Hassbotschaften, doch mit Sicherheit nicht das einzige. Erhellend ist im Fall der Narrative rund um den «CoronaJihad» der medienwissenschaftliche Begriff der Remediation, der das Zusammenspiel neuerer Kommunikationsmittel wie WhatsApp mit traditionelleren Medienformen wie etwa dem Fernsehen konzeptualisiert. Der Begriff der Remediation trägt der Tatsache Rechnung, dass kulturelle Tätigkeiten niemals im luftleeren Raum stattfinden und sowohl alte als auch neue Mediengattungen sich in ihrem wechselseitigen Verhältnis neu erfinden (Bolter & Gruisin, 2000).
Feuerschüren, Unternehmensrichtlinien und staatliches Handeln
Auf seiner Firmenseite präsentiert sich WhatsApp als «privater Messengerdienst». In einem 2019 veröffentlichten Weißbuch gegen Missbrauch wiederholt die Firma diese Behauptung; ergänzend heißt es dort, dass «unser Dienst keine Sendeplattform ist» (WhatsApp, 2019, S. 4). Doch die Aussage des indischen Innenministers und ehemaligen BJP-Parteivorsitzenden Amit Shahs, seine Partei könne allein im Bundesstaat Uttar Pradesh 3,2 Millionen Menschen per WhatsApp erreichen, verdeutlicht, dass sich die Plattform sehr wohl für Öffentlichkeitsarbeit eignet (Basu, 2019). Gleichfalls betonte Shah erneut, die BJP sei durch ihr WhatsApp-Netzwerk in der Lage, jedwede Nachricht viral gehen zu lassen, was auch für Falschinformationen gilt. Indem die Plattform Anwender*innen Kontrolle darüber verleiht, wen sie zu Gruppen hinzufügen können, versucht sie zwar Spam und automatisiertes Verhalten von Bots zu unterbinden. Doch es ist die Option, Gruppen über Einladungslinks beizutreten, die öffentlichen WhatsApp-Gruppen Wachstum beschert.
Die Anerkennung der Tatsache, dass WhatsApp unter anderem in Indien die Stellung einer öffentlichen Übertragungsanstalt auf Verschlüsselungsbasis einnimmt, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung von Maßnahmen, die geeignet sind, die Verbreitung von Hetze und Falschinformationen einzuschränken. In diesem Zusammenhang wird Tarleton Gillespies (2018) Argument relevant, wonach die inhaltliche Leitfunktion für Social-Media-Plattformen konstitutiv ist. Gillespie betont, dass die Unternehmen die Form gesellschaftlicher Diskurse wesentlich mitgestalten, obwohl sie unermüdlich beteuern, sie stellten lediglich eine neutrale Infrastruktur bereit; die Moderationsverfahren und die Rahmenbedingungen, die Plattformen abstecken, beeinflussen solche Strukturierungsprozesse nachhaltig.[4] Die Erweiterung von Gillespies Plattformbegriff um das Beispiel von WhatsApp erlaubt es nachzuvollziehen, wie die Richtlinien des Unternehmens die kommunikative Struktur innerhalb der WhatsApp-Gruppen prägen.
Insgesamt kann man sagen, dass WhatsApp ein zentraler Knotenpunkt innerhalb des Hindutva- Hassnetzwerks ist, der es ermöglicht, das Feuer zu schüren. Die Nutzung von WhatsApp in hindu-nationalistischen Mobilisierungsversuchen geht dabei mit der Remediation älterer Mediengattungen einher, etwa der Print- und Videomedien (Mukherjee, 2020). Gleichzeitig beruht die Funktion der Plattform innerhalb des hindu-nationalistischen Hassnetzwerkes auf der Art und Weise, in der die Plattform heute mit den alltäglichen Umgangsweisen der Menschen verflochten ist. Das Vorgehen der hindu-nationalistischen WhatsApp-Gruppen bei der öffentlichen Verbreitung von Narrativen wie dem des «CoronaJihad» veranschaulicht, wie die Plattform zu einem verlässlichen Medium für die Verstärkung der Hetze wird.
Der Austausch innerhalb der Gruppen verletzt nicht nur im Fall der Auseinandersetzungen um den «CoronaJihad» häufig die Nutzungsbedingungen von WhatsApp, die die Verbreitung von «Hassbotschaften, Rassismus oder ethnischer Diskriminierung» auf der Plattform untersagen. Doch der Wildwuchs öffentlicher Hindutva-Gruppen, die permanent und bei jeder Gelegenheit konfessionelle Spannungen schüren, offenbart die Mängel bei der Durchsetzung dieser Nutzungsbedingungen besonders deutlich.
Das Unternehmen hat einige wenige Maßnahmen ergriffen, um das Problem der Falschinformationen anzugehen, die in Indien und anderen Ländern auf der Plattform zirkulieren. So hat WhatsApp beispielsweise die Anzahl der Nachrichten beschränkt, die auf einmal weitergeleitet werden können und solche häufig weitergeleiteten Nachrichten werden nun gekennzeichnet. Diese Maßnahmen blieben jedoch völlig unzureichend (Banaji et al., 2019).
Auch wenn die Architektur der Plattform und einige Unternehmensrichtlinien den hindu-nationalistischen Hetzer*innen in die Hände spielen, griffe es zu kurz, der Firma die alleinige Verantwortung zuzuschreiben. Denn dies hieße, die Augen vor der langen Geschichte politischer Mobilisierungsversuche der Hindutva-Organisationen zu verschließen. Dass diese Gruppen auf WhatsApp Hassbotschaften wie die Mär vom «CoronaJihad» unter die Leute bringen können, rührt auch daher, dass die staatlichen Behörden sich kaum bemühen, solchem Treiben Einhalt zu gebieten. Der Hauptgrund dafür ist, dass das Wahlglück von Premierminister Modi und seiner BJP eng mit den Agitationserfolgen eines Hassnetzwerkes verknüpft ist, das stets aufs Neue für die Einheit aller Hindus gegenüber den muslimischen «Anderen» trommelt.
WhatsApps tiefe Verstrickung in die spaltende Politik von Hass und Gewalt im heutigen Indien zeigt, dass verschlüsselte Plattformen von großer Bedeutung sind, wenn es darum geht, den öffentlichen Diskurs zu gestalten. Sobald diese Plattformen einmal in der Lebenswelt verankert sind, sollte die öffentliche Debatte sich der dringenden Frage annehmen, wie Moderationsverfahren für Social-Media-Plattformen aussehen könnten, die allgemein einsehbar sind und die Unternehmen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen (Gillespie, 2018). Es bedarf Schritte in Richtung eines zuverlässigen und transparenten Verfahrens, um diejenigen identifizieren und sperren zu können, die die Plattformen für ihre Agenda gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit missbrauchen. Nur die Mitarbeit der Nutzer*innen verspricht dabei Aussicht auf Erfolg. Der Verweis auf «intelligente Systeme des Maschinenlernens», die «missbräuchliches Verhalten erkennen» können (WhatsApp, 2019, S. 3) wird dem Problem nicht hinreichend gerecht.
Am Fall der hindu-nationalistischen WhatsApp-Gruppen, die mit Narrativen über einen angeblichen «CoronaJihad» Zwietracht säen, wird sichtbar, dass es dem Hindutva-Hassnetzwerk durch seine rasche Anpassung an neue, aufstrebende Kommunikationstechnologien gelungen ist, sein Einflussgebiet auszudehnen. Das wiederum hat es den Mitgliedern des Netzwerkes erlaubt ihre hetzerischen Aktivitäten auf ein neues Niveau zu heben. Indem sie das Feuer schüren, leisten sie zugleich einen wesentlichen Beitrag zur Wahlkampfstrategie der BJP unter Premierminister Modi. In Anbetracht des gegenwärtigen politischen Klimas der indischen Gesellschaft wird es daher bei der Bekämpfung von Hetze und Falschinformationen auf WhatsApp nicht mit ein paar technischen Updates oder ähnlich oberflächlichen Lösungsansätzen getan sein.
