Antifascist Europe stellt auf diesen Seiten seinen Bericht über die Aktivitäten der ausländischen rechtsextremen freiwilligen Kämpfer vor, die seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine ins Land geströmt sind. Er umfasst die Ergebnisse der Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen während der ersten 50 Tage des Krieges sowie eine Analyse bestehender Publikationen über die Natur des Phänomens der freiwilligen Kämpfer in der Ukraine. Dieser Bericht stellt einen Versuch dar, eine Chronologie der Beteiligung militanter Rechtsextremer an den Kampfhandlungen aufzustellen, eine kurze Übersicht über den Konflikt von 2014 zu bieten sowie die Struktur der Internationalen Legion der Ukraine näher unter die Lupe zu nehmen.
Antifascist Europe ist ein von der Rosa-Luxemburg-Stiftung initiiertes antifaschistisches Forschungsprojekt, das aktivistische Initiativen, Journalist*innen und Wissenschaftler*innen aus ganz Europa umfasst, die die Entwicklung und transnationalen Netzwerke rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien sowie weißer supremistischer, neonazistischer und faschistischer Gruppen beobachten.
Ein Überblick über die Internationale Legion der Ukraine
Drei Tage nach Kriegsbeginn kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi die Gründung der Internationalen Legion der Ukraine an.
Ausländer*innen können bereits seit einem Präsidialdekret von 2016 in den Streitkräften und der Territorialverteidigung der Ukraine dienen. «Jeder der wünscht, sich der Verteidigung der Sicherheit in Europa und auf der Welt anzuschließen, kann kommen und Seite an Seite mit Ukrainern den Invasoren des 21. Jahrhunderts entgegentreten», hatte der ukrainische Präsident erklärt. Die Internationale Legion der Territorialverteidigung wurde aus ausländischen Freiwilligen gebildet.
Auf der offiziellen Website der Legion sind die Flaggen von acht Staaten zu sehen – jene Dänemarks, Polens, Israels, Lettlands, Kroatiens, des Vereinigten Königreichs, der Niederlande und Kanadas – der Legion sind aber auch Menschen aus weiteren Ländern beigetreten. Anfang März 2022 verkündete der Leiter der Hauptnachrichtendirektion des Verteidigungsministeriums Generalmajor Kirilo Budanow, dass mehr als 20.000 Menschen aus 52 Ländern ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht hätten, sich der Legion anzuschließen. Zum Sprecher der Legion wurde der 33-jährige Korporal Damien Magrou, ein norwegischer Wirtschaftsanwalt in Kiew, ernannt.
Das ukrainische Militär hält Details über die Zusammensetzung der Legion unter Verschluss und lehnt es ab, nähere Angaben über die Größe des Verbands und die Anzahl der Freiwilligen nach Land zu machen. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge hat Kiew seit Kriegsbeginn über 6.800 «ausländische Söldner» aus 63 Ländern rekrutiert. (Das russische Verteidigungsministerium bezeichnet ausländische Freiwillige als «Söldner» und droht damit, die Genfer Konvention nicht für sie anzuwenden. Als Söldner werden jedoch üblicherweise Personen definiert, die in erster Linie aus finanziellen (und nicht aus politischen) Gründen kämpfen, daher wird der Begriff in diesem Bericht weitestgehend vermieden.) Die meisten dieser freiwilligen Kämpfer sollen aus Polen stammen: 1.717 Menschen. Zusätzlich sollen 1.500 Kämpfer (je 300 aus den Vereinigten Staaten, Kanada, Rumänien, dem Vereinigten Königreich und Georgien) in die Ukraine gekommen sein. Russland behauptet, 1.035 ausländische Kämpfer seien getötet worden. Laut russischem Militär befinden sich derzeit 4.877 «ausländische Söldner» auf ukrainischem Gebiet.
Auf der Website der Internationalen Legion wurde ein Fragebogen und detaillierte Anweisungen darüber veröffentlicht, was zu tun ist, um sich dem Krieg anzuschließen. Beamte überprüfen dann über die jeweilige ukrainische Botschaft den Hintergrund der Bewerber, um zu beurteilen, ob die Angaben über ihre Qualifikationen wahr sind. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde bekannt gegeben, dass nur Bewerber mit Kampferfahrung und fließenden Ukrainisch- oder Englischkenntnissen zugelassen würden. Derzeit dauert die Bearbeitung des Antrags vier bis sieben Tage. Zwei Quellen aus dem ukrainischen Militär, die mit dem Zulassungsverfahren vertraut sind, sagten der Washington Post, dass seit Einführung dieser beiden Kriterien die Zulassungsrate um mehr als 50 Prozent gesunken sei.
Russland behauptet, dass Ausländer, die auf ukrainischer Seite kämpfen, einen unbefristeten Vertrag unterzeichnen müssten und dass manche bereits bei privaten Militärunternehmen mit Sitz in den USA unter Vertrag stehen würden. Ukrainischen AntifaschistInnen zufolge werden Ausländern jedoch oft einfach Verträge zum Unterschreiben vorgelegt, wobei sie dann zu einem Militärstützpunkt geschickt werden und inaktiv bleiben. Es wurde auch angekündigt, dass die Legionäre einen Sold erhalten würden, wobei das Völkerrecht allerdings vorschreibt, dass ausländische Legionäre nicht mehr verdienen dürfen, als reguläre Soldaten. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass die Legionäre nicht aus finanziellen Gründen in die Ukraine ziehen. Sollte jemand doch Geld oder Zulagen für bestätigte Zulagen verlangen, wird dies abgelehnt.
Ausländische Freiwillige ziehen aus anderen Gründen in den Krieg, welche Rekrutierungsbeamte beim verpflichtenden Vorstellungsgespräch versuchen herauszufinden. Obwohl viele Freiwillige aus humanitären Gründen in die Ukraine reisen, «schließt dies nicht die Einreise von Personen mit extremistischeren Ansichten und ihrer eigenen Agenda aus» (Elisabeth Gosselin-Malo, «The Ukraine War and the Risk of a New Foreign Fighters Wave», in: Italian Institute for International Political Studies, 3. März 2022, zuletzt abgerufen am 9. März 2022). Rita Katz, Leiterin der SITE Intelligence Group, die Extremisten aufspürt, sagte den New York Times: «Zahlreiche weiße rechtsnationalistische und Neonazi-Gruppen aus ganz Europa und Nordamerika haben ihre begeisterte Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck gebracht, auch durch die Suche nach paramilitärischen Verbänden, denen sie sich im Kampf gegen Russland anschließen könnten, […] mit der Hauptmotivation, Kampferfahrung zu sammeln, aber auch ideologisch bewegt.»
Die Ukraine hat dem berühmten portugiesischen Neonazi Mário Machado jedoch die Aufnahme in die Legion offiziell verweigert. Eine der Voraussetzungen zur Aufnahme sei, «keine Vorstrafen» zu haben, erklärte der Militärattaché der Botschaft der Ukraine in Frankreich Sergei Malik. Und Machado war in der Vergangenheit wegen mehrerer Straftaten, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, Rassendiskriminierung und Besitz verbotener Waffen, zu einer Freiheitsstrafe von über zehn Jahren verurteilt worden. So kehrte Machado nach Portugal zurück, nachdem er fast eine Woche lang in der Ukraine Lebensmittel und Sanitärartikel verteilt hatte.
Während der Krieg weiterführt wird, strömen weiter Kämpfer aus der ganzen Welt in die Ukraine. Viele von ihnen stehen mit rechtsextremen Organisationen in Verbindung.
Ein entscheidender Wendepunkt: Die Bombardierung des Militärstützpunkts Jaworiw
Der Angriff auf den Militärstützpunkt Jaworiw bedeutete einen schweren Schlag gegen die Bewegung der freiwilligen Kämpfer in der Ukraine, über den ausführlich in den westlichen Medien berichtet wurde.
Am 13. März schoss die russische Armee einen Marschflugkörper auf den wenige Kilometer von der ukrainisch-polnischen Grenze liegenden Stützpunkt Jaworiw in der ukrainischen Region Lwiw. Der Stützpunkt ist auch als die Internationale Friedens- und Sicherheitszentrale der NATO und Bestimmungsort ausländischer freiwilliger Kämpfer bekannt. Durch den Angriff wurden laut russischem Verteidigungsministerium 180 ausländische freiwillige Kämpfer getötet, wobei auch eine Waffenlieferung aus dem Ausland zerstört wurde.
Der Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums Markijan Lubkiwski dementierte diese Zahlen gegenüber CNN und gab an, dass unter den Toten keine Ausländer bestätigt worden seien. Die regionale Militärverwaltung von Lwiw meldete 35 Tote und 134 Verwundete. Ein deutscher Legionär sagte der österreichischen Zeitung Heute, dass sich «800 bis 1.000 ausländische Soldaten» im Einschlagbereich aufgehalten hatten und dass er bezweifele, dass nur 35 gestorben seien: «Diese Zahl mag auf die toten zivilen ukrainischen Mitarbeiter und Militärs zutreffen, bei den ausländischen Kämpfern ist die Zahl aber weit höher», da das Nachbargebäude direkt getroffen wurde und «dort mindestens 100 Soldaten lagen, von denen keiner rausgekommen ist».
Der Schlag gegen den Stützpunkt Jaworiw verursachte jedenfalls Panik unter den ausländischen freiwilligen Kämpfern. Der belgischen Zeitung La Dernière Heure zufolge kehrte mehr als die Hälfte der 18 belgischen Freiwilligen, die zum Kampf in die Ukraine gezogen waren, nach Belgien zurück. Bei manchen lag diese Entscheidung vor dem Hintergrund eines dermaßen tödlichen Angriffs daran, dass sie die Situation vor Ort unterschätzt hatten, während andere wegen Gesundheitsproblemen zurückkehrten. So zum Beispiel Jacques Martin, ein 51-jähriger Kämpfer der Legion aus Flémalle, der den Luftschlag auf Jaworiw überlebte, dabei aber seinen Gehörsinn verlor und für zwei Wochen zur Behandlung nach Belgien reiste, bevor er wieder in die Ukraine zurückkehrte. Er beklagte, dass die Legion wegen der Sprachbarriere Disziplin- und Hierarchieprobleme hatte und über zu wenig Waffen, Ausrüstung und Schutzmaterialien verfügte, wobei er hinzufügte: «viele entschieden sich zu gehen, um nicht umsonst zu sterben», weil «sie ursprünglich die Situation unterschätzt hatten und kein Kanonenfutter werden wollten».
Obwohl sich Jacques Martin als Anarchist bezeichnete, fand die Presse bald heraus, dass er in Belgien ein bekannter rechtsextremer Aktivist ist, wobei seine wahren politischen Ansichten dank eines TV-Berichts aus seiner Wohnung leicht enttarnt wurden.
Eins der bekanntesten Beispiele eines ausländischen freiwilligen Kämpfers, der aus der Ukraine geflohen ist, ist die Geschichte des 28-Jährigen Henry Hoeft aus Central Ohio. Die Lokalzeitung The Columbus Dispatch veröffentlichte auf ihrer Titelseite ein Interview mit ihm, bevor er in die Ukraine zog, in dem er als Held portraitiert wurde. Hoeft gab an, er sei «ehemaliger Infanterist der US-Streitkräfte und Halb-Ukrainer väterlicherseits» und dass er «Putin aufhalten und einen Weltkrieg abwenden» würde. Nach Veröffentlichung dieses Artikels konnte er durch Crowdfunding mehr als 5.000 US-Dollar sammeln. Hoeft reiste dann mit seinem Kameraden Mike Dunn in die Ukraine.
Nach dem Angriff auf Jaworiw tauchte auf den sozialen Medien ein Video auf, in dem ein verängstigter Hoeft sagte, dass die Ukrainer den Ausländern keine Munition und Ausrüstung gegeben hatten, dass mehrere seiner Kameraden tot im Stützpunkt lagen und dass er mit einem britischen und einem US-Staatsangehörigen in einem Notdienstfahrzeug über die Grenze gefahren sei. Er fügte hinzu, dass die Reisepässe der ausländischen Soldaten unter Androhung ihrer Vernichtung einbehalten worden und dass die Soldaten zurück ins Schlachtfeld geschickt worden seien, weswegen er sich habe verkleiden und falsche Dokumente nutzen müssen, um über die Grenze zu kommen. Sichtlich bestürzt fügte er hinzu: «Die Leute sollen aufhören, hierhin zu kommen. Es ist eine Falle und sie lassen einen nicht gehen».
Die Presse enthüllte schnell, dass Henry Hoefts wahrer Nachname Locke war und dass er und Mike Dunn Aktivisten der militanten rechtsextremen Gruppierung Boogaloo Bois waren. Daraufhin löschte Hoeft/Locke alle seine Profile auf sozialen Medien und tauchte unter, wobei sein Verbleib weiter unbekannt bleibt. Sein Kamerad Mike Dunn blieb in der Ukraine, wo er ein Video aufnahm, in dem er angab, dass sich beide der Georgischen Nationalen Legion angeschlossen hätten und dann wieder ausgetreten seien. Danach sei er erkrankt und habe sich einem anderen militärischen Verband angeschlossen. Er bestritt jedoch, dass die Ukrainer die Reisepässe ausländischer freiwilliger Kämpfer einzogen, und gab an, problemlos in beide Richtungen über die Grenze zu kommen. Die Leiterin und Mitbegründerin der SITE Intelligence Group Rita Katz gab an, dass es sich bei diesen Videos um Desinformation handeln könne und fügte hinzu, dass Hoefts Video von pro-russischen Gruppen in sozialen Medien verbreitet wurde, «um ausländische Kämpfer aus dem Westen zu verhöhnen, die in die Ukraine kommen».
Liste der Nationalen Bataillone ausländischer Freiwilliger
Die vorgenannte Georgische Nationale Legion ist nur einer jener berühmt-berüchtigten Verbände mit US-Staatsangehörigen in seinen Reihen. Es bestehen aber auch weitere solche Einheiten, wobei mindestens die Hälfte von ihnen in die Ukrainische Internationale Legion integriert wurde. Diese sind:
- Die Georgische Nationale Legion, bestehend aus Georgiern und US-Staatsangehörigen
- Das Bataillon Kastus Kalinouski, bestehend aus Belarussen
- Die Polnische Abteilung des Bataillons Revanche, bestehend aus Polen
- Die Kanadisch-Ukrainische Brigade, bestehend aus Angehörigen der ukrainischen Diaspora in Kanada
- Die Normannische Brigade, bestehend aus kanadischen Militärveteranen
- Die Legion Freiheit Russlands, u.a. bestehend aus russischen Überläufern
- Das Bataillon Dschochar Dudajew, bestehend aus Tschetschenen
- Das Bataillon Scheich Mansur, ebenfalls bestehend aus Tschetschenen
- Das Krim-Bataillon, bestehend aus Krimtataren
- Sonstige rechtsextreme Freiwilligenverbände, die nicht näher identifiziert werden können
Die Georgische Nationale Legion
Die Georgische Nationale Legion formierte sich 2014 aus mehrheitlich ethnisch georgischen Freiwilligen, die auf der ukrainischen Seite kämpften. (Georgier betrachten ihre Beteiligung am Krieg als Rache für den russisch-georgischen Krieg von 2008.) 2016 wurde die Georgische Nationale Legion offiziell in das 25. Kiewer-Rus-Panzergrenadierbataillon der ukrainischen Streitkräfte eingegliedert. Der Verband zählt aktuell bis zu 700 Kämpfer, wobei 20 Prozent von ihnen Ausländer sind, die nicht aus Georgien stammen. Die Georgische Nationale Legion hat «eine besondere Affinität zu US-Rekruten». Dem Verband angeschlossen hatte sich auch mindestens ein britischer Staatsangehöriger – der 34-jährige ehemalige Sanitätssoldat Jason Haigh, der später von ukrainischen Soldaten verprügelt wurde.
Auch Henry Hoeft/Locke und Mike Dunn, beides Mitglieder der Boogaloo Bois, hatten sich diesem Verband angeschlossen. Am 24. März versicherte der Kommandeur der Georgischen Nationalen Legion Mamuka Mamulaschwili, er sei bemüht darum, Bewerber so auszuwählen, dass keine Rechtsextremisten aufgenommen werden: «Ich will keine blutrünstigen Typen, die nur kommen wollen, um jemanden zu erschießen […] Wir vermeiden Extremisten – wir wollen sie hier nicht haben».
In Russland wurde ein Strafverfahren gegen Mamulaschwili wegen der Tötung russischer Kriegsgefangener und Verstößen gegen das Kriegsrecht eingeleitet, nachdem auf sozialen Medien ein Video auftauchte, in dem Mitglieder der Georgischen Nationalen Legion mutmaßlich gefangene russische Soldaten töten, die mit gefesselten Händen auf der Straße liegen. Dies hat sich mutmaßlich am 30. März in der Nähe von Kiew ereignet. Diese russischen Soldaten waren während des Rückzugs ihrer Truppen aus dem Gebiet um die ukrainische Hauptstadt in einen Hinterhalt geraten. Mamulaschwili dementierte die Anschuldigungen. Manche russischsprachige Quellen (Konstantin Tasic, Die rechtsradikale Bewegung in Georgien – das Beispiel der Organisation Georgische Kraft, Russisches Institut für strategische Studien, Aus der Region und der Welt, 2018, Nr. 1, verfügbar unter geopolitika.am, zuletzt abgerufen am 9. Mai 2022) behaupten, dass Mamulaschwili von der kleinen georgischen Neonazi-Gruppe Qartuli Dzala (Georgische Kraft) Unterstützung erhalte.
Das Bataillon Kastus Kalinouski
Konstanty (Kastus) Kalinouski war eine der führenden Persönlichkeiten der polnischen, litauischen und belarussischen nationalen Wiedergeburt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Kalinouski wird besonders in Belarus verehrt, wo er als Ikone des belarussischen Nationalismus im Kampf gegen das Russische Kaiserreich gilt.
Das Bataillon Kastus Kalinouski formierte sich im März 2022 aus Mitgliedern der sogenannten taktischen Gruppe «Belarus», Mitgliedern der belarussischen Neonazi-Organisation Weiße Legion, Vertretern der Bewegung Junge Front sowie belarussischen Staatsangehörigen, die nach den Protesten vom Sommer und Herbst 2020 in die Ukraine ausgewandert waren. Gegen Mitte März zählte das Bataillon rund 200 Kämpfer.
In einem offiziellen Video des Bataillons sind die Neonazi-Tätowierungen seiner Mitglieder klar zu erkennen: die Schwarze Sonne auf dem Ellbogen. Der Mann rechts im Bild ist der belarussische Neonazi Denis «Kit». Der Mann mit dem Bart links im Bild ist der bekannte Neonazi Rodion Batulin, ein Lette mit belarussischer Staatsangehörigkeit, der in die Ukraine kam, um sein Gedankengut in die Praxis umzusetzen. Im Sommer 2019 war er durch seine Beteiligung am Übergriff gegen den ehemaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko aufgefallen. Batulin ist gut mit einem weiteren bekannten Neonazi befreundet, der aus Russland stammt aber lange in Belarus gelebt hat: Sergej «Bootsmann» Korotkich.
Bislang sind drei Personen aus dem Bataillon als getötet gemeldet worden. Alle drei hatten Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen und alle drei wurden bei Kampfhandlungen nahe Kiew getötet.
Der 27-jährige Ilija Chrenow (Kampfname: Litwin) wurde am 3. März in der Schlacht um Butscha getötet. Er war 2014 in die Ukraine gekommen, hatte über mehr als ein Jahr in den Reihen des rechtsextremen Regiments Asow gekämpft und im IT-Bereich gearbeitet. Litwin war Mitglied der Weißen Legion und bekennender Neonazi mit eindeutigen rechtsextremen Tätowierungen, unter anderem einem Valknut am linken Arm.
Der 31-jährige Oleksij Skoblija (Kampfname: Tur) wurde am 13. März nahe Kiew getötet. Tur hatte ebenfalls seit 2015 für die Ukraine gekämpft. Er hatte sich der rechtsextremen paramilitärischen Gruppe Rechter Sektor angeschlossen. In den letzten Jahren diente er bei den ukrainischen Spezialkräften auf Vertragsbasis. Seine Angehörigen gaben an, er habe im True Varing Reeneactment Club begonnen, sich für die Geschichte der Wikinger zu interessieren. Er trug auch den unter Neonazis beliebten Hammer des Thor als Anhänger.
Der 32-jährige Dmitrij Apanosowitsch (Kampfname: Terror) wurde am 24. März durch eine Mine nahe Irpen getötet. Es ist nicht mit absoluter Sicherheit zu belegen, ob Terror ein Neonazi war, wie russische Medien behaupten, seine Angehörigen gaben jedoch an, er «ist nach Walhalla gegangen, da er Pagane war».
Die Truppenstärke des Bataillons ist nicht bekannt, wobei auf Ilija Chrenows Beerdigung wurden 100 Menschen gesehen wurden.
Die Polnische Abteilung des Bataillons Revanche
Das (Aufklärungs-)Bataillon Revanche formierte sich zu Beginn der russischen Invasion unter dem Kommando von Serhij Brigadir und besteht aus ukrainischen nationalistischen Freiwilligen aus Kiew und Charkiw, viele von denen, einschließlich ihres Kommandeurs, Mitglieder der Konservativen Partei der Ukraine sind. Eigentlich handelt es sich um eine Fraktion der ehemaligen rechtsextremen Organisation Tradition und Ordnung, die von Anhängern des italienischen Faschismus aus der Gruppe Revanche gegründet wurde.
Laut Aussage eines 20-jährigen polnischen Kämpfers umfasste das Bataillon auch «Nationalisten aus der Tschechischen Republik und Polen», wobei der Kommandeur angeboten habe, eine separate Truppenabteilung für Polen aufzustellen.
Dieser anonyme polnische Freiwillige veröffentlichte antisemitische Texte und Neonazi-Symbole und gab der rechtsextremen polnischen Organisation Socjalna Alternatywa ein Interview.
Die Truppenstärke des Bataillons ist unbekannt, ebenso die Stärke seiner Polnischen Abteilung.
Die Kanadisch-Ukrainische Brigade
Kanada beheimatet eine der größten ukrainischen Communitys im Ausland nach Russland. Vor diesem Hintergrund wurde Anfang März 2022 die Kanadisch-Ukrainische Brigade gegründet, die bereits 550 Mitglieder zählt. Der Verband wird in Kiew stationiert sein. Einem Artikel der kanadischen National Post zufolge hat die Brigade «ihr eigenes Ärmelabzeichen, auf dem ein Ahornblatt und ein Dreizack abgebildet sind», wobei letzteres das nationale Symbol der Ukraine ist.
Kanada untersagt den Angehörigen seiner Streitkräfte eine Beteiligung am Krieg, daher reisen freiwillige Kämpfer individuell an, nachdem sie Geld für die Flugtickets nach Polen per Crowdfunding gesammelt haben. Die ersten Kanadier, die in der Ukraine ankamen, beschwerten sich über die schlechte Organisation vor Ort.
Über eine Beteiligung Rechtsextremer an diesem Verband liegen keine Daten vor.
Die Normannische Brigade
Die Normannische Brigade ist der am geheimsten operierende Verband dieser Art. Sie besteht aus ehemaligen kanadischen Militärangehörigen, wobei ihre Truppenstärke unbekannt ist. Die Normannische Brigade fand Beachtung nach der Berichterstattung über einen Freischärler namens Wali, der in Afghanistan mit dem 22. Regiment der Königlichen Kanadischen Infanterie in Kandahar gedient hatte und dessen wahrer Name unbekannt ist. Als er Anfang März er ein Interview gab, erschienen in russischen sozialen Medien Berichte über seinen Tod im belagerten Mariupol. Daraufhin nahm er Kontakt zur Presse auf. Diese öffentliche Aufmerksamkeit missfiel seinen Kameraden aus der Brigade, die darum bemüht sind, als «unscheinbare Profis» zu agieren.
Über eine Beteiligung Rechtsextremer an diesem Verband liegen keine Daten vor.
Die Legion Freiheit Russlands
Die Legion Freiheit Russlands besteht aus russischen Kriegsgefangenen, die zur ukrainischen Seite übergelaufen sind. Ihre Gründung wurde am 5. April durch drei vermummte Soldaten der Legion bekannt gegeben, die vor die ausländische Presse traten. «Wir Kämpfer der Legion kämpfen nicht gegen russische Soldaten sondern für ein freies Russland. Unser Ziel ist, Putin und sein Regime zu zerstören», sagten die Überläufer auf Video.
Der Verband Russlands Einheit verwendet die weißblauweiße Flagge als Abzeichen, die auch von Kriegsgegnern in Russland als Protestsymbol verwendet wird. In der Legion sollen mindestens 300 Männer dienen.
Über eine Beteiligung Rechtsextremer an diesem Verband liegen keine Daten vor.
Die Bataillone Dschochar Dudajew und Scheich Mansur
Diese bewaffneten Freiwilligenverbände beteiligen sich seit 2014 auf der Seite der Regierungstruppen am bewaffneten Konflikt in der Ukraine und bestehen hauptsächlich aus Tschetschenen, die nach dem Zweiten Tschetschenienkrieg aus Russland ausgewandert sind. Die meisten von ihnen sind ukrainische Staatsangehörige, daher gelten sie formell nicht als Verbände von ausländischen freiwilligen Kämpfern. Da aus der tschetschenischen Diaspora in Europa Rufe laut wurden, gegen Russland zu kämpfen, sollten diese Verbände nicht unerwähnt bleiben, es ist jedoch unbekannt, wie viele bzw. ob überhaupt Tschetschenen aus Europa nach dem Ausbruch des Konflikts in die Ukraine gezogen sind.
Bemerkt sei, dass im Ersten Tschetschenienkrieg rechtsextreme ukrainische Kämpfer gegen die Truppen der Russischen Föderation gekämpft hatten. Der bekannteste von ihnen war Saschko Bilyj, der 2014 getötet wurde.
Das Bataillon Dschochar Dudajew steht unter dem Kommando von Adam Osmajev, während der Kommandeur des Bataillons Scheich Mansur Muslim Cheberloewski heißt. Die Truppenstärke dieser Verbände ist unbekannt.
Über eine Beteiligung Rechtsextremer in diesen Verbänden liegen keine Daten vor, eine Präsenz radikaler Islamisten kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Das Krim-Bataillon
Dieser islamische Verband formierte sich 2014 und bestand ursprünglich aus acht Krimtataren. Er wurde von Isa Akajew angeführt, der unmittelbar nach den Ereignissen von 2014 die Krim Richtung ukrainisches Kernland verließ. Berichten zufolge war auch Iwan Selentsow (auch bekannt als Walid Abu Yusuf), gebürtig aus der Oblast Cherson und Mitglied der in Deutschland verbotenen salafistischen Bewegung Wahre Religion, an der Gründung des Bataillons beteiligt. In seinen Verlautbarungen verwendete Akajew die typische Rhetorik radikaler Islamisten. Bezeichnend für die radikalen Ansichten Akajews ist, dass er sich positiv über das Terrornetzwerk Al-Qaeda, Osama bin Laden und die tschetschenischen Terroristen Schamil Basajew und Mowsar Barajew äußerte.
Später wurde das Krim-Bataillon dem Freiwilligenbataillon Dnepr-1 unterstellt, das vom damaligen ukrainischen Innenminister Arsen Awakow ins Leben gerufen wurde. Zwischen 2014 und 2015 beteiligte sich das Bataillon an Kampfhandlungen im Donbass und träumte, so Akajew, davon, «in die Krim überzusetzen». 2015 legte das Krim-Bataillon offiziell die Waffen nieder und verließ auf Befehl des ukrainischen Generalstabs das Kampfgebiet.
Am 28. Februar 2022 meldete sich der Kommandeur des Krim-Bataillons Isa Akajew im Internet mit einem Aufruf «an alle Muslime Russlands». Vor fünf bewaffneten Kämpfern im Hintergrund rief Akajew in einem Video die Muslime in Russland auf, von der russischen Armee zu desertieren und drohte damit, murtads [Muslime, die auf der Seite Russlands kämpfen] «mit allen durch die Scharia erlaubten Mitteln» zu töten.
Die Truppenstärke des Bataillons und, ob es sich an Kampfhandlungen beteiligt, ist nicht bekannt. Berichten zufolge hat das Bataillon nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Region Kiew das Dorf Motyzhyn eingenommen.
Über eine Beteiligung Rechtsextremer an diesem Verband liegen keine Daten vor, eine Präsenz radikaler Islamisten kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Sonstige rechtsextreme Freiwilligenverbände
Elisabeth Gosselin-Malo schreibt für das italienische Institut für internationale politische Studien (ISPI):
«Was diesmal anscheinend anders ist, ist, dass die ukrainischen Streitkräfte scheinbar darum bemüht sind, die ausländische Legion direkter als zuvor unter ihr Kommando zu bekommen, was letztendlich eine direkte Rekrutierung durch rechtsextreme Bataillone behindern könnte. Da sich die Ukraine in einem aktiven Konflikt befindet und die Grenzübergänge in andere Länder als chaotisch beschrieben wurden, erscheint unwahrscheinlich, dass die Regierung über die Kapazitäten verfügt, den Überblick über alle zu behalten, die einreisen.»
In diesem Zusammenhang könnten nichtstaatliche Kampfverbände aus um lokale Anführer gewachsenen Neonazi-Gruppen in Erscheinung treten. Eines der wichtigsten Glieder in der Neonazi-Kette ist der gebürtige Russe Denis «White Rex» Kapustin (auch bekannt als Denis Nikitin), der, seitdem ihm die Einreise in die EU verwehrt wurde, in der Ukraine gestrandet ist und in seinem Herkunftsland strafrechtlich verfolgt wird. Er hat Kontakt zu rechtsextremen Aktivisten weltweit aufgenommen und bittet auf seinem Telegram-Kanal um Hilfe in fünf Sprachen. Am 5. März veröffentlichte Kapustin einen Aufruf, in die Ukraine zu kommen, um «Rote» und «Neobolschewiken» zu bekämpfen.
«Putin ist gegen Nationalismus. Wenn du dich als weißen Nationalisten betrachtest, dann ist der Krieg in der Ukraine deine einmalige Chance. Es gibt keine anderen Länder auf der Welt, in denen du zu den Waffen greifen und mit deinen Kameraden für deine Werte und Ideen kämpfen kannst. Aus diesem Grund habe ich, Denis Nikitin, mich für den Widerstand entschieden», erklärte er in einem Video vom 1. April.
Mikhel aus Polen war einer der ersten Fremdenlegionäre, die Kapustins Aufruf folgten. In einem Video-Interview zeigte er seinen Aufnäher mit dem Abzeichen der polnischen Phalanx. Er sagte, er habe militärische Erfahrung, dass seine Reise nach Kiew fünf Tage gedauert habe und dass er eine Flagge des rechtsextremen Nationalradikalen Lagers mitgebracht habe. Als Kapustin ihn fragte, warum er in die Ukraine gekommen sei, antwortete Mikhel: «Weil ich Nationalist bin. Ich möchte meinen Brüdern in diesem Krieg helfen».
Ein weiterer wichtiger Anziehungspunkt für die Neonazi-Community in der Ukraine ist Sergej «Bootsmann» Korotkich, ein ehemaliger russischer Staatsangehöriger, der in seinem Herkunftsland wegen einer Mordserie gesucht wird und den Verband Boatsman Boys gegründet hat. Über diesen Verband ist wenig bekannt, zu ihn zählen aber mit Sicherheit die berüchtigtsten Neonazis. Korotkich zufolge hat der Verband an den Kämpfen südlich der Region Tschernihiw teilgenommen und nach dem Rückzug der russischen Truppen auch das Dorf Butscha nahe Kiew eingenommen, woraufhin über Massenmorde an Zivilisten durch russische Truppen berichtet wurde.
Außerdem behauptete die ukrainische Sektion des Neonazi-Netzwerks Blood and Honour, dass sie über eine eigene Kampftruppe innerhalb der ukrainischen Streitkräfte verfüge, wobei es unmöglich ist, diese Angabe zu überprüfen. Die ukrainische Sektion von Blood and Honour ist eine sehr kleine Gruppe, die im Wettbewerb mit größeren Neonazi-Organisationen steht.
Gegen Ende März erklärte Avtonom NS, eine Gruppe autonomer nationaler Sozialisten, ihre Rückkehr zum bewaffneten Kampf gegen den «neobolschewistischen Abschaum, der in das Gebiet unseres Staates einmarschiert ist.»
«Unser Hauptziel ist, das traditionelle Fundament der ursprünglichen europäischen Ethnie im Geiste des Nationalsozialismus neu zu erschaffen. Grundelement einer solchen Erziehung ist die Aufklärung, Propaganda zur Entwicklung und Selbstverbesserung, der Kult des Kampfes zum Erhalt der Reinheit der weißen Rasse, ihrer Zukunft und der Zukunft unserer Kinder», gab die Gruppe auf ihrem Telegram-Kanal an.
Die bekannte Neonazi-Gruppe Misanthropische Division (MD) hat sich ebenfalls neu formiert. Nach der russischen Invasion von Februar 2022 begann sie, auf ihrem bis dann fast inaktiven Telegram-Kanal Bilder mit typisch rechtsextremen Inhalten zu posten. Es ist nicht bekannt, ob die Gruppe einen separaten Kampfverband unterhält, und, falls ja, aus wie vielen Kämpfern dieser besteht, die geposteten Fotos vermitteln jedoch den Eindruck, dass MD heute aus nicht mehr als zehn Personen in verschiedenen Einheiten des Regiments Asow, wie der rechtsextremen Gruppierung Avangard Kulturna Spilka, besteht. Anfang März wurde berichtet, dass Nikita «Dobrynia» Jeliseew von der MD in Mariupol getötet worden sei.
Der russische Verband ausländischer Freiwilliger
Am 11. März erklärte Wladimir Putin, dass ausländische Freiwillige, die den Bewohnern des Donbass helfen wollten, in die russischen Streitkräfte aufgenommen werden sollten. Er erinnerte daran, dass die westlichen Länder die Entsendung von Kämpfern in die Ukraine aktiv ermuntern würden. Verteidigungsminister Sergei Schoigu erklärte seinerseits, dass mehr als 16.000 Anträge freiwilliger Kämpfer allein aus dem Nahen Osten bei der zuständigen Abteilung eingegangen seien.
Veteranen der syrischen Armee, Kämpfer christlicher syrischer Milizen und ehemalige Oppositionskämpfer haben ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, gegen die «Nazis in der Ukraine» zu kämpfen und tragen sich in zentralen Rekrutierungsstellen für Freiwillige ein.
Einer der Freiwilligen wird mit folgender Aussage zitiert:
«Ich habe gehört, was der russische Präsident Wladimir Putin gesagt hat. Er sagte, wenn Russland die USA nicht in der Ukraine aufhält, werden sie russischen Boden erreichen und [dieses] großartige Land zerstören. Dies darf nicht passieren. Ihr habt Syrien vor den USA und ihren Alliierten gerettet. Jetzt sind wir bereit, für euch gegen deren Hunde zu kämpfen.»
Serbische Nationalisten brachten ebenfalls ihren Wunsch zum Ausdruck, auf der Seite Russlands zu kämpfen. Es wird gemutmaßt, dass sich einige bereits im Donbass befinden. Anfang April erschienen Berichte über den Tod von Stefan Dimitrijevic, eines serbischen Nationalisten, der bereits 2014 im Donbass gewesen war, um für die pro-russische Volksrepublik Lugansk zu kämpfen. Damals kämpfte er im rechtsextremen Verband Unité Continentale, der Teil der Brigade Prizrak war. Es gibt auch einen Telegram-Kanal namens «Serbische Dissidenten», welcher der Söldner-Community nahe steht und auf dem rechtsextreme Memes gepostet wurden – es ist aber nicht bekannt, ob es sich tatsächlich um einen serbischen Kanal oder eine postmoderne Parodie handelt.
Über die Größe des Freiwilligenkorps, seinen Namen und seine Beteiligung an Kampfhandlungen herrscht bislang absolutes Schweigen. Über eine Beteiligung von Rechtsextremen an diesem Verband liegen ebenfalls keine Daten vor. Anscheinend hat Russland bewusst die Beteiligung rechtsextremer Verbänden an Kampfhandlungen beschränkt, um die angegebene Rechtfertigung einer «Entnazifizierung» der Ukraine nicht zu unterminieren.
Am 31. März 2022 wurde berichtet, dass der 46-jähriger Italiener Edy «Bozambo» Ongaro gestorben sei. Er hatte seit 2015 auf der Seite der Volksrepublik Donezk in den Reihen der Brigade Prizrak gekämpft, bemerkt sei jedoch, dass er ein linker Aktivist war. Seine Genossen schrieben, er sei ein «internationalistischer antifaschistischer Partisan gewesen, der vor allem für das Ende von Ausbeutung kämpfte».
Hintergrund
Der Krieg im Donbass
Um besser zu verstehen, warum Rechtsextreme zum Kampf in die Ukraine ziehen, werden wir uns im Folgenden mit der Geschichte des Konflikts befassen, der 2014 ausgebrochen ist.
Im Februar 2014 ereignete sich in der Ukraine die Revolution der Würde, die auch als Euromaidan bekannt ist. Präsident Wiktor Janukowytsch hatte beschlossen, ein politisches Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen und sich stattdessen für engere Beziehungen zu Russland und der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft entschieden. Eine Welle friedlicher, wirtschaftlich motivierter Proteste wuchs dann zum vollen bewaffneten Straßenkampf an, in dem ukrainische rechtsextreme Gruppen wie die Partei Swoboda und die Miliz Rechter Sektor am organisiertesten und gewaltbereitesten, und daher auch am sichtbarsten, waren. Diese Gruppen standen für den radikalsten Teil der Bewegung, die es so schaffte, mehr Menschen zu mobilisieren. Die Proteste führten dazu, dass der pro-russische Präsident Wiktor Janukowytsch aus dem Land floh und das Parlament eine Übergangsregierung einsetzte.
Als Reaktion darauf annektierte Russland die Krim-Halbinsel und versuchte, separatistische Ressentiments im Osten der Ukraine zu hegen, einem Landesteil, in dem die große Bevölkerungsmehrheit russischsprachig ist, und wo Separatisten die Volksrepubliken Donezk und Lugansk ausriefen. Die Ukraine startete dann eine militärische Gegenoffensive. Am 6. April brach ein Krieg im Donbass aus, dessen Weiterführung wir heute erleben. In den Reihen beider Konfliktparteien sind seitdem auch ausländische Kämpfer aktiv.
Der Krieg im Donbass zog die größte Anzahl ausländischer Kämpfer im Vergleich zu jedem anderen Konflikt im postsowjetischen Raum an. Es wird geschätzt, dass seit 2014 insgesamt mehr als 17.000 Personen aus 55 Ländern für beide Seiten gekämpft haben. Ohne die 15.000 russischen Freiwillige zu berücksichtigen, gehen die Experten der Soufan Group von 879 Ausländern auf der Seite der Ukraine und 1.372 auf der Seite der pro-russischen Kräfte im Donbass aus. Die meisten Freiwilligen kamen aus Belarus (800 Personen), Deutschland (165), Georgien (150), Serbien (106), Moldau (85), Frankreich (65), Kroatien (65), Italien (55) und Österreich (50).
Asow, der rechtsextreme Hub
Hauptanziehungspunkte für militante Rechtsextreme waren unter anderem verschiedene ukrainische Freiwilligen-Bataillone, die offen rechtsextremes Gedankengut propagierten, wie das Regiment Asow, der Rechte Sektor und die Organisation Ukrainischer Nationalisten. Innerhalb der ukrainischen Streitkräfte formierte sich ein rechtsextremes Netzwerk. Als der Konflikt deeskalierte, wurden diese Bataillone, in manchen Fällen unter Druck, in die regulären Streitkräfte eingegliedert. Auf diesem Weg erlangte die extreme Rechte die Kontrolle über die Sicherheitskräfte des Landes bzw. stellte ihre starke Präsenz innerhalb derselben sicher: der ukrainischen Armee und der verschiedenen Polizeibehörden einschließlich der Stadtpolizei und der Nationalgarde, zu der u.a. das Regiment Asow gehört.
Die Asow-Bewegung formierte sich um die Partei Nationalkorps, die von Asow-Veteranen gegründet wurde. Mit der Zeit entpolitisierte sich das Regiment Asow zunehmend. Seine Rolle ist für viele Rechte eher eine symbolische, obwohl natürlich weiterhin Kontakte zwischen der extremen Rechten und dem Regiment bestehen. Seit 2014 hat seine Radikalität jedoch signifikant abgenommen.
Die Asow-Bewegung ist dennoch weiterhin ein zentraler Akteur in der ukrainischen rechtsextremen Community und wird von Rechtsextremen aus der ganzen Welt verehrt. Der russische Präsident Wladimir Putin nutzte das Bestehen solcher Verbände innerhalb der ukrainischen Streitkräfte als Casus Belli, als einen der Gründe für seine sogenannte «militärische Spezialoperation […] zur Demilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine».
Die Asow-Bewegung entwickelte ausgeklügelte Rekrutierungstaktiken innerhalb und außerhalb der Ukraine und unterhält «Jugendzeltlager, Freizeitanlagen und Indoktrinierungsprogramme». Seit 2015 rekrutiert die Asow-Bewegung systematisch rechte Extremisten, um ihre eigene internationale Agenda zu fördern. Die internationale Sekretärin des Nationalkorps Olena Semenjaka bezeichnete dieses Ziel als eine «globale konservative Revolution» oder «Reconquista» zum «Schutz der weißen Rasse». Semenjaka sagte Bellingcat, die Bewegung suche nach «allen potentiellen Sympathisanten» und potentiellen «Lobbyisten» in der Hoffnung «Kontakte zum [US-]amerikanischen Militär herzustellen».
Am 1. März 2022 zählte das Regiment Asow schätzungsweise 900 Kämpfer, einschließlich ukrainischen und ausländischen Kämpfern aus Europa und den USA. US-Staatsangehörige, darunter auch Mitglieder der Neonazi-Gruppe Atomwaffen Division, haben sich verschiedenen Verbänden unter dem Dach der Asow-Bewegung angeschlossen, als sie die Möglichkeit der Beschleunigung des Zusammenbruchs der Gesellschaft und der Schaffung eines rein weißen Ethnostaats zu sehen glaubten.
Im Oktober 2019 verlangten die Demokraten im US-amerikanischen Repräsentantenhaus nach dem Terroranschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch, das Regiment Asow als Terrororganisation einzustufen. Es wurde belegt, dass der Massenmörder Brenton Tarrant Kontakt zur Asow-Bewegung hatte.
Russische rechtsextreme Verbände im Donbass während des Kriegs von 2014
Es kann nur betont werden, dass militante Rechtsextreme auch auf der Seite der Volksrepubliken Donezk und Lugansk gekämpft haben, die Zusammensetzung ihrer Verbände und ihre Motivation ist jedoch weit weniger erforscht worden. Eine Person, die durch das Counter Extremism Project (CEP) befragt wurde, brachte es auf brillante Weise auf den Punkt:
«Dies ist ein Stammeskrieg (tribal war), kein Krieg einer Nation gegen eine andere. Du hast Nationalisten auf beiden Seiten, weil ihre Ideologie weniger wichtig ist, als die Seite und die Symbole, mit denen sie sich identifizieren. [...] Es ist ein postmoderner Krieg und die Trennlinie zwischen den Seiten ist oberflächlich, da die Menschen heute mit oberflächlichen Zugehörigkeitsgefühlen aufwachsen.»
Die Miliz Noworossija
Der Krieg in der Ukraine brach aus, nachdem Igor Strelkow, ein russischer Militäroffizier und ehemaliger FSB-Agent, in der Nacht vom 11. auf den 12. April 2014 mit 52 Kämpfern nahe der Oblast Donezk die ukrainische Grenze überschritt, Verwaltungsgebäude der Stadt Slowjansk in der Oblast Donezk besetzte, und erklärte, dass sich die Stadt von nun an unter der Autorität der Volksrepublik Donezk befinden würde. Am 13. April kündigten die ukrainischen Behörden den Beginn einer «Antiterror-Operation» in Slowjansk an. Am 26. April wurde Strelkow Anführer der Volksmiliz des Donbass.
Strelkows nächste Mitstreiter waren Menschen, die seine nationalistisch-monarchistisch-konservativen Ansichten teilten, ebenso wie die Ideologie der Weißen Bewegung. Strelkow versuchte, eine Armee auf der Grundlage der Traditionen der Kaiserlich Russischen Armee und «christlicher Werte» zu schaffen. Am 14. August 2014 trat er von seinem Amt als Verteidigungsminister der Volksrepublik Donezk zurück. Später sagte er Journalisten, er sei zurückgetreten, weil sein «Verbleib als unzweckmäßig beurteilt wurde» und sein einvernehmlicher Rücktritt «durch eine gewisse Erpressung und direkten Druck – [die Androhung, das kontrollierte Gebiet von] Hilfslieferungen aus russischem Territorium abzuschneiden –» erreicht wurde.
Strelkow gab an, dass ohne seine Beteiligung die pro-russischen Rebellen im Donbass keine aktiven Schritte unternommen hätten und die Protestbewegungen unterdrückt worden wären: «Am Ende zog ich den Abzug und löste den Krieg aus. Wäre unser Verband nicht über die Grenze gekommen, wäre es wie in Charkiw, wie in Odessa geendet. Es hätte ein paar Dutzend Getötete, Verbrannte, Verhaftete gegeben. Und das wäre das Ende des Ganzen.»
Seit 2014 ist er Anführer der Noworossija-Bewegung, die dem Militär der Volksrepublik Donezk humanitäre Hilfe, Munition und Uniformen sendet und Opfer von Aktionen der ukrainischen Behörden unterstützt. Bis 2016 war er Anhänger von Wladimir Putin.
Strelkow nimmt nicht am Krieg von 2022 teil. In seinem Telegram-Kanal wirft er Putin vor, seine Operation habe versagt.
Die Truppe Rusitsch
Die meisten russischen Rechtsextremen schlossen sich der pro-russischen und offen neonazistischen Aufklärungstruppe Rusitsch unter dem Kommando von Alexej «der Serbe» Miltschakow, selber ein ausgewiesener Neonazi, an. Sein Stellvertreter, Jan «der Große Slawe» Petrowski, ein weiterer russischer Neonazi, reiste von Norwegen an. Er wurde dadurch bekannt, dass es sich an der Folterung von Kriegsgefangenen beteiligt sowie auch einen Welpen enthauptet und gegessen hat. Petrowski wurde als «Gefahr für die nationale Sicherheit» zurück nach Norwegen ausgewiesen.
Ein weiteres bekanntes Mitglied von Rusitsch ist der bekennende Neonazi und gebürtige Donezker Jewgeni «Topaz» Rasskazow. Nach 2014 wurde er Söldner bei der Gruppe Wagner. Dann startete er einen Telegram-Kanal, auf dem er rechtsextreme Propaganda postete und die Söldnerkultur bewarb. Nachdem Russland 2022 in die Ukraine einmarschierte, schloss sich Topaz Rusitsch an und gab Jewgeni Dolganow, dem Sänger der Neonazi-Band Russkiy Styag, ein Interview, in dem über sich sagte: «Ich bin ein guter Ehemann, hoffentlich werde ich in Zukunft auch ein toller Vater sein, und ich bin gekommen, um Ukrainer zu töten.»
Rusitsch unterhält zwei Kampftruppen. Die Truppe entschied sich für die slawische Kolowrat-Swastika als Abzeichen.
2014 beteiligte sich Rusitsch an den Kampfoperationen an den Flughäfen von Donezk und Lugansk und nahm an Stellungskämpfen nahe der Siedlungen Belokamenka und Nowolaspa in der Oblast Donezk teil. Eine der bekanntesten Aktionen von Rusitsch ist die Vernichtung des rechtsextremen ukrainischen Bataillons Aidar am 5. September 2014 in der Nähe des Dorfes Metalist in der Oblast Lugansk.
Rusitsch beteiligt sich am aktuellen Krieg seit seinem Ausbruch. Ein gleichgesinnter Telegram-Kanal veröffentlichte einen Post mit Fotos der Kämpfer der Truppe. Im Post wurde angegeben, dass der Truppführer, sehr wahrscheinlich Miltschakow selbst, verwundet worden sei und eine teure Behandlung benötige. Auf den Fotos ist auch das neonazistische Valknut-Symbol zu sehen.
Die Kaiserliche Legion
Eine weitere berüchtigte pro-russische rechtsextreme Gruppe ist die Kaiserliche Legion, der militärische Arm der Russischen Kaiserlichen Bewegung. Die Kaiserliche Legion hat Freiwillige ausgebildet und in den Donbass geschickt. Nach dem ersten Konflikt stellte sie Kontakt zur Nordischen Widerstandsbewegung her und bot ausländischen Kämpfern Ausbildung, die später in den skandinavischen Ländern Bombenattentate planten. 2020 stufte das US-amerikanische State Department die Kaiserliche Legion als globale terroristische Organisation ein.
Obwohl sich die Kaiserliche Legion formell zur Opposition gegen Wladimir Putins Regime zählt, nimmt ihr militärischer Flügel auf der Seite Russlands am Krieg teil.
Die Gruppe Wagner
Einige rechtsextreme Kämpfer haben sich der russischen Gruppe Wagner angeschlossen. Das Unternehmen ist auch als Wagner PMC bekannt; es gehört Jewgeni Prigoschin, einem der engsten Partner Putins und hat Geheimoperationen in ganz Afrika und dem Nahen Osten ausgeführt. Der Verband beteiligt sich am aktuellen Krieg, Details bleiben jedoch unter Verschluss.
Das Bataillon Jovan Ševic
Das aus serbischen Tschetniks bestehende Bataillon Jovan Šević wurde nach dem serbischen Husarenkommandeur Jowan (Iwan) Šević benannt, der 1751 die russische Staatsangehörigkeit angenommen und die autonome Region Slawenoserbien gegründet hatte, die sich teils auf dem Gebiet des Donbass befand. Im März 2014 reiste eine von Bratislav Živković angeführte Gruppe aus fünf serbischen Tschetniks in die Krim, wo sie während des Referendums über den zukünftigen Status der Halbinsel Sicherheitsaufgaben wahrnahm. Die Gruppe nannte sich Regiment Prinz Lasar. Am 17. Juli 2014 war das Bataillon Jovan Šević auf 35 Freiwillige gewachsen.
Es ist nicht bekannt, ob dieser Verband am aktuellen Krieg beteiligt ist.
Terek Wolf Sotnia
Die Sabotage- und Aufklärungstruppe Terek Wolf Sotnia formierte sich zwischen März und Juli 2014 hauptsächlich in den Gebieten der Krim und des Donbass unter dem Kommando des Ultranationalisten Alexander «Babay» Mozhaev. Nach eigenen Angaben ist er zum Kampf in die Ukraine gezogen, weil er in Russland wegen versuchten Mordes polizeilich gesucht werde. Da er kein Geld hatte, um einen Richter zu bestechen, sei er Söldner geworden. Mozhaev dementiert, im russischen Militärnachrichtendienst GRU gedient zu haben. Er habe in den russischen Streitkräften gedient, sei aber seit Mitte der 1990er Jahr im Ruhestand. Seitdem sei er Mitglied von Terek Wolf Sotnia.
Es ist nicht bekannt, ob dieser Verband am aktuellen Krieg beteiligt ist.
Kosakenverbände
Kosaken sind Mitglieder der gleichnamigen russischen ethnischen Minderheit und militärischen Klasse, welche traditionell die Grenzen Russlands bewacht. 2014 nahmen Kosaken in den Reihen der Allmächtigen Donarmee und der Kosakischen Nationalgarde an Kampfhandlungen im Donbass teil. Das Gebiet der heutigen Volksrepubliken Donezk und Lugansk war historisch Teil des Gebiets der Donarmee, daher betrachten sich viele Donkosaken als von den Ereignissen in der Region betroffen und vertreten üblicherweise ultranationalistische Ansichten.
Kosaken nehmen am aktuellen Krieg teil, ihre Rolle beschränkt sich aber auf die Wahrnehmung von Polizeiaufgaben in den abtrünnigen Volksrepubliken.
Ein psychologisches Portrait ausländischer freiwilliger Kämpfer
Ausländische Kämpfer auf Seiten beider Konfliktparteien weisen auffallende Ähnlichkeiten auf: sie sind jung, männlich, politisch motiviert und verfügen über Erfahrung im Dienst bewaffneter Sicherheitskräfte. Ihre Motivation für Ire Beteiligung an Kampfhandlungen ist jedoch sehr unterschiedlich, wie Sara Meger von der Universität Melbourne in ihrer Studie über den Krieg von 2014 im Donbass zeigt.
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2020 von Egle E. Murauskaite, Senior Researcher am Institut für politische Analyse in Vilnius, kommt zu vier Grundtypen ausländischer Kämpfer, die aus westlichen Ländern zum Kampf in die Ukraine ziehen:
- «Erfahrene Veteranen», die anreisen, um «alte Rechnungen mit der Ukraine oder mit Russland» zu begleichen, die am häufigsten vertretene Kategorie
- «Desillusionierte Ideologen», die «von den Umständen in der westlichen Welt allgemein» enttäuscht sind
- «Bewaffnete Oppositionsanhänger», am häufigsten vertreten unter belarussischen und russischen Staatsangehörigen, die «ihre politische Opposition gegen Putin […] in bewaffneten Kampf wandeln»
- «Kriegsnarren», die den «Kampf an sich» suchen.
Ein Bericht von Kacper Rekawek vom Counter Extremism Project (CEP) aus dem Jahr 2020 wertete Interviews mit 18 ausländischen Kämpfern aus sieben Ländern (Brasilien, Frankreich, Georgien, dem Vereinigten Königreich, Italien, Schweden und Spanien) aus, die sich auf beiden Seiten am Krieg in der Ukraine beteiligten. Dieser Bericht macht drei Typen ausländischer Kämpfer aus:
- «Neuanfänger», die «eine neue Karriere in einem neuen Land beginnen wollen» und auf der Seite der Ukraine oder der sogenannten Volksrepubliken kämpfen
- «Geisterkämpfer», die zwischen ihrem jeweiligen Herkunftsland und der Front in der Ukraine pendeln, wobei sie die Zeit in ihren Herkunftsländern zur Erholung und zum Fundraising nutzen
- «Abenteurer», die als unermüdliche «Kriegsjunkies» gelten und offen für eine Beteiligung an zukünftigen Kriegen sind.
Die letzten beiden Typen stellen laut Rekawek auch die größte Gefahr dar, gerade weil sie bereit und fähig sind, sich an weiteren Konflikten zu beteiligen.
Die Interviewten betrachten den Krieg in der Ukraine als Ausdruck eines globalen Konflikts zwischen Westen und Osten, Vereinigten Staaten und Russland, Europa und Asien, an dem ein Kämpfer nicht unbeteiligt bleiben kann. Rekawek führt Beispiele typischer Antworten pro-russischer Freiwilliger an, welche die Diversität der ideologischen Motivation für ihre Beteiligung am Krieg wiederspiegeln:
- «Gehen wir davon aus, dass ich einen Regimewechsel im Westen will», und, da «Russland der erklärte Feind dieser Regimes ist, ist es eine logische Entscheidung, für Russland Partei zu ergreifen».
- «Ich verteidige die Menschen Russlands und ihr Recht, so zu leben, wie sie es wollen. Ich bin Nationalist.»
- «Es ist die faschistische ukrainische Aggression mit Unterstützung der USA, der NATO und ihresgleichen gegen die Einwohner von Donezk, Lugansk, Neurussland etc. Ich tue es aus Solidarität.»
Typische Antworten pro-ukrainischer Kämpfer sind folgende:
- «Wir sind um den Schutz unseres europäischen Erbes besorgt und wir sind stolz darauf, hier als Vertreter unserer Länder Russland zu bekämpfen.»
- «Ich bin Nationalist und dies ist ein nationalistischer Aufstand gegen korrupte Oligarchen.»
- «Es ist die russische Aggression gegen die Ukraine, mein Land ist als nächstes dran. Ich tue das hier aus Solidarität.»
Bemerkt sei, dass der Autor humanitäre (Hilfe für die «schwächere Seite»), geopolitische und ideologische Motivationen für die Beteiligung am Krieg auf die letzte Stelle der Wichtigkeit setzt. Für diese Menschen geht es um etwas Größeres als um den globalen Kampf.
Rekawek schließt den CEP-Bericht mit folgenden Worten ab:
«Es wurde gezeigt, dass diese Kämpfer nicht auf unerklärliche Weise mit den ersten Schüssen des Krieges aufgetaucht sind. Sie waren bereits vor dem Ausbruch des Konflikts aktiv an radikalen Szenen beteiligt. Für sie war die Ukraine eine Bühne, auf der sie agieren bzw. ihre soziopolitischen oder geopolitischen Überzeugungen projizieren konnten, diese hatten sich jedoch schon lange vor ihrer Reise nach Kiew oder Donezk und Lugansk verfestigt. In Kürze ist das Problem nicht (nur) die Ukraine. Es handelt sich um ein Problem innerhalb der westlichen, in erster Linie der europäischen und US-amerikanischen Gesellschaft, in denen sich viele junge Menschen als Binnenvertriebene empfinden und zutiefst über die aktuellen soziopolitischen Umstände in ihren Herkunftsländern aufgebracht sind.»
Schlussfolgerung: Der Krieg als Haupttrophäe
Obwohl während diese Zeilen geschrieben werden, eineinhalb Monate seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine vergangen sind, ist es noch zu früh, um sagen zu können, wie viele freiwillige Kämpfer sich am Krieg beteiligen und wie viele von ihnen rechtsextrem sind. Es zeichnen sich jedoch bereits einige beunruhigende Muster ab. Der SITE Intelligence Group zufolge bringen viele rechtsextreme Gruppierungen aus den USA und Europa ihre Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck, spenden für die Asow-Bewegung und suchen nach Wegen, sich dem Krieg gegen die Russen anzuschließen, die sie «Orks», «roten Abschaum» oder «Neobolschewiken» nennen.
Es besteht ein breites Spektrum bekennender Neonazi-Gruppierungen wie u.a. die Atomwaffen Division, die Boogaloo Bois, die Neue Stärke Partei, die Thule Society, der Jungeuropa Verlag, Det fria Sverige, Europa Terra Nostra und Blood and Honour, die ihre große politische Begeisterung über den Konflikt zum Ausdruck gebracht haben und ihn für ihre Zwecke zu benutzen gedenken. (Bemerkt sei, dass nicht alle rechtsextremen Gruppen eine eindeutige Position eingenommen haben. The Base aus den USA und die Nordische Widerstandsbewegung in Europa haben zum Beispiel ihre Aktivisten aufgerufen, keine Partei zu ergreifen.) Sehr besorgniserregend sind akzelerationistische Gruppen, für die eine Erhöhung der Entropie auf der Welt die Zerstörung der alten globalistischen Ordnung einleitet und die Schaffung weißer Ethnostaaten ankündigt.
Die Vielfalt von Psychotypen sowie die unterschiedlichen ideologischen Gründe für eine Beteiligung am Krieg verbergen etwas Schreckliches: das Bedürfnis nach Gewalt und deren Export aus dem Konfliktgebiet. Aus diesem Grund gibt Rekawek vom CEP an, dass der primäre Grund für eine Beteiligung «die Perspektive der Bildung dessen ist, das Neonazi-Theoretiker Jean Thiriart ‹Europäische Brigaden› nannte, d.h. von Verbänden europäischer Patrioten, die aus einem Konfliktgebiet in einem nahe gelegenen Land zurückkehren werden, um einen nationalistischen Krieg in Europa entfachen».
Die Soufan Group geht in ihrer Studie näher darauf ein:
«Wie Afghanistan in den 1980er Jahren […] dschihadistischen Organisation als Rückzugsort diente, so werden Teile der Ukraine zum sicheren Hafen für extremistische Gruppen, die eine weiße Überlegenheit propagieren und dort zusammenkommen, sich ausbilden lassen und sich radikalisieren. Und genau wie bei dschihadistischen Gruppen besteht das Ziel vieler Mitglieder darin, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren (oder in Drittländer zu reisen), um dort das Chaos zu verbreiten und Gewalttaten als Mittel für die Rekrutierung neuer Mitglieder für ihre Sache zu benutzen. Im Gegensatz zu Dschihadisten, die darauf abzielen, westliche Ziele anzugreifen, haben radikalisierte Anhänger der weißen Überlegenheit jedoch den Vorteil, dass sie im Westen unauffällig am Leben anknüpfen können, wie es auch Brenton Tarrant gelang.»
In anderen Worten stellen rechtsextreme Freiwillige, die aus der Ukraine zurückkehren, eine Bedrohung für ihre eigene Gesellschaft und ihren eigenen Staat dar. In 2021 waren die USA über die Geschichte des Armeeveteranen und Neonazis Craig Land schockiert, der in den Reihen des berüchtigten Regiments Asow in der Ukraine gekämpft hatte. Er wurde wegen zahlreicher Kriegsverbrechen und Folter gegen Bürger des Donbass sowie wegen des Mordes an einem Paar aus Florida beschuldigt. Sein Verband bestand aus ausländischen Neonazis und wurde aufgelöst, wobei seine Mitglieder ausgewiesen wurden. Er musste jedoch in der Ukraine bleiben, da ihm ein örtliches Gericht die Ausreise untersagte.
Sicherheitsbehörden sind sich dieses Phänomens sehr bewusst und überwachen die Aktivitäten freiwilliger Soldaten im Ausland. Der Koordinator für Terrorismusbekämpfung des US-amerikanischen State Department Nathan Sales gab an, dass die US-Behörden die Bedrohung durch Rechtsextreme, die in der Ost-Ukraine kämpfen, genau im Blick haben. Dem deutschen Bundesinnenministerium zufolge sind bislang lediglich 27 militante Rechtsextreme ausgereist, um in der Ukraine zu kämpfen. «Meine größte Sorge ist, dass diese Extremisten Kampfausbildung mit Waffen und Explosiva erhalten und wegen ihrer Kriegserfahrung eine sehr niedrige Hemmschwelle für die Verwendung von Waffen und tödlicher Gewalt haben», sagte der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen Stephan J. Kramer.
Egle E. Murauskaite teilt diese Sorge in ihrer Studie: «Die größte Sorge ist, dass die kamperfahrenen Kämpfer radikalisiert durch die Kampferfahrung und die Ideen, für die sie gekämpft haben, zurückkehren und ihre Fertigkeiten vor Ort verwenden – indem sie inländische Sektionen internationaler extremistischer Organisationen oder neue extremistische Gruppen gründen.»
Elisabeth Gosselin-Malo stellt in ihrer Forschung für das ISPI ebenfalls fest:
«Die Gefahr ist, dass die Ukraine durch die Schaffung der Legion erneut die Tore für extremistische oder radikalisierte Personen öffnen könnte, die dann ausgebildet und vom Kampf abgehärtet ihre Netzwerke ausweiten werden. Daraus entsteht ein doppeltes Problem: einerseits eins für die Ukraine, da es sehr wahrscheinlich schwierig wird, diese Personen nach einem eventuellen Ende der Kampfhandlungen zu kontrollieren, was potentiell zu einem Aufschwung extremistischer Aktivitäten im Land führen kann. Andererseits werden die Kämpfer, die dann doch in ihre Herkunftsländer zurückkehren werden, größeren Einfluss nicht nur auf die Rekrutierung und Radikalisierung anderer haben, sondern auch mehr Fähigkeiten zum Einsatz von Gewalt haben.»
Die Existenz eines Nazi-Problems in der Ukraine kann nicht durch die Argumentation abgestritten werden, dass es sich um Putins Propaganda handle, der seinen Imperialismus unter dem Vorwand einer «Entnazifizierung» rechtfertigt. Ein Repräsentant dieser Argumentationslinie ist der ehemalige Botschafter der USA in Russland Michael McFaul, der wiederholt behauptet hat, dass es keine Nazis in der Ukraine gebe, wobei er seine Aussage auf den jüdischen Hintergrund des ukrainischen Präsidenten Selenskyj stützte. Nur fand eine der gewalttätigsten Protestwellen in Zusammenhang mit der Diskriminierung und Polizeigewalt gegen die Schwarze Community in den USA 2014 in Ferguson statt, als Barack Obama Präsident war. Das Problem des systemischen Rassismus und der Polizeigewalt war nicht mit der Wahl eines Schwarzen Präsidenten verschwunden; manchen Beobachtern zufolge hatte es sich sogar zugespitzt.
Während die russische Propaganda das Neonazi-Problem in der Ukraine übertrieben darstellt, tut der Westen so, als würden diese Nazis nicht existieren. Wenn der Krieg vorbei ist, wird sich Nationalismus in der Ukraine weiter normalisieren und rechtsextreme Kampfverbände werden Veteranenstatus genießen, den sie in so viel politisches Kapital wie möglich zu verwandeln versuchen werden. Rechtsextreme Kämpfer haben bereits große Popularität in den sozialen Medien erlangt; nach dem Krieg werden sie Meinungsbildner sein und fest in der Zivilgesellschaft verankert sein.
Nach 2014 schaffte es nur die Asow-Bewegung signifikant zu wachsen. Der Eintritt in die politische Arena zwang ihre Anführer jedoch, ihre Rhetorik abzuschwächen. Diese Rhetorik wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch nach dem Krieg nationalistisch und militaristisch sein, aber kaum neonazistisch. Darüber hinaus werden dann alle Kräfte des politischen Spektrums, einschließlich der Linken, Liberalen, der LGBT-Community und Feministinnen über eigene Kämpfer*nnen verfügen: Alle politischen Parteien werden sie auf ihre Listen aufnehmen, um der extremen Rechten nicht das Monopol zu überlassen.
Es ist viel zu früh, um sagen zu können, wann dies passieren wird, weil das Endergebnis vom Inhalt eines eventuellen Friedensvertrags abhängt. Kommt es zu einem Sieg der Ukraine (peremoga auf Ukrainisch), wird Selenskyj der große Held mit wenig Platz für Andere sein, da das politische Feld bereits gesäubert sein wird. Kommt es aber zu einem «Verrat an der Ukraine» (zrada) und schmerzvollen Kompromissen mit Russland, dann wird es Kritik sogenannter «wahrer Patrioten» von allen Seiten hageln. Dies wird dem ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko die Chance bieten, in die Politik zurückzukehren – und den rechtsextremen Gruppen, sich auch dort fest zu verankern.