Nachricht | Rosa-Luxemburg-Stiftung Für ein Gleichgewicht zwischen Freiheit und Gerechtigkeit

Grußwort aus der Sonderausgabe der RosaLux von Friedrich Schorlemmer.

Seit nunmehr 20 Jahren steht die Rosa-Luxemburg-Stiftung für kritische Gesellschaftsanalyse, emanzipatorische Bildung sowie die internationale Vernetzung von sozialen Bewegungen. Sie fördert das dringend notwendige Nachdenken über Alternativen und öffnet Perspektiven für eine gerechtere Welt. Gerade jetzt in Zeiten des fragilen neoliberalistischen Weltsystems ist das überaus wichtig. Die Stiftung vereinigt in Deutschland zudem nicht nur Ost und West, sondern steht mit ihrer Namenspatronin auch für Rosa Luxemburgs Mahnungen vor dem Ersticken innerparteilicher Demokratie und allgemeiner Meinungsfreiheit ein, für ihre Warnungen vor Personenkult und der Verselbstständigung der Macht und ihres Missbrauchs im Namen höchster Ziele.

Der Weg, den die Stiftung in den vergangenen Jahren gegangen ist, war nicht einfach. Schwierig war es für die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Anfangsjahren, die Brücke zu schlagen zwischen einem von innen und außen zerbrochen Gesellschaftssystem im Osten der Republik und einer Zukunft, die Entfaltungsfreiheit, Verunsicherung, Absturz und Aufbruch zugleich brachte. Aber wie Bertolt Brecht schon sagte: «Schön ist es, wenn man Schwierigkeiten löst.»

Einige Zeitzeugen, die das kommunistische System am eigenen Leib oft bitter zu spüren bekommen haben, empfanden die Idee, nach der Wende eine politische Bildungseinrichtung im Sinne des demokratischen Sozialismus zu gründen, als zynisch oder unglaubwürdig. Noch heute können manche meiner Freunde nicht verstehen, dass ich mich auch für einen offenen Dialog mit der Partei DIE LINKE und ebenso für linke Bildungsarbeit ausspreche, für die die Rosa-Luxemburg-Stiftung exemplarisch steht. Ich versuche darauf hinzuweisen, dass es gerade die Stiftung und die Linken sind, die in zahlreichen Diskussionen, Seminaren und Konferenzen kritisch mit der DDR und den Menschenrechtsverletzungen umgehen. Sei es zu politischen Verfolgungen, zur Mauer, zur Ideologisierung, zu Zensur und Willkür, zur Staatssicherheit, zu den Einschränkungen von Rechten und ausgebliebener Gewaltenteilung oder zum Umgang mit Religionen und Kirchen.
Kritische Auseinandersetzungen mit der DDR, Erinnerungsarbeit und Aufklärung sind weiter wichtig, denn 20 Jahre nach dem Mauerfall gibt es mental und ökonomisch noch immer zwei Gesellschaften in dem einen Deutschland. Weiter ist das Land unterschiedlich geprägt und einer Kultur wechselseitiger Anerkennung bedürftig. Es gilt, das Gleichgewicht zwischen Freiheit und Gerechtigkeit zu halten, damit sich die Spaltung zwischen Arm und Reich, Jung und Alt, Ost und West nicht vertieft. Es steht 2010 besser als gedacht, schlechter als erhofft.

Die Eckpunkte jedes politischen Handelns müssen Freiheit und Gerechtigkeit in Solidarität, individuelle und soziale Menschenrechte bleiben. Ich hoffe, dass die Rosa-Luxemburg-Stiftung auch in den kommenden Jahren ihrem Namen alle Ehre macht und sich weiterhin für eine freie, an der Wirklichkeit orientierte kritische Bildung, im nationalen und weltweiten Kontext einsetzt.

FRIEDRICH SCHORLEMMER
THEOLOGE UND PUBLIZIST IN LUTHERSTADT WITTENBERG. ER GEHÖRTE ZU DEN BEKANNTESTEN BÜRGERRECHTLERN IN DER DDR