Literatur
- Appadurai, A. (2019). A syndrome of aspirational hatred is pervading India. The Wire. Abgerufen hier.
- Banaji, S., Bhat, R., Agarwal, A., Passanha, N., & Pravin, M. S. (2019). WhatsApp vigilantes: An exploration of citizen reception and circulation of WhatsApp misinformation linked to mob violence in India. Abgerufen hier.
- Basu, S. (2019). Manufacturing Islamophobia on WhatsApp in India. The Diplomat. Abgerufen hier.
- Bolter, J. D., & Grusin, R. (2000). Remediation: Understanding new media. Cambridge, MA: MIT Press.
- Brass, P. R. (2003). The production of Hindu-Muslim violence in contemporary India. New Delhi, India: Oxford University Press.
- Chatterji, R. (2020). Tablighi Jamaat: News channels are spreading hate in the name of reporting. HuffPost India. Abgerufen hier.
- Gillespie, T. (2018). Custodians of the Internet: Platforms, content moderation, and the hidden decisions that shape social media. New Haven, CT: Yale University Press.
- Ingold, T. (2002). The perception of the environment: Essays on livelihood, dwelling and skill. London, UK: Routledge.
- Jha, D. K. (2017). Shadow armies: Fringe organizations and foot soldiers of Hindutva. New Delhi, India: Juggernaut.
- Kanungo, P. (2016). Public Hinduism and Hindutva. In B. A. Hatcher (Hg.), Hinduism in the modern world. New York, NY: Taylor & Francis.
- Mukherjee, R. (2020). Mobile witnessing on WhatsApp: Vigilante virality and the anatomy of mob lynching. South Asian Popular Culture, 18(1), 79–101. doi:10.1080/14746689.2020.1736810
- Nizaruddin, F. (2020). Resisting the configurations for a Hindu Nation. HAU: Journal of Ethnographic Theory, 10(3), 726–733. doi:10.1086/711891
- Nizaruddin, F. (2021). Roll of Public WhatsApp Groups Within the Hindutva Ecosystem of Hate and Narratives of «CoronaJihad». International Journey of Communication, 15 (2021), 1-18.
- O’Hara, K. P., Massimi, M., Harper, R., Rubens, S., & Morris, J. (2014). Everyday dwelling with WhatsApp. Proceedings of the 17th ACM Conference on Computer Supported Cooperative Work & Social Computing (pp. 1131–1143). New York, NY: Association for Computing Machinery. doi:10.1145/2531602.2531679
- Savarkar, V. D. (2003; zuerst 1923). Hindutva. Delhi, India: Hindi Sahitya Sadan.
- Schipani, A., Findlay, S., & Murgia, M. (2019). India: The WhatsApp election. Financial Times. Abgerufen hier.
- Udupa, S. (2019). Nationalism in the digital age: Fun as a metapractice of extreme speech. International Journal of Communication, 13, 3143–3163.
- WhatsApp. (2019). Stopping abuse: How WhatsApp fights bulk messaging and automated behavior. Abgerufen hier.
[1] In den meisten Fällen trägt die muslimische Seite die größeren Verluste davon.
[2] Einige Forscher*innen bezweifeln, dass diese sogenannten randständigen Gruppen unabhängig von der Sangh-Familie agieren (Jha, 2017).
[3] Es gab bereits früher Regierungen unter Führung der BJP, diese mussten sich jedoch den Vorbehalten ihrer Koalitionspartner beugen. Das hinderte die BJP in der Regel daran, eine reine Hindutva-Agenda durchzusetzen. Nach ihren Wahlsiegen von 2014 und 2019 verfügt die Partei nun über eine Führungsrolle in der aktuellen Regierungskoalition NDA (National Democratic Alliance) und ist in einem geringeren Maß als bislang auf ihre Verbündeten angewiesen.
[4] Gillespies Plattformbegriff (2018) deckt WhatsApp und ähnliche Messengerdienste nicht ab.