Nach dem Wahlerfolg von 1998 und der wachsenden Bedeutung der Stiftung steht schnell fest, dass der Verein einen prägnanten Zusatz bei seinem Namen benötigt. Die Suche beginnt. Schließlich fällt die Entscheidung auf die Revolutionärin Rosa Luxemburg.
Schon kurze Zeit nach den Wahlen beginnt die intensive Suche nach einer Namenspatronin oder einem Namenspatron. Nachdem Ideen wie «Rotstift» schnell zu den Akten gelegt werden, diskutiert der Vorstand etliche klangvolle Namen aus der Geschichte linken Denkens und Kämpfens. Alexandra Kollontai, Clara Zetkin, Larissa Reissner, Franz Mehring und Paul Levi gehören zu den Kandidatinnen und Kandidaten. Die beiden Männer indes haben keine Chance. Denn wie das inhaltliche Angebot soll sich auch der Name der Stiftung von den übrigen parteinahen Bildungseinrichtungen absetzen. Da ist klar: Der reine Männerklub aus Friedrich Ebert, Konrad Adenauer, Friedrich Naumann, Hanns Seidel und Heinrich Böll braucht dringend ein weibliches Gegenüber.
Favorisiert wird schließlich Rosa Luxemburg, was in Sachsen allerdings nicht nur Freude auslöst. Hatten doch die Leipziger Gustav Seeber, Walter Markov und Helmut Seidel schon 1991 ihren Rosa-Luxemburg-Verein gegründet.Der Name der Patronin ist auch eine Kampfansage. Gegen Friedrich Naumann zum Beispiel. Der Anhänger Kaiser Wilhelm II.hatte mit seinem Buch «Mitteleuropa» im Jahr 1915 die meistgelesene deutsche Kriegszeitschrift verfasst, während Rosa Luxemburg ihren Kampf gegen den Krieg mit jahrelanger Haft bezahlte. Oder gegen Friedrich Ebert, dem sozialdemokratischen Reichskanzler während der Novemberrevolution 1918. Dessen Kriegsminister Gustav Noske hatte im Januar 1919 der Ermordung der KPD-Mitgründerin und Revolutionären Rosa Luxemburg zugestimmt.
Die Namenswahl – bestätigt durch die Mitgliederversammlung im Januar 2000 – fällt aber nicht wegen der Ermordung auf Rosa Luxemburg; die hatte die SED-Führung stets in den Vordergrund gestellt, um sich am zweiten Sonntag im Januar selbst feiern zu lassen. Sondern wegen der Persönlichkeit der jüdischen Polin, die politisches Engagement und das Streben nach Selbstverwirklichung als Frau in beeindruckender Weise miteinander verbunden hatte. Die Frau aus Zamosc war eine ebenso herausragende wie unerbittliche Politikerin – von den einen geliebt, von den anderen gehasst; übrigens auch in der eigenen Partei. Sie versuchte, der radikalen Linken einen selbstständigen Geist einzuhauchen, wie er Karl Marx eigen war, scheiterte daran aber letztlich. Nicht ihre demokratisch-linkssozialistischen Positionen sowie ihre leidenschaftliche Kritik an den antidemokratischen Tendenzen der Bolschewiki prägten später die von ihr einst mitbegründete KPD, sondern Verbalradikalismus, verschnitten mit Bürokratismus.Für uns verkörpert Rosa Luxemburg wie keine andere Frau die Werte und Ziele des demokratischen Sozialismus.
MARION SCHÜTRUMPF-KUNZE IST REFERENTIN FÜR PUBLIKATIONEN IN DER ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG