Im Herbst erscheint erstmals die Zeitschrift «Utopie kreativ». In gut 18 Jahre kommen über 200 Ausgaben heraus. Im Jahr 2009 wird die «LuXemburg – Gesellschaftsanalyse und linke Praxis» zur neuen Zeitschrift der Stiftung.
Bereits im Januar 1990 entsteht im Umfeld der PDS die Idee einer neuen theoretischen Zeitschrift, die als Blatt einer Ökumene der Linken gedacht ist. Manches Redaktionsmitglied gibt dafür anderweitige Berufspläne auf, etwa eine Umschulung zur Krankenschwester aufgrund der prekären Situation von philosophischer Wissenschaft und Journalismus, und nimmt das Angebot des Soziologieprofessors Helmut Steiner zur Mitarbeit an der entstehenden Zeitschrift an. Zu den ersten Überlegungen gehört, nach einem programmatischen Namen für das neue Blatt zu suchen – er soll den inhaltlichen Intentionen klar Ausdruck verleihen. Lange fällt der Redaktion nichts ein, was dem Anspruch gerecht werden kann, bis eine Mitarbeiterin die Idee hat: Ernst Blochs »konkrete Utopie« könnte dem Vorhaben den Namen geben, denn dessen Vorstellungen einer humanen, gerechten, sozialistischen Gesellschaft waren in dieser Situation des Neuanfangs ein für viele Linke akzeptables Gedankengebäude. «UTOPIE konkret – Diskussion sozialistischer Alternativen» geht an den Start und kommt erstmals im September 1990 heraus. Der Name kann indes wegen eines Einspruchs des Herausgebers des Magazins «konkret» aus Hamburg nicht beibehalten werden. Er droht mit Klage. Daher ändert die Redaktion den Namen in «Utopie kreativ». Ab September 1999 erscheint die Zeitschrift direkt im Auftrag der Stiftung, zunächst mit dem Verein «Konkrete Utopien» als Herausgeber, ab 2002 in eigener Herausgeberschaft.
Ende 2008 wird die «Utopie kreativ» eingestellt. Eine neue Zeitschrift soll die Veränderungen in Stiftung und Partei, die Herausforderungen der gesellschaftlichen Linken aufgreifen – und auch konzeptionell neues Terrain eröffnen: Der Markt der linken Theorie-Zeitschriften ist kleiner geworden, viele Bibliotheken haben ihre Abonnements gekündigt, linke Lehrstühle an den Universitäten werden – meist nach Pensionierung oder Emeritierung – umgewidmet. In den Gesprächen in der Vorbereitungsgruppe und im Umfeld wird schnell deutlich: Viele Linke haben mehr Zeitschriften im Abonnement als Zeit zum Lesen. Oft türmen sich die Theoriezeitschriften auf dem Schreibtisch und machen vor allem ein schlechtes Gewissen. Gleichzeitig gibt es wichtige Leerstellen: wo wird Gesellschaftsanalyse betrieben, ohne den Blick auf eine Theorieschule oder Strömung zu beschränken? Wo werden Kontroversen ausgetragen? Wo werden linke Strategien diskutiert – vor einem analytischen Hintergrund, aber in einer Sprache, die verständlich ist und keine Hürden aufbaut? Wo kommen linke Kunst und Politik zusammen, wo wird nach Berührungspunkten gefragt? Welche Zeitschrift schlägt man gern auf, wo gibt es genug Platz für Anmerkungen – welche Zeitung macht Lust auf mehr?
Die Konzeption der Zeitschrift wird verabschiedet, als die Finanz- und Wirtschaftskrise die Zeitungen und die Gedanken füllt. Das hat sicherlich dazu beigetragen, den Blick zu schärfen: die Krise lässt sich nur analysieren, wenn sie global betrachtet wird, wenn gefragt wird nach internationalen Strategien und Kämpfen. In der Krise schafft sich der Kapitalismus neu – gelingt das auch der Linken? «Was tun? Und wer zum Teufel tut es?», fragt David Harvey in der ersten Ausgabe der neuen Zeitschrift 2009. Kann die Linke neue Verbindungen von Bewegungen und Parteien, neue Strategien finden, wie bringt sie die zersplitterten Interessen der Unteren zusammen? Ist sie vorbereitet auch auf die Legitimationskrise, auf die nachlassende Bindung der Menschen ans neoliberale Modell? Bis Herbst 2010 erscheinen fünf Hefte zu den Schwerpunkten Krise, umkämpfte Demokratie, linkes Mosaik, «Guter Kapitalismus» und Krise der Autogesellschaft.
CHRISTINA KAINDL IST LEITENDE REDAKTEURIN DER ZEITSCHRIFT LUXEMBURG. MARION SCHÜTRUMPF-KUNZE IST REFERENTIN FÜR PUBLIKATIONEN IN DER ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